Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung, Grundsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden, das bei der Feststellung seines Einheitswertes dem Erbauer zugerechnet worden ist, kann die dingliche Haftung des Gebäudes für die Grundsteuer nicht gegen den Eigentümer des Grund und Bodens geltend gemacht werden.

 

Normenkette

BewG § 50 Abs. 3, § 70/3; AO § 120a; GrStG § 9

 

Tatbestand

Der Spediteur H. errichtete im Jahre 1946/1947 auf einem unbebauten Grundstück der Bfin. eine Garage für Lastkraftwagen. Grundlage für die überlassung des Grundstücks und die Errichtung der Garage war ein nachträglich am 12./18. Juli 1949 zwischen den Beteiligten abgeschlossener Pachtvertrag. Bei der Feststellung des Einheitswertes zum 21. Juni 1948 wurde die Garage (Gebäude auf fremdem Grund und Boden) dem Erbauer steuerlich zugerechnet, der sie mit notariellem Vertrage vom 17. Mai 1956 an einen anderen Unternehmer verkaufte. Der Erwerber trat in den Pachtvertrag ein.

Der Erbauer der Garage war in den Rechnungsjahren 1949 bis 1954 mit der Bezahlung der Grundsteuer für die Garage teilweise im Rückstand geblieben. Die Stadtgemeinde machte daher am 30. Oktober 1957 die dingliche Haftung der Garage für die Grundsteuer gegen die Bfin. geltend. Diese bestritt die Zulässigkeit der Geltendmachung der dinglichen Haftung. Auf Antrag der Stadtgemeinde entschied das Finanzamt auf Grund des § 212 c Abs. 1 AO dahin, daß die Bfin. in vollem Umfange für die auf der Garage ruhenden Grundsteuern hafte, soweit diese rückständig und noch nicht verjährt seien.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht begründete - in übereinstimmung mit der Auffassung des Finanzamts - seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Nach § 9 GrStG ruhe die Grundsteuer auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last. Bei einer öffentlich-rechtlichen Abgabe, die als öffentliche Last auf Grundbesitz ruhe, könne die dingliche Haftung gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundbesitzes geltend gemacht werden (ß 120 a Abs. 1 AO). Bei der Garage handle es sich um ein massives Gebäude, das wegen seiner festen Verbindung mit dem Grund und Boden als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks anzusehen sei. Da die Bfin. bürgerlich-rechtlich Eigentümerin des Grundstücks sei, sei sie damit zugleich auch Eigentümerin des Garagengebäudes. Die dingliche Haftung des Grundstücks der Bfin. werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Garage nach der Sondervorschrift des Bewertungsgesetzes (BewG) als selbständige wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) bewertet und dem Erbauer steuerlich zugerechnet worden sei.

Nach der von der Bfin. in ihrer Rb. vertretenen Auffassung komme eine Verpflichtung zur Bezahlung der rückständigen Grundsteuern nur in Betracht, wenn die Garage (der Steuergegenstand) wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden wäre; das treffe aber nicht zu, da die Garage nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat vermag zwar den Ausführungen der Rb. nicht in vollem Umfange zu folgen. Trotzdem hat die Rb. Erfolg.

Ein mit dem Grund und Boden fest verbundenes Gebäude gehört nach § 94 BGB zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks und ist damit Eigentum des Grundstückseigentümers (ß 946 BGB), auch wenn nicht dieser, sondern ein anderer das Gebäude errichtet hat; dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Gebäude nur zu einem vorübergehenden Zweck auf dem Grundstück errichtet worden ist (ß 95 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach dem BewG bildet ein auf fremdem Grund und Boden errichtetes Gebäude, falls die Voraussetzungen für eine steuerliche Zurechnung an den Eigentümer des Grund und Bodens nicht vorliegen, eine besondere wirtschaftliche Einheit (Untereinheit); ein derartiges Gebäude gilt als selbständiges Grundstück im Sinne des BewG, und zwar auch dann, wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens ist (ß 50 Abs. 3 BewG) und damit bürgerlich-rechtlich dem Grundeigentümer gehört.

Die Garage ist bei der Einheitsbewertung nicht der Bfin. (der Eigentümerin des Grund und Bodens), sondern dem Erbauer zugerechnet worden. Hierbei wurde nicht festgestellt, wer juristischer Eigentümer der Garage ist. Zwar spricht - entgegen der Auffassung der Vorbehörden - sehr viel dafür, daß die Garage im Eigentum des Erbauers bzw. seines Rechtsnachfolgers steht (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs V ZR 173/57 vom 27. Mai 1959, Neue Juristische Wochenschrift 1959 S. 1487). Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß die Frage nach dem juristischen Eigentümer der Garage bei der Einheitsbewertung unbeantwortet bleiben konnte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 77/57 S vom 19. September 1958, BStBl 1958 III S. 440, Slg. Bd. 67 S. 434). Diese Frage muß auch jetzt nicht entschieden werden.

Die Garage bildet - davon ist im vorliegenden Fall auszugehen - einen selbständigen Steuergegenstand der Grundsteuer. Steuerschuldner war der Erbauer der Garage. Neben den Steuerschuldner tritt die Haftung des Steuergegenstandes selbst. Denn nach § 9 GrStG ruht die Grundsteuer auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last. Die öffentliche Last besteht unabhängig von dem persönlichen Anspruch, den die Stadtgemeinde gegen den Erbauer der Garage hat. Das Wesen der öffentlichen Last ist die dingliche Haftung des Steuergegenstandes für die öffentlich-rechtliche Abgabe dergestalt, daß die dingliche Haftung des Steuergegenstandes gegen den jeweiligen Eigentümer, auch wenn dieser nicht persönlicher Steuerschuldner ist, geltend gemacht werden kann. Das ist in § 120 a AO ausdrücklich ausgesprochen. Diese Regelung reicht jedoch nicht aus, um die dingliche Haftung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden gegen den Grundstückseigentümer geltend zu machen. Handelt es sich um ein Gebäude, das nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden worden ist, kommt eine Geltendmachung der dinglichen Haftung des Gebäudes gegen den Grundstückseigentümer nicht in Betracht; das nehmen auch die Vorinstanzen nicht an. Handelt es sich um ein Gebäude, das wesentlicher Grundstücksbestandteil geworden ist, so muß die Geltendmachung der dinglichen Haftung, da das Eigentum am Grundstück und Gebäude in einer Hand vereinigt ist, notwendigerweise gegen den Grundstückseigentümer erfolgen. Das Grundstück ist jedoch hinsichtlich eines solchen Gebäudes nicht "Steuergegenstand"; die öffentliche Last ruht insoweit nicht auf dem Grundstück. Wie sich hier bei den Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, die selbständige Steuergegenstände der Grundsteuer sind, zeigt, ist der Umstand, daß wirtschaftliches und bürgerlich-rechtliches Eigentum auseinanderfallen, bei der Regelung der dinglichen Haftung vom Gesetzgeber nicht ausreichend berücksichtigt worden (ebenso Gürsching-Stenger, Kommentar zum Grundsteuergesetz, 1. Auflage, 1959, Anmerkung 7 zu § 9; Scholz, "Die Steuerschuldner im Reichsgrundsteuergesetz" in Industrie und Steuer 1938 S. 144 ff.; Maschek, "Die Grundsteuer als öffentliche Last bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden", Deutsche Steuer-Rundschau 1955 S. 222). Der Senat kommt daher im Streitfall - entsprechend der bestehenden Rechtslage - zu folgendem Ergebnis: Bei einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden, das bei der Feststellung seines Einheitswertes dem Erbauer zugerechnet worden ist, kann die dingliche Haftung des Gebäudes für die Grundsteuer nicht gegen den Eigentümer des Grund und Bodens geltend gemacht werden. Die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und der Haftungsbescheid vom 21. Januar 1958 unterliegen daher der Aufhebung.

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 9

BFHE 1960, 21

BFHE 70, 21

StRK, GrStG:9 R 1

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge