Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen eines Mieters für den Einbau eines Schalldämmfensters in seine gemietete Wohnung zur Abschirmung des Straßenlärms an einer verkehrsreichen Kreuzung sind keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 EStG.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte im Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1972 2 368 DM für den Einbau eines Schalldämmfensters in der von ihm und seiner Ehefrau gemieteten Wohnung als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) lehnte den Antrag ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG gab der Klage statt. Es führt aus, die Aufwendungen für den Einbau des Lärmschutzfensters seien in voller Höhe eine außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG. Die Aufwendungen seien dem Kläger zwangsläufig entstanden, da, wie gerichtsbekannt, sämtliche Räume seiner Wohnung am Tage und in der Nacht in außergewöhnlich starkem Maß durch den Lärm des Straßenverkehrs an einer verkehrsreichen Kreuzung beeinträchtigt würden. Nach medizinischer Erkenntnis führe eine dauernde Lärmbelästigung, insbesondere zur Nachtzeit, auf die Dauer zu Gesundheitsschäden. Der Einbau eines Schalldämmfensters sei das einzige Mittel gewesen, um sich vor dem Straßenlärm zu schützen. Es sei dem Kläger nicht zuzumuten gewesen, die Wohnung zu wechseln. Seine Aufwendungen seien größer gewesen als die der überwiegenden Mehrheit der in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Steuerpflichtigen. Der Kläger sei insoweit mit Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes zu vergleichen, die nicht an verkehrsreichen Hauptverkehrs- oder Durchgangsstraßen oder besonders belebten Kreuzungen wohnten. Der Kläger habe mit der Anschaffung des Lärmschutzfensters keinen Gegenwert erlangt. Das Fenster sei mit seinem Einbau nach §§ 946, 93 ff., BGB in das Eigentum des Hauseigentümers gelangt. Der Kläger habe lediglich den Vorteil erhalten, daß das Zimmer, in dem das Fenster eingebaut worden sei, vom Straßenlärm weitgehend abgeschirmt worden sei. Es sei fast unmöglich, den Zeitraum der voraussichtlichen Nutzung des Fensters mit hinreichender Sicherheit zu schätzen. Da der Gebrauchsvorteil ebenso schwer zu schätzen sei, müsse er als ein bloßer immaterieller Vorteil angesehen werden. Ein solcher Vorteil rechtfertige es nicht, die Steuervergünstigung des § 33 EStG, die Billigkeitscharakter habe, zu versagen.

Das FA rügt die Verletzung des § 33 EStG und des § 76 FGO.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Der Senat läßt es dahingestellt, ob die Aufwendungen des Klägers zum Einbau des Schalldämmfensters von 2 368 DM als zwangsläufig und außergewöhnlich anzusehen sind. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 15. Februar 1974 VI R 67/70, BFHE 111, 491, BStBl II 1974, 335; vom 23. Februar 1968 VI R 97/67, BFHE 92, 199, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung des BFH) können Aufwendungen grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige für seine Aufwendungen einen wie auch immer gearteten Gegenwert erhält. Der Senat hat Ausnahmen von diesem Grundsatz nur zugelassen, wenn es sich um Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung handelt, die auf Grund von Ereignissen verlorengegangen sind, die man unter dem Begriff der "höheren Gewalt" im engeren Sinn bringen kann.

Es kann offenbleiben, ob das Schalldämmfenster im Streitfall mit seinem Einbau nach §§ 946, 93 ff. BGB in das Eigentum des Hauseigentümers übergegangen ist oder ob der Kläger nach § 95 BGB das Eigentum an dem Fenster trotz des Einbaues behalten hat. Der Kläger hat jedenfalls durch den Einbau des Schalldämmfensters den Vorteil eines geräuschfreien Wohnens erlangt. Dieser Vorteil ist ebenso real, als wenn ein Mieter sich auf eigene Kosten eine Heizung in seine gemietete Wohnung einbauen läßt, weil die Wohnung bisher nicht genügend beheizbar war. Das Vorhandensein eines realen Gegenwerts wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Zeit der voraussichtlichen Nutzung des Schalldämmfensters ungewiß ist; denn dies hängt von der tatsächlichen Dauer des auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrages ab.

Es ist letztlich Sache des Gesetzgebers, Verordnungsgebers oder der allgemeinen Verwaltung, Maßnahmen zu ergreifen oder Aufwendungen der Bürger finanziell zu unterstützen, um die Bewohner von Großstädten vor nicht zumutbarem Straßenlärm zu schützen. In Berlin hat der Senator für Gesundheitswesen am 29. Juli 1963 Verwaltungsvorschriften zur Lärmbekämpfung (Amtsblatt für Berlin 1963 S. 1213) erlassen. Danach haben die Behörden einzugreifen, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt, d. h. wenn das Maß des vermeidbaren Lärms die geistigen oder körperlichen Kräfte des Betroffenen so beeinträchtigt, daß eine Schwächung seiner Widerstandskraft und seiner Arbeitsfähigkeit eintritt oder zu befürchten ist. Es ist nicht Sache der Finanzbehörden und der Steuergerichte, im Rahmen des § 33 EStG nach Billigkeitsgrundsätzen Steuerermäßigungen zu gewähren, wenn die zuständigen Verwaltungsbehörden der Ansicht sind, die Lärmbelästigung sei nicht so groß, daß sie nach den Verwaltungsvorschriften zur Lärmbekämpfung verpflichtet seien. Halten Bürger einer Großstadt die Lärmbelästigung für nicht zumutbar, so bleibt es ihnen unbenommen, sich an die zuständigen Verwaltungsbehörden oder an ihre Hauseigentümer zu wenden oder in eine andere Wohnung umzuziehen.

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 194

BFHE 1976, 24

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