Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der verfassungsmäßigen Berufung der Richter des Bundesfinanzhofs.

 

Normenkette

GG Art. 20, 95 Abs. 3, Art. 96 Abs. 2; AO § 54

 

Gründe

Aus den Gründen:

Der Bf. hat zu Beginn der mündlichen Verhandlung folgenden Einwand vorgetragen:

Die Art der Bildung des amtierenden Gerichts sei mit den Grundlagen des Grundgesetzes (GG) und den dort niedergelegten Postulaten nicht in Einklang zu bringen. Der Art. 96 Abs. 2 GG gebe dem Bundesminister der Finanzen das Recht, über die Berufung der Richter des Bundesfinanzhofs zu entscheiden. Der Bundesminister der Finanzen sei, wenn es sich, wie in dem vorliegenden Falle, um Verbrauchsteuern und Zölle handele, Partei. Die Berufung der Richter könne aber niemals von dem Bundesminister der Finanzen als einer Partei vor diesem Gericht abhängen. Art. 96 Abs. 2 GG verstoße hinsichtlich des Bundesministers der Finanzen und seines Berufungsrechts gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Durch die im GG verankerte Mitwirkung der Landesfinanzminister ändere sich das Problem auch dann nicht, wenn es sich um Abgaben handele, die nicht dem Bund, sondern den Ländern zuständen. Der Bf. könne deshalb das erkennende Gericht nicht als verfassungsmäßig zustande gekommen anerkennen.

Der erkennende Senat hat über diese Frage vorab entschieden und nach geheimer Beratung den Einwand abgelehnt. Für die Ablehnung waren folgende Gründe maßgebend:

Der in Art. 20 GG niedergelegte Grundsatz der Gewaltenteilung ist im GG selbst nicht streng durchgeführt; es enthält zahlreiche Gewaltenverschränkungen und Balancierungen. Es versteht sich von selbst, daß die drei Gewalten, die ihre Befugnisse vom Volke und seiner eine Einheit bildenden Staatsorganisation ableiten, einer gewissen Verklammerung bedürfen, wenn verhütet werden soll, daß sie zum Nachteil des Ganzen auseinanderstreben und damit schließlich gegeneinander wirken. Diese notwendige Verbindung kann auch durch eine Gewaltenteilung, die zu gegenseitiger Kontrolle und Mitwirkung führt, erreicht werden. Dem Verfassungsaufbau der Bundesrepublik Deutschland entspricht nicht eine absolute Trennung der Gewalten, sondern ihre gegenseitige Kontrolle und Mäßigung (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 7 S. 183, 1 8 8). Wenn das Bundesverfassungsgericht a. a. O. im folgenden Absatz hervorhebt, daß die rechtsprechende Gewalt nach Art. 92 GG gegen Einwirkungen stärker abgeschirmt ist als die anderen Gewalten, so zeigen die dafür vom Bundesverfassungsgericht angeführten Beispiele, daß dabei nicht an die nur beschränkte Mitwirkung des Bundesministers der Finanzen (oder der Finanzminister der Länder) bei der Berufung der Richter gedacht sein kann.

Übrigens sehen von Mangoldt-Klein (Das Bonner Grundgesetz, 1957 Art. 20 Anmerkung V 5b S. 599) gerade darin einen Fall der Gewaltenverschränkung, daß die vollziehende Gewalt bei der Schaffung der gerichtlichen Organisation und der Berufung der Richter mitwirkt. Die Berufung der Richter des Bundesfinanzhofs ist, wie die der übrigen Bundesrichter, durch das Richterwahlgesetz vom 25. August 1950 (BGBl S. 368) so geregelt, daß der Richterwahlausschuß, der zur einen Hälfte aus Mitgliedern des Bundestags, zur anderen aus den Finanzministern der Länder besteht, die Entscheidung in geheimer Abstimmung trifft (§ 12 a. a. O.). Der zuständige Bundesminister, hier der Bundesminister der Finanzen, führt den Vorsitz. In der dem Bundesminister der Finanzen nach § 13 des Gesetzes zustehenden Befugnis, die Ernennung ihm ungeeignet erscheinender Richter durch Verweigerung seiner Zustimmung zu unterbinden (vgl. Holtkotten, Bonner Kommentar zu Art. 96 II B 1 e), in einer also begrenzten Mitwirkung eines der Volksvertretung verantwortlichen Fachministers, kann in Anbetracht des planvollen Zusammenwirkens der Gewalten kein rechtserheblicher Verstoß gegen das Prinzip des Art. 20 GG gefunden werden.

Das gleiche Zusammenwirken zeigt sich auch bei der Berufung der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts. Diese werden je zur Hälfte vom Bundestag und vom Bundesrat gewählt (Art. 94 Abs. 1 Satz 2 GG und § 5 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vom 12. März 1951, BGBl I S. 243) und vom Bundespräsidenten ernannt. Gleichwohl ist das Bundesverfassungsgericht zuständig zur Entscheidung von Fragen, die den Bundestag, den Bundesrat oder den Bundespräsidenten betreffen (vgl. insbesondere § 13 Ziff. 3, 4 und 5 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht).

Die verfassungsgerechte Besetzung des Bundesfinanzhofs ist in der Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts bisher weder bei Verfassungsbeschwerden gegen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs noch bei Vorlagebeschlüssen des Bundesfinanzhofs gemäß Art. 100 GG (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 9 S. 153) in Zweifel gezogen worden.

Im übrigen muß darauf hingewiesen werden, daß der Bundesminister der Finanzen im Rechtsbeschwerdeverfahren wegen Zölle und Verbrauchsteuern selbst im Falle des § 287 Ziff. 2 AO weder Partei ist noch einer Partei beitritt. Er beteiligt sich nach Ermessen in der Rechtsbeschwerdeinstanz am Verfahren, um der obersten Instanz Material für die Entscheidung verschaffen zu können (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Reichsabgabenordnung, § 287 Anmerkung 2).

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 11

BFHE 1960, 27

NJW 1960, 312

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