Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Leitende Angestellte sind von der Steuerfreiheit einer Entlassungsentschädigung gemäß § 3 Ziff. 8 EStG 1952 dann nicht ausgeschlossen, wenn sie auf Grund interner Betriebsanordnungen Arbeitnehmer nur mit Zustimmung der Werksleitung einstellen und entlassen dürfen.

Löst ein Arbeitnehmer von sich aus sein Arbeitsverhältnis oder schließt er mit seinem Arbeitgeber einen Vergleich über die Beendigung seines Arbeitsvertrags, so besteht keine Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 8 EStG 1952 für eine anläßlich seines Ausscheidens gezahlte Entschädigung.

 

Normenkette

EStG § 3 Ziff. 8, § 3/9; LStDV § 6 Ziff. 6, § 6/7

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) war Prokurist und ständiger Vertreter des Werkleiters der X. GmbH. Auf Grund einer Vereinbarung vom 4. Dezember 1952 schied er mit Wirkung vom 30. September 1952 aus der Firma aus und erhielt wegen der vorzeitigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Abfindung von 11.000 DM. Das Finanzamt lehnte es ab, diesen Betrag gemäß § 3 Ziff. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1952 steuerfrei zu lassen. Die Firma verteilte den vereinbarten Abfindungsbetrag für die Steuerberechnung im Einvernehmen mit dem Finanzamt auf die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis 31. März 1953 und behielt insgesamt 3.236,25 DM Lohnsteuer ein, außerdem 147,75 DM Notopfer Berlin und 323,61 DM Kirchenlohnsteuer. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht verneinte unter Hinweis auf Abschn. 12 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1952, daß die an den Bf. auf Grund des Vergleichs vom 4. Dezember 1952 geleistete Zahlung eine steuerfreie Entlassungsentschädigung im Sinne des § 3 Ziff. 8 EStG 1952 (ß 6 Ziff. 6 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1952) sei; diese Vergünstigung komme nur für Arbeitnehmer in Betracht, die den sozialen Kündigungsschutzbestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) unterständen. Da der Bf. ein leitender Angestellter gewesen sei, finde diese Vorschrift auf ihn keine Anwendung. Für die Zugehörigkeit des Bf. zu den leitenden Angestellten spreche insbesondere die Stellungnahme des Betriebsrats, der bei dem Vergleich vom 4. Dezember 1952 nicht mitgewirkt habe, weil er den Bf. als leitende Person im Sinne des § 12 KSchG angesehen habe. Daß der frühere Betriebsleiter der X. GmbH sich die Einstellung und Entlassung von Angestellten vorbehalten habe, sei kein Beweis gegen die leitende Stellung des Bf.; denn es sei nichts Außergewöhnliches, daß bei größeren Unternehmen bestimmte Geschäftsvorgänge nur unter Mitwirkung mehrerer leitender Personen rechtsverbindlich vollzogen werden könnten. Im übrigen habe die derzeitige Betriebsleitung ausdrücklich bestätigt, daß der Bf. auf Grund seiner Stellung nach § 49 HGB zur Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern befugt gewesen sei.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Bf. insbesondere geltend, er sei kein leitender Angestellter im Sinne des Abschn. 12 LStR 1952 gewesen, da er nicht die Befugnis gehabt habe, selbständig Arbeitsverhältnisse zu begründen und zu beendigen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Die Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 8 EStG 1952 (ß 6 Ziff. 6 LStDV 1952) setzt voraus, daß die Zahlung auf Grund arbeitsrechtlicher Vorschriften geleistet wurde. Für die im vorliegenden Fall in Betracht kommende Zeit sind die arbeitsrechtlichen Vorschriften im KSchG vom 10. August 1951 (Bundesgesetzblatt 1951 I S. 499) enthalten. Die sozialen Schutzvorschriften, die eine Abfindung bei der Entlassung aus einem Arbeitsverhältnis vorsehen, finden gemäß § 12 KSchG keine Anwendung bei der Entlassung von gesetzlichen Vertretern juristischer Personen und anderen leitenden Angestellten, die zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Die Freistellung einer Entlassungsentschädigung von der Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer ist von den gleichen Voraussetzungen abhängig. Das Finanzgericht hat angenommen, daß der Bf. zu den in § 12 Buchst. c KSchG aufgeführten Personen gehört, für die weder der Kündigungsschutz noch die Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 8 EStG in Betracht kommen. Ob dies richtig ist, erscheint nach den bisherigen Feststellungen zweifelhaft. Der Bf. hat eine Erklärung des früheren Betriebsführers vorgelegt, aus der hervorgeht, daß sich dieser die Genehmigung bei der Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern vorbehalten hatte. Wenn dies zutrifft, hätte dem Bf. die Berechtigung zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern gefehlt; er hätte dann nur ein Vorschlagsrecht gehabt. Wie Hueck (Kündigungsschutzgesetz 3. Aufl. 1954 Bem. 2 zu § 12) zutreffend ausführt, üben leitende Angestellte, die derartigen Beschränkungen bei der Vornahme von Rechtsgeschäften in Personalangelegenheiten unterliegen, keine arbeitgeberähnlichen Funktionen aus, die nach dem Sinn und Zweck der Kündigungsschutzvorschriften Voraussetzung für ihren Ausschluß vom Kündigungsschutz sind. Die Firma bestreitet, daß die Befugnisse des Bf. in dieser Weise eingeschränkt waren. Es kann dahingestellt bleiben, welche Darstellung richtig ist; denn die Rb. kann bereits aus einem anderen Grunde keinen Erfolg haben.

Weitere Voraussetzung der Steuerfreiheit gemäß § 3 Ziff. 8 EStG 1952 (ß 6 Ziff. 6 LStDV 1952) ist, daß der Bf. entlassen wurde. Es ist unstreitig, daß weder eine Entlassung erfolgt noch eine Kündigung ausgesprochen ist. Das Arbeitsverhältnis des Bf. wurde vielmehr durch den Vergleich vom 4. Dezember 1952 beendet, in dem sein Ausscheiden zum 30. September 1952 vereinbart wurde. In dem auf Grund dieses Vergleichs ausgefertigten Zeugnis vom 29. Oktober 1952 wird zum Ausdruck gebracht, daß der Bf. auf eigenen Wunsch ausgeschieden ist. Das Finanzgericht hat hierzu ausgeführt, daß die Vereinbarung zwischen dem Bf. und der X. GmbH vom 4. Dezember 1952 als eine Klärung des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses durch Anerkennung der auf den 30. September 1952 festgelegten Entlassung anzusehen sei. Die Steuerfreiheit der Entlassungsentschädigungen beruht auf sozialen Erwägungen. Der sozial schwache Arbeitnehmer soll im Falle von wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Entlassungen eine Entschädigung erhalten, die ihm ohne Kürzung durch Steuern zugute kommen soll. Diese den Schutz der Arbeitnehmer bezweckenden Bestimmungen können nicht angewendet werden, wenn ein Arbeitnehmer von sich aus das Arbeitsverhältnis löst, oder wenn er durch Abschluß eines Vergleiches bei der vorzeitigen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mitwirkt (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 1/39 vom 7. Dezember 1939, Reichssteuerblatt 1940 S. 427; Urteil des Bundesfinanzhofs IV 205/51 U vom 17. Juli 1952, Slg. Bd. 56 S. 560, Bundessteuerblatt 1952 III S. 217). Da nach dem auf Grund des übereinkommens vom 4. Dezember 1952 ausgefertigten Zeugnis der Bf. das Arbeitsverhältnis von sich aus gelöst hat, oder doch mindestens dabei mitgewirkt hat, kann der an ihn anläßlich seines Ausscheidens gezahlte Betrag nicht nach § 3 Ziff. 8 EStG 1952 (ß 6 Ziff. 6 LStDV 1952) steuerfrei sein. Da gegen die Steuerberechnung keine rechtlichen Bedenken bestehen, ist die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408379

BStBl III 1956, 50

BFHE 1956, 133

BFHE 62, 133

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