Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem buchführungspflichtigen, aber keine Bücher führenden Land- und Forstwirt, dessen Gewinne mangels geeigneterer Grundlagen nach § 217 AO in Anlehnung an die VOL unter Hinzurechnung von Zuschlägen geschätzt wurden, stellt ein später festgestellter, gegenüber den geschätzten Gewinnen unverhältnismäßig hoher Vermögenszuwachs in der Regel eine neue Tatsache im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO dar.

 

Normenkette

AO §§ 217, 222 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Zulässigkeit der Berichtigung der rechtskräftigen Einkommensteuerveranlagungen II/1948 bis 1952 nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO.

Das land- und forstwirtschaftliche Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen hatte in den Streitjahren und vorher seit dem 1. Januar 1935 einen Einheitswert von über 100.000 DM bzw. RM. Der Steuerpflichtige hat in den Streitjahren keine Bücher und Aufzeichnungen geführt. Seine Gewinne wurden vom Finanzamt nach § 217 AO geschätzt, wobei sich die Schätzungen unter Berücksichtigung von Zuschlägen an die Gewinnberechnung nach der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittsätzen für die Ermittlung des Einkommens aus Land- und Forstwirtschaft vom 2. Juni 1949 (VOL) anlehnten. Danach betrugen die Gewinne vom 21. Juni 1948 bis 30. Juni 1954 90.800 DM.

Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide für II/1948 bis 1952 wurden rechtskräftig. Mit Schreiben vom 29. Mai 1953 forderte das Finanzamt den Steuerpflichtigen auf, ab 1. Juli 1953 Bücher zu führen, da seine Einkünfte im letzten Veranlagungszeitraum mehr als 6.000 DM betragen hätten. Gleichzeitig wurde der Steuerpflichtige aufgefordert, ab 1. Juli 1953 seine Einnahmen zum Zwecke der Umsatzbesteuerung aufzuzeichnen.

Bei der Betriebsprüfung im Jahre 1954 ermittelte der Betriebsprüfer an Hand einer Vermögenszuwachsrechnung für die Wirtschaftsjahre II/1948/1949 bis 1953/1954 einen Gesamtgewinn von 163.620 DM.

Entsprechend berichtigte das Finanzamt die Einkommensteuerveranlagungen der Streitjahre nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO.

Gegen die Einkommensteuerberichtigungs-Veranlagungen legte der Steuerpflichtige Sprungberufung ein, in der er die Zulässigkeit der Berichtigung wegen des Fehlens neuer Tatsachen bestritt.

Demgegenüber machte das Finanzamt geltend, neue Tatsachen seien die erst nach Rechtskraft der Bescheide festgestellten Unterverbriefungen beim Kauf dreier Grundstücke, der Bau einer Villa und Holzverkäufe in den Jahren 1951 und 1952 gewesen. Im übrigen sei die Feststellung des Vermögenszuwachses durch den Prüfer auch eine neue Tatsache im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO.

Die Sprungberufung hatte im Streitpunkt Erfolg. Das Finanzgericht ging bei seiner Entscheidung davon aus, daß zwar einerseits für den Steuerpflichtigen aus dem Fehlen der Buchführung nichts Nachteiliges abgeleitet werden könne, da er erst am 29. Mai 1953 zur Führung von Büchern aufgefordert worden sei und vorher für ihn eine Pflicht zur Führung von Büchern verneint werden müsse. Andererseits aber bejahte die Vorinstanz die Zulässigkeit der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 217 AO, weil der Steuerpflichtige wegen der Höhe des Einheitswerts seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens nicht mehr zu den VOL-Landwirten gehört habe. Das Finanzgericht sah es als entscheidend an, daß das Finanzamt bei diesen Schätzungen auf jegliche Nachprüfung der tatsächlichen Verhältnisse als Schätzungsgrundlage verzichtet habe; es verneinte aus diesem Grunde das Vorliegen neuer Tatsachen als Voraussetzung einer Höherschätzung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO. Das Finanzgericht meint nämlich, bei Bekanntwerden neuer Tatsachen könnten auch Schätzungen gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO berichtigt werden, aber nur dann, wenn bei rechtzeitiger Kenntnis dieser Tatsachen die Schätzung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Das sei hier nicht der Fall, weil das Finanzamt von vornherein von jeglicher Ermittlung geeigneter Schätzungsgrundlagen abgesehen habe. Der Veranlagungsbeamte hätte nichts anderes getan und tun können, wenn er von den Grundstückserwerbungen des Steuerpflichtigen mit den richtigen Preisangaben und von dem Villenneubau bei Vornahme der ursprünglichen Veranlagungen gewußt hätte, als was er wirklich getan habe. Nur unversteuerte Holzerlöse hätten möglicherweise zu einer höheren Gewinnschätzung führen können, weil ein höherer Holzerlös auch einen VOL-Gewinn erhöht hätte. Jedoch habe für solche unversteuerten Holzerlöse kein Nachweis erbracht werden können.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts wendet sich gegen die Verneinung der Berichtigungsmöglichkeit der rechtskräftigen Einkommensteuerbescheide II/1948 bis 1952 im Wege des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO.

Der Vorsteher des Finanzamts bringt vor, das Finanzamt habe die Gewinne der streitigen Jahre nur deshalb in Anlehnung an die VOL geschätzt, weil es an anderen geeigneten Schätzungsgrundlagen gefehlt habe. Das Finanzamt habe selbstverständlich auch die Möglichkeit einer Gewinnermittlung durch Gesamtvermögensvergleich in Erwägung gezogen. Der dem Finanzamt bekannte Vermögenszuwachs habe aber ohne weiteres aus den geschätzten Gewinnen bestritten werden können, um so mehr, als zur damaligen Zeit nach Aktenlage 12.000 DM Bankschulden aufgenommen worden seien. Da auch das übrige aktenmäßig feststellbare Vermögen, wie Barvermögen und Viehbestand, unverändert geblieben sei, habe einer Gewinnermittlung nach Vermögensvergleich nicht nähergetreten werden können. Es müsse berücksichtigt werden, daß die für die Gewinnschätzung nach Vermögensvergleich wesentlichen Punkte, wie Entnahmen, Umbau landwirtschaftlicher Gebäude, Villenneubau in einem anderen Finanzamtsbezirk und Unterverbriefung von Grundstückskäufen, nicht bekannt gewesen seien. Diese Punkte hätten nicht im Rahmen der amtlichen Ermittlungspflicht geklärt werden können. Derartige Feststellungen wären nur im Rahmen der Aufklärungs- und Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen möglich gewesen. Nur die Fahndung hätte an Hand der gefundenen Belege den tatsächlichen Vermögenszuwachs feststellen können. Auf jeden Fall hätte der Veranlagungsbeamte bei rechtzeitigem Bekanntsein der tatsächlichen Vermögensverhältnisse, wie sie bei der Fahndungsprüfung zutage getreten seien, den Gewinn von Anfang an durch Vermögensvergleich ermittelt.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

I. - Das Finanzgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, daß der Steuerpflichtige in den Jahren II 1948 bis 1952 mangels einer Buchführung zu den sogenannten Schätzungslandwirten gehörte, da sein land- und forstwirtschaftliches Vermögen in diesen Jahren und vorher schon seit 1. Januar 1935 über 100.000 DM betragen hat (§ 161 Abs. 1 Ziff. 1 c AO in Verbindung mit § 1 VOL). Auch der Steuerpflichtige selbst vertritt die Auffassung, daß seine Gewinne in den Streitjahren geschätzt werden mußten.

Es stellt jedoch einen inneren Widerspruch zur obigen Feststellung dar, wenn das Finanzgericht weiter ausführt, man müsse auf Grund des Verhaltens des Finanzamts gegenüber dem Steuerpflichtigen davon ausgehen, daß er bis zur Aufforderung vom 29. Mai 1953, ab 1. Juli 1953 Bücher zu führen, von der Buchführungspflicht stillschweigend befreit gewesen sei. Denn wäre der Steuerpflichtige in den Streitjahren wirklich von der Führung von Büchern befreit gewesen, so wären gemäß § 1 VOL seine Gewinne nach der VOL zu ermitteln und nicht nach § 217 AO zu schätzen gewesen, da auch sein in diesen Jahren festgestellter Umsatz 40.000 DM nicht überschritten hat; daß der Umsatz der Streitjahre tatsächlich über 40.000 DM lag, wurde erst nach 1952 festgestellt und kann daher in analoger Anwendung des § 1 der Verordnung über die landwirtschaftliche Buchführung in Verbindung mit § 161 Abs. 1 Ziff. 1 a AO für diese Jahre nicht mehr maßgebend sein.

Die Berechtigung der Schätzung der Gewinne des Steuerpflichtigen in den Jahren II/1948 bis 1952 nach § 217 AO beruht ausschließlich auf der Feststellung, daß der Steuerpflichtige nach § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO zumindest wegen der Höhe des Einheitswertes seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögens buchführungspflichtig war und keine anderen Gründe ersichtlich sind, deretwegen der Steuerpflichtige trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO von der Buchführungspflicht befreit gewesen wäre. Keinesfalls kann aus dem Verhalten des Finanzamts in den Streitjahren ein solcher Grund hergeleitet werden. Das Finanzamt hat dem Steuerpflichtigen nach der Währungsreform zunächst die normale Einkommensteuererklärung für unbeschränkt Steuerpflichtige zugesandt. Diese schickte der Steuerpflichtige ohne Angabe von Einkünften mit der Bemerkung "landwirtschaftlicher Betrieb ohne Buchführung" zurück. Wenn das Finanzamt daraufhin, um überhaupt für die wegen Verletzung der Buchführungspflicht notwendigen Schätzungen Unterlagen zu erhalten, dem Steuerpflichtigen die Einkommensteuererklärung für nichtbuchführende Landwirte zusandte und danach bis zum Jahre 1953 an Hand dieser Erklärungen nach § 217 AO unter Zuhilfenahme der Gewinnermittlung der VOL schätzte, dabei in den Steuerbescheiden auch darauf hinwies, daß es sich um Schätzungen nach § 217 AO handle, und der Steuerpflichtige sich darüber stets im klaren war, so kann dieses Verhalten nicht als stillschweigende Befreiung von der Buchführungspflicht gedeutet werden. Das Finanzamt hat nichts anderes getan, als sich - vor Durchführung einer Betriebsprüfung - der in solchen Fällen einzigen praktikablen Schätzungsmethode, der Gewinnermittlung in Anlehnung an die VOL unter Hinzurechnung von Schätzungszuschlägen, zu bedienen, die Rechtsprechung und Verwaltung als zulässige Art der Schätzung bei nichtbuchführenden Landwirten anerkannt haben (vgl. die Urteile des Senats IV 92/52 U vom 21. August 1952, BStBl 1952 III S. 259, Slg. Bd. 56 S. 676; IV 586/55 vom 10. Januar 1957, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz § 4 Rechtsspruch 175, a; IV 33/57 U vom 31. März 1960, BStBl 1960 III S. 229, Slg. Bd. 70 S. 615; vgl. auch EStR 1950 Abschn. 133 Abs. 3 und 4).

Der Bejahung der Buchführungspflicht in den Jahren II/1948 bis 1952 steht auch die Tatsache nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige - soweit feststellbar - erst am 29. Mai 1953 formell durch eine Mitteilung des Finanzamts zur Führung von Büchern aufgefordert wurde. Der erkennende Senat hat zwar im Urteil IV 383/55 U vom 9. Mai 1957 (BStBl 1957 III S. 291, Slg. Bd. 65 S. 151) den Grundsatz aufgestellt, daß bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft die Buchführungspflicht gemäß § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO in der Regel erst dann beginnt, wenn der Steuerpflichtige auf diesen Zeitpunkt durch besondere Mitteilung des Finanzamts hingewiesen worden ist. Wie sich jedoch aus den Entscheidungsgründen dieses Urteils zweifelsfrei ergibt, gilt dieser Grundsatz, der nur aus den das Steuerrecht beherrschenden Grundsätzen von Treu und Glauben abgeleitet werden kann, nur für die Fälle wo land- und forstwirtschaftliche Betriebe in einem bestimmten Jahr auf Grund der Erhöhung ihrer Einheitswerte Umsätze oder Gewinne nach § 161 Abs. 1 Ziff. 1 AO neu in die Buchführungspflicht eintreten und damit zugleich aus dem Kreis der VOL-Landwirte ausscheiden. Er bezweckt im Grunde nichts anderes als eine Rücksichtnahme auf die Unerfahrenheit bisher nicht buchführungspflichtiger Land- und Forstwirte in Buchführungs- und Steuerfragen. Dieser Grundsatz kann aber dann keine Geltung haben, wenn ein Landwirt - wie im Falle des Steuerpflichtigen - schon seit 1935 nach dem Gesetz ununterbrochen buchführungspflichtig war, dieser Pflicht aber nie nachgekommen ist, sondern Jahr für Jahr die aus diesem Grunde notwendigen Schätzungen nach § 217 AO bewußt in Kauf genommen und seine Einreihung unter die Schätzungslandwirte anerkannt hat. Die Schätzung der Betriebsergebnisse der Jahre II/1948 bis 1952 wegen Nichterfüllung der Buchführungspflicht kann deshalb beim Steuerpflichtigen keinen Verstoß wider Treu und Glauben bedeuten, auch wenn die formelle Aufforderung zur Buchführung tatsächlich erstmals am 29. Mai und nicht etwa schon in früheren Jahren, vielleicht in den Jahren vor der Währungsreform, erfolgt sein sollte. Die Gewinnschätzungen nach § 217 AO unter Zuhilfenahme der Gewinnermittlung nach der VOL, wie sie in den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden II 1948 bis 1952 vorgenommen wurden, waren daher zulässig.

II. - Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteile VI A 889/35 vom 20. Dezember 1935, RStBl 1936 S. 99; VI 92/38 vom 6. April 1938, RStBl 1938 S. 467; VI 94/38 vom 11. Januar 1939, RStBl 1939 S. 226; VI 72/42 vom 29. April 1942, RStBl 1942 S. 563), der sich der erkennende Senat im Urteil IV 40/51 U vom 3. Oktober 1951 (BStBl 1951 III S. 202, Slg. Bd. 55 S. 494) und vor allem auch in dem angeführten, einen ähnlichen Fall betreffenden Urteil IV 586/55 vom 10. Januar 1957 angeschlossen hat, kann auch eine auf Schätzungen beruhende Veranlagung durch eine andere Schätzung nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO berichtigt werden, wenn neue Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift festgestellt werden. Es muß sich dabei um Tatsachen handeln, bei deren rechtzeitigem Bekanntsein die tatsächlich vorgenommene Schätzung, also hier die Schätzung in Anlehnung an die VOL mit den bestimmten Zuschlägen, nicht vorgenommen worden wäre. Als solche neue Tatsache kann im vorliegenden Fall der vom Prüfer festgestellte hohe Vermögenszuwachs, der weit über den vom Finanzamt nach der VOL ermittelten Gewinnen liegt, unter der Voraussetzung angesehen werden, daß das Finanzamt bei rechtzeitiger genauer Kenntnis dieser Tatsache von vornherein die Schätzungen nicht in Anlehnung an die VOL, sondern im Wege des Vermögensvergleiches vorgenommen hätte. Nach Auffassung des Senats kann das Vorliegen dieser Voraussetzung nach allgemeiner Erfahrung mit einer an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bejaht werden. Denn es wurden, wie seitens des Finanzamts glaubhaft vorgetragen wurde, die Schätzungen in Anlehnung an die VOL nur vorgenommen, weil es bei den ursprünglichen Veranlagungen an anderen geeigneten Schätzungsunterlagen gefehlt hat. Dem Finanzamt kann nicht entgegengehalten werden, es müsse die Tatsache des hohen Vermögenszuwachses gegen sich als bekannt gelten lassen, weil es bei den Veranlagungen bewußt darauf verzichtet habe, Ermittlungen zur Feststellung der tatsächlichen Gewinne durchzuführen. Solche Ermittlungen sind dem Finanzamt bei nichtbuchführenden Landwirten mangels jeglicher Unterlagen im normalen Veranlagungsverfahren nicht zuzumuten; sie können im allgemeinen nur im Zuge einer Betriebsprüfung durchgeführt werden.

Das Finanzgericht hat insoweit die Rechtslage verkannt; vor allem wohl deshalb, weil es als neue Tatsachen nur die richtigen Preise der Grundstückskäufe und den Villenneubau in Betracht gezogen hat, nicht hingegen den vom Prüfer festgestellten Vermögenszuwachs als Ganzes. Wenn es zu jenen Tatsachen ausführt, sie seien im Sinne des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO nicht neu, weil der Veranlagungsbeamte bei ihrem rechtzeitigen Bekanntsein auch nichts anderes getan hätte, als den Gewinn nach der VOL zu ermitteln, so ist diese Meinung unter Umständen noch vertretbar, obwohl man auch hier davon ausgehen könnte, daß der Veranlagungsbeamte, selbst wenn er bei Kenntnis des Villenneubaus und der richtigen Preise der Grundstückskäufe die Gewinnermittlung nach der VOL beibehalten hätte, zumindest höhere Zuschläge zu den nach der VOL ermittelten Gewinnen gemacht hätte; denn die Vorinstanz hat dabei außer acht gelassen, daß den ursprünglichen Schätzungen nicht allein die Gewinnermittlungen nach der VOL zugrunde liegen, sondern zu diesen Gewinnen auch im Wege der Schätzung gewisse Zuschläge gemacht worden sind.

Berücksichtigt man den hohen Vermögenszuwachs als Ganzes, so muß auf jeden Fall davon ausgegangen werden, daß das Finanzamt bei seiner Kenntnis die Schätzungen von Anfang an nicht in Anlehnung an die VOL, sondern auf Grund eines Vermögensvergleiches vorgenommen hätte. Jede andere Beurteilung würde dem Veranlagungsbeamten eine grobe Pflichtverletzung unterstellen, die durch keinerlei Anhaltspunkte gerechtfertigt wäre.

Man darf bei diesen überlegungen nicht außer acht lassen, daß ein größerer Landwirt mit rund 100 ha Boden, der mangels einer Buchführung zu den Schätzungslandwirten gehört und dies auch weiß, von vornherein damit rechnen muß, daß die groben Gewinnschätzungen, wie sie wegen Fehlens geeigneterer Unterlagen in Anlehnung an die VOL unter Hinzurechnung von Schätzungszuschlägen erfolgen, berichtigt werden, wenn später die tatsächlichen, bedeutend höher liegenden Gewinne durch eine Betriebsprüfung festgestellt werden können. Die Schätzung nichtbuchführender, jedoch buchführungspflichtiger Landwirte unter Zuhilfenahme der Gewinnermittlung nach der VOL stellt einen Notbehelf dar, der nach Ansicht des Senats auf keinen Fall bei diesen Landwirten - wie bei den VOL-Landwirten - als ein genereller Verzicht auf die Erfassung der tatsächlichen Gewinne gewertet werden kann. Jede andere Beurteilung würde die vom Gesetzgeber gewollte grundsätzliche Unterscheidung in der Besteuerung der kleinen VOL-Landwirte und der größeren buchführungspflichtigen, aber keine Bücher führenden Landwirte weitgehend aufheben; auch würde sie die buchführungspflichtigen Landwirte, die keine Bücher führen, gegenüber den buchführungspflichtigen Landwirten, die ihre Gewinne auf Grund einer ordnungsmäßigen Buchführung ermitteln, in einer ungerechtfertigten Weise begünstigen.

Die berichtigten Einkommensteuerbescheide für II/1948 bis 1952 sind demnach gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO zu Recht ergangen. Da die Vorentscheidung die Rechtslage insoweit verkannt hat, war sie gemäß § 196 Abs. 1 in Verbindung mit § 288 Ziff. 1 AO mit der Maßgabe aufzuheben, daß die Sprungberufung des Steuerpflichtigen als unbegründet zurückzuweisen war.

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 516

BFHE 1961, 716

BFHE 71, 716

StRK, AO:222 R 48

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