Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus; Abschnittsbesteuerung

 

Leitsatz (NV)

1. Der Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Zweifamilienhaus ist anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn die nach der II.BVO berechnete privat genutzte Wohnfläche dieser Wohnung größer als 250 qm ist oder zu dem Haus eine Schwimmhalle gehört.

2. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung muß das FA in jedem Veranlagungszeitraum den Sachverhalt erneut prüfen und rechtlich würdigen.

 

Normenkette

EStG § 21 Abs. 2; II.BVO

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Sreitjahr (1984) als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.

Der Kläger ist Eigentümer eines im Jahre 1980 fertiggestellten Zweifamilienhauses in ... Die Wohnfläche der von den Klägern bezogenen Hauptwohnung beträgt 265 qm. Davon entfallen nach Angaben der Kläger 12 qm auf ein Arbeitszimmer. Das Haus besitzt im Keller u.a. ein Schwimmbad mit Solarium und Sauna.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ermittelte den Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung anhand der Kostenmiete und setzte hierfür 6 v.H. der Herstellungskosten von 1082936 DM, also 64976 DM, an.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage auf Ansatz der Marktmiete als Rohmietwert der eigengenutzten Wohnung aufgrund der vom gerichtlich bestellten Sachverständigen gefundenen Ergebnisse teilweise statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 8 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Vorschriften der Finanzgerichtsordnung (FGO) über die ordnungsgemäße Sachverhaltsermittlung.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Mit dem während des Revisionsverfahrens erlassenen geänderten Einkommensteuerbescheid für 1984 vom 24. April 1992 erklärte das FA die Steuerfestsetzung teilweise für vorläufig und berücksichtigte die gemäß § 32 Abs. 8 Satz 1 EStG 1983 bis 1985 i.d.F. des § 54 EStG (Art. 1 Nr. 18 des Steueränderungsgesetzes 1991) rückwirkend erhöhten Kinderfreibeträge.

Die Kläger beantragen, diesen Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und die Revision zurückzuweisen. Das FG habe - so führen sie aus - die Revision zu Unrecht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Der Ansatz der Marktmiete sei durch § 8 Abs. 2 EStG geboten. Bei aufwendiger Bauweise könnten ggf. die Werbungskosten gekürzt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 24. April 1992 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

I. Der während des Revisionsverfahrens erlassene Änderungsbescheid wurde auf Antrag der Kläger Gegenstand des Verfahrens (§§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO). Aufgrund des Antrags der Kläger, die Revision zurückzuweisen, steht fest, daß sie nach wie vor eine Bestimmung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entsprechend der Vorentscheidung und eine entsprechende Herabsetzung der Steuer erstreben. Dieses Begehren ist zulässig (Senatsurteile vom 27. Oktober 1992 IX R 152/89, BFHE 170, 57, BStBl II 1993, 589; vom 16. Februar 1993 IX R 63/88, BFHE 170, 543, BStBl II 1993, 659).

II. Die Revision ist statthaft. Das FG hat sie wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FGO, Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs). Dies ist für den Senat bindend. Der Ausnahmefall, daß die Zulassung offensichtlich gesetzwidrig ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., Anm. 45 zu § 115, m.w.N.), liegt nicht vor.

III. 1. Die Vorentscheidung verletzt § 21 Abs. 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung. Das FG hat zu Unrecht nicht die Kostenmiete als Rohmietwert angesetzt.

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 22. Oktober 1993 IX R 35/92 und IX R 33/91 (BFHE 174, 51, 120) ausgeführt hat, ist bei der Ermittlung des Nutzungswerts der eigengenutzten Wohnung im eigenen Haus als Rohmietwert die Kostenmiete anzusetzen, wenn die nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung (II.BVO) berechnete privat genutzte Wohnfläche dieser Wohnung größer als 250 qm ist oder zu dem Haus eine Schwimmhalle gehört.

2. Das FG ist von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

a) Im Streitfall sind beide Merkmale für den Ansatz der Kostenmiete erfüllt.

b) Gegen die Berechnung der Höhe der Kostenmiete durch das FA bestehen aus revisionsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Die Kläger erheben insoweit keine Einwendungen. Die Berechnung läßt keine Fehler zu ihren Lasten erkennen. Vielmehr würden sowohl die Einbeziehung der Anschaffungskosten für Grund und Boden (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 2. Oktober 1986 IV B 1 - S 2253 - 103/86, BStBl I 1986, 486) als auch die Berechnung der Kostenmiete auf der Grundlage der II.BVO (vgl. Senatsurteil vom 22. Oktober 1993 IX R 33/91) zu einem noch höheren Nutzungswert führen.

3. Das FA war nicht durch Treu und Glauben gehindert, für den Veranlagungszeitraum 1984 einen gegenüber den Vorjahren höheren Nutzungswert für die eigengenutzte Wohnung anzusetzen.

Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung muß das FA in jedem Veranlagungszeitraum den Sachverhalt erneut prüfen und rechtlich würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muß es zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf sie vertraut haben sollte. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn die Finanzbehörde über einen längeren Zeitraum hinweg eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat, selbst wenn diese Auffassung in einem Bericht über eine Außenprüfung zum Ausdruck gekommen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Dezember 1988 IV R 36/84, BFHE 155, 538, BStBl II 1989, 363, m.w.N.). Daß das FA den Klägern eine Weiterführung der bisherigen Sachbehandlung zugesagt hätte, hat das FG nicht feststellen können. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß die Kläger aufgrund des Ergebnisses der Außenprüfung Dispositionen getroffen haben.

4. Auf die vom FA erhobene Verfahrensrüge kommt es danach nicht mehr an.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Herabsetzung der Einkommensteuer in dem während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 24. April 1992 bleibt unberücksichtigt, weil dieser Bescheid auf Antrag der Kläger Gegenstand des Verfahrens wurde und die Klage dagegen in vollem Umfang abgewiesen wurde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419536

BFH/NV 1994, 698

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