Leitsatz (amtlich)

§ 7 Abs. 2 BHG (in der im Jahre 1956 geltenden Fassung) ist keine Befreiungsvorschrift. Der Kürzungsanspruch nach § 7 Abs. 2 BHG steht daher bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen einem Unternehmer auch für solche Umsätze zu, die nach dem Truppenvertrag von der Umsatzsteuer befreit sind.

 

Normenkette

BHG § 7 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Klägerin und Revisionsklägerin), eine AG, hat einen Doppelsitz in Berlin und im übrigen Bundesgebiet. Der Ort der Geschäftsleitung liegt im übrigen Bundesgebiet. Im Jahr 1956 führte sie durch ihre im Bundesgebiet gelegenen Betriebstätten Werklieferungen an die in der Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräfte aus. Für diese Werklieferungen beanspruchte sie Steuerfreiheit nach § 1 der Verordnung zur Durchführung umsatzsteuerlicher Bestimmungen des Truppenvertrages und des Truppenzollgesetzes (Umsatzsteuerverordnung zum Truppenvertrag - TrV-UStVO -) vom 23. Oktober 1956 (BGBl I 1956, 837). Da bei diesen Werklieferungen auch in Berlin (West) hergestellte Gegenstände als Teile verwendet worden waren, kürzte die Steuerpflichtige außerdem ihre für den Veranlagungszeitraum geschuldete Umsatzsteuer gemäß § 7 Abs. 2 BHG in der für den fraglichen Zeitraum geltenden Fassung.

Durch Umsatzsteuerbescheid 1956 gewährte das FA - Beklagter und Revisionsbeklagter - der Steuerpflichtigen die Umsatzsteuerkürzung nach § 7 Abs. 2 BHG, versagte ihr aber die Umsatzsteuerbefreiung nach § 1 TrV-UStVO, weil es der Auffassung war, beide Vergünstigungen könnten nicht gleichzeitig nebeneinander in Anspruch genommen werden.

Mit der gegen diesen Bescheid eingelegten Sprungklage hatte die Steuerpflichtige zum Teil Erfolg. Das FG kam zu dem Ergebnis, daß die in Rede stehenden Werklieferungen der Steuerpflichtigen steuerfrei sind, aber keinen Kürzungsanspruch begründen. Das FG fürhte aus: Die Umsatzsteuerfreiheit ergebe sich aus Art. 33 Abs. 2 Unterabs. a des Vertrages über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik Deutschland, Truppenvertrag - TrV - (BGBl II 1955, 321). Dem stehe nicht entgegen, daß der Truppenvertrag im Lande Berlin nicht gelte, da es sich im vorliegenden Falle um die Anwendung des Truppenvertrages auf Lieferungen handele, die nicht in Berlin, sondern im (übrigen) Bundesgebiet ausgeführt worden sind und die Steuerpflichtige ihren Sitz ebenfalls (auch) hier habe. Im Hinblick auf die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 33 Abs. 2 Unterabs. a TrV komme es auch nicht darauf an, ob § 1 TrV-UStVO auf einer ausreichenden Ermächtigung beruhe. Neben der Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. a TrV könnten jedoch die Vergünstigungen des § 7 Abs. 2 BHG nicht in Anspruch genommen werden, weil es sich bei dieser Vorschrift ihrem Gehalt nach ebenfalls um eine Umsatzsteuerbefreiung handle, die lediglich aus systematischen Gründen technisch in die Form eines Kürzungsanspruches gekleidet sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Steuerpflichtigen. Sie ist unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG 2 BvH 2/52 vom 21. Mai 1952 (BVerfGE 1, 299) sowie die Urteile des BFH VI 162/55 U vom 14. Februar 1958 (BFH 66, 539, BStBl III 1958, 207) und VI 33/59 U vom 22. Juli 1960 (BFH 71, 406, BStBl III 1960, 401) der Meinung, das FG habe mit seiner Entscheidung gegen die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze verstoßen, weil es die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 2 BHG verneint und damit die Vorschrift gegen ihren klaren Wortlaut ausgelegt habe. Sie ist ferner der Auffassung, bei der Umsatzsteuerfreiheit nach dem TrV handle es sich in ihrer Wirkung nicht um eine Befreiung, da sie dem Unternehmer keinen Erlösvorteil gewähre. Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Einkäufe der ausländischen Truppen von der Umsatzsteuerbelastung freizustellen; dies hätte er auch ohne Befreiungsvorschrift dadurch erreichen können, daß er den Beschaffungsstellen einen Erstattungsanspruch gab; wäre eine solche Regelung getroffen worden, so hätte die Steuerpflichtige die Vergünstigung nach § 7 Abs. 2 BHG erhalten; konkurrierende Befreiungsvorschriften hätten dann nicht vorgelegen. Schließlich habe das Landesfinanzamt (LFA) selbst in einer Verfügung ausgesprochen, daß die Stationierungstruppen Körperschaften des öffentlichen Rechts im Sinne des § 5 BHG seien; auch hieraus ergebe sich die Anwendbarkeit des § 7 Abs. 2 BHG.

Die Steuerpflichtige beantragt,

die Umsatzsteuer 1956 unter Aufhebung des angefochtenen Urteils auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es weist insbesondere auf das Urteil des Senats V 273/60 vom 21. April 1966 (BFH 86, 94, BStBl III 1966, 404) hin und hält im übrigen die Auffassung des FG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision hat Erfolg.

Die Ausführungen des FG zur Frage der Anwendbarkeit der Umsatzsteuerbefreiung nach Art. 33 Abs. 2 Unterabs. a TrV auf den vorliegenden Fall sind nicht zu beanstanden. Insoweit besteht auch kein Streit mehr.

Streitig ist allein noch, ob der Steuerpflichtigen neben der Steuerbefreiung nach der vorbezeichneten Vorschrift auch die Vergünstigung nach § 7 Abs. 2 BHG zu gewähren ist. Zu Unrecht hat das FG dies verneint.

Nach den Feststellungen des FG liegen unstreitig alle Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des § 7 Abs. 2 BHG durch die Steuerpflichtige vor. Das FG hat der Steuerpflichtigen die Vergünstigung des § 7 Abs. 2 BHG auch nur deswegen verweigert, weil es aus dem Zweck des BHG die Folgerung gezogen hat, "daß der Gesetzgeber beim Zusammentreffen der Begünstigungsvorschrift des § 7 Abs. 2 BHG mit der Befreiungsvorschrift des Art. 33 Abs. 2 Unterabs. a TrV keine weitergehende Begünstigung gewähren wollte als beim Zusammentreffen zweier Befreiungsvorschriften (§ 7 Abs. 1 BHG und Art. 33 Abs. 2 Unterabs. a TrV)".

Der Senat vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen. Nach seinem klaren Wortlaut ist § 7 Abs. 2 BHG keine Befreiungsvorschrift. Die Vorschrift gibt dem Unternehmer vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer um einen bestimmten Betrag zu kürzen. Es mag sein, daß der Gesetzgeber sich aus rechtssystematischen Gründen nicht in der Lage gesehen hat, die Vorschrift als Befreiungsvorschrift zu gestalten. Der objektivierte Wille des Gesetzgebers ergibt sich aber aus der Vorschrift in ihrer tatsächlichen Fassung, nicht aber aus einer etwa beabsichtigten Gestaltung, die dem Gesetzgeber nicht möglich war und die in dem Wortlaut der Vorschrift keinen Ausdruck gefunden hat. Hinzu kommt, daß § 7 Abs. 2 BHG hinsichtlich seiner praktischen Anwendung gesetzestechnisch nicht wie eine Befreiungsvorschrift eingeordnet ist. Während eine Befreiungsvorschrift regelmäßig sofort zur Anwendung kommt und sich bereits in dem Voranmeldungszeitraum auswirkt, in dem der Umsatz ausgeführt wird, ist dies bei dem Kürzungsanspruch nach § 7 Abs. 2 BHG unter bestimmten Voraussetzungen nicht der Fall (vgl. § 3 Abs. 4 BHG). Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß in der Neufassung des BHG vom 19. August 1964 (BGBl I 1964, 674, BStBl I 1964, 510) der bisherige § 7 Abs. 2 als § 1 Abs. 2 übernommen und dieser Vorschrift die Legalüberschrift "Steuerbefreiung" gegeben wurde. Eine Vorschrift, die sich nach ihrer formalen Gestaltung und technischen Einordnung nicht als Befreiungsvorschrift darstellt, kann nicht dadurch zu einer solchen werden, daß sie nachträglich unter die für sie nicht zutreffende Überschrift "Steuerbefreiung" gestellt wird. Unter diesen Umständen sind keine Gesichtspunkte erkennbar, aus denen auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden könnte, bei Sachverhalten, die sowohl unter § 7 Abs. 2 BHG wie auch unter Art. 33 Abs. 2 Unterabs. a TrV fallen, nur eine der beiden Begünstigungen zu gewähren. Dem Urteil des Senats V 273/60 vom 21. April 1966 (a. a. O.) kann nichts anderes entnommen werden, da es einen anderen Sachverhalt zum Gegenstand hat; im Falle des vorbezeichneten Urteils handelte es sich - wie sich aus dem Sachverhalt ergibt - um eine Konkurrenz der Vorschriften des § 7 Abs. 1 BHG mit den Befreiungsvorschriften des TrV; im vorliegenden Falle geht es dagegen um eine Konkurrenz zwischen § 7 Abs. 2 BHG, der - wie oben ausgeführt - keine Befreiungsvorschrift ist, und Art. 33 Abs. 2 Unterabs. a TrV. Auch die Tatsache, daß in beiden Fällen das steuerliche Ergebnis unterschiedlich ist, steht der Entscheidung nicht entgegen, da es sich um unterschiedliche Regelungen ungleicher Sachverhalte handelt.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 212

BFHE 1971, 171

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