Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliche Einheit

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Grundstück, dessen Gebäude durch eine Wand in zwei Hälften mit unterschiedlicher Nutzung (Gaststätte und Wohnung) geteilt ist, bildet (trotzdem) eine wirtschaftliche Einheit, wenn die wirtschaftliche Verbindung von Gaststätte und Wohnung in der betreffenden Gegend üblich ist. Ob jeder Grundstücksteil für sich veräußert werden kann, ist unerheblich.

2. Beeinträchtigt die Nutzung des Grundstückes als Gaststätte wesentlich die Eigenart des Gesamtgebäudes, so ist das Grundstück als gemischtgenutztes Grundstück zu bewerten. Auf das Verhältnis der gewerblich genutzten Fläche zur Wohnfläche kommt es nicht mehr an.

 

Normenkette

BewG §§ 2, 70 Abs. 1, § 75 Abs. 4-5

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer eines etwa 1 200 qm großen teilweise bebauten Grundstücks, das ursprünglich für landwirtschaftliche Zwecke benutzt und (nach Ausbau verschiedener Wohnräume sowie dem Neubau einer Garage) zum Einfamilienhaus fortgeschrieben wurde.

Streitig ist die Bewertung des Grundstücks zum 1. Januar 1980, nachdem die Kläger durch Umbau eine Imbißstube eingerichtet haben.

Nach den Angaben des Bevollmächtigten der Klägerin beträgt die Nutzfläche der Gastwirtschaftsräume einschließlich Verkehrsflächen (Flur, Toilette, usw.) insgesamt etwa 80 qm, die Grundfläche der Wohnräume einschließlich Verkehrsflächen etwa 140 qm.

Mit Bescheid vom September 1982 schrieb das Finanzamt (FA) die Grundstücksart vom Einfamilienhaus zum gemischtgenutzten Grundstück und den Einheitswert auf . . . DM fort.

Mit dem Einspruch begehrten die Kläger, die Artfortschreibung aufzuheben. Der Charakter des Grundstückes habe sich durch den Umbau nicht geändert.

Das FA wies den Einspruch zurück.

Nach dem äußeren Erscheinungsbild des Grundstücks beeinträchtige dessen Umbau durch den Betrieb der Gastwirtschaft wesentlich die Eigenart als Einfamilienhaus. Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, daß die Wohnfläche größer sei als die gewerbliche Nutzfläche.

Mit der Klage begehrten die Kläger sinngemäß, den angefochtenen Bescheid in Form der Einspruchsentscheidung bezüglich der Artfortschreibung aufzuheben, hilfsweise, den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, daß der bisherige Einheitswert aufgehoben wird und die Gebäudeteile auf dem Grundstück als zwei gesonderte wirtschaftliche Einheiten zu bewerten sind.

Das FG gab dem Hilfsantrag statt. Es änderte den angefochtenen Bescheid vom September 1982 dahin, daß der Einheitswert für das Einfamilienhaus zum 1. Januar 1980 aufgehoben und das FA verpflichtet werde, über die getrennte Bewertung des gewerblich genutzten und der für Wohnzwecke genutzten Teile des Grundstücks unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu entscheiden.

Das Grundstück sei zwar kein Einfamilienhaus, da die Eigenart des Gesamtgebäudes als Wohngebäude durch die im neuausgebauten Teil betriebene Gaststätte wesentlich beeinträchtigt werde (§ 75 Abs. 5 Satz 4 des Bewertungsgesetzes - BewG -). Da das Anwesen der Kläger aber nach der Verkehrsauffassung seit der Fertigstellung der Gaststätte zwei wirtschaftliche Einheiten bilde, die getrennt voneinander zu bewerten seien (§ 2 Abs. 1 BewG), sei der bisherige Einheitswert für das Gesamtgrundstück zum streitigen Stichtag aufzuheben (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG).

Wohnteil und gewerblich genutzter Teil des Anwesens seien getrennt verkehrsfähig und könnten einzeln veräußert werden. Durch die eingeholte Auskunft der Baurechtsbehörde beim Landratsamt sei bestätigt worden, daß eine Teilung des bisherigen Grundstückes und damit eine getrennte Veräußerung bauplanungsrechtlich zulässig sei (§ 19 des Bundesbaugesetzes - BBauG -).

Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben werden, weil das FG § 2 und § 70 Abs. 1 BewG nicht richtig angewendet hat. Entgegen seiner Auffassung bildete das Grundstück der Kläger am Bewertungsstichtag nur eine wirtschaftliche Einheit.

Die wirtschaftliche Einheit ist nach den Anschauungen des Verkehrs abzugrenzen. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 BewG). Es sind also objektive und subjektive Merkmale maßgebend.

Das Grundstück der Kläger läßt sich unter Berücksichtigung dieser Grundsätze am Stichtag nicht in zwei Einheiten aufteilen. Das FG hat ausgeführt, daß ,,einzelne Einrichtungen beide Gebäudeteile gemeinsam versorgen". Zwar ist nicht erkennbar, welche Einrichtungen das FG hier meint. Zumindest jedoch liegt nach seinen Feststellungen die Einfahrt zum Hof auf der Grundstücksfläche des Wohnteils des Gebäudes und vom Hof aus ist die Küche der Gastwirtschaft zugänglich. Außerdem ist im Hof eine Kühlbox aufgestellt. Dies ergibt sich aus der Niederschrift über die Ortsbesichtigung des FG am 7. Mai 1985; das FG-Urteil nimmt auf diese Niederschrift Bezug.

Darüber hinaus ist die wirtschaftliche Verbindung zwischen Gaststätte und Wohnung, anders als bei anderen gewerblichen Betrieben, üblich. Das gilt insbesondere für die Struktur der Gegend, in welcher das Grundstück der Kläger liegt. Nach den Feststellungen des FG befindet sich dieses Grundstück in einem Mischgebiet mit Wohnhäusern, Ladengeschäften, kleingewerblichen und anderen Betrieben. In solchen Gegenden ist die Verbindung zwischen Gaststätte und Wohnhaus gebräuchlich.

Gehören demnach die beiden Grundstücksteile wirtschaftlich zusammen, so tritt der Umstand, daß beide Teile verschiedene Zweckbestimmungen (Wohnung und Gaststätte) haben, demgegenüber zurück. Das Grundstück ist als eine wirtschaftliche Einheit zu bewerten. Auf die Frage, ob jeder Grundstücksteil für sich veräußert werden kann, kommt es nicht mehr an (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Juni 1983 III R 40/82, BFHE 139, 201, BStBl II 1983, 752).

2. Die Sache ist spruchreif.

Nach den Feststellungen des FG beeinträchtigt die Nutzung des Grundstücks als Gaststätte wesentlich die Eigenart des Gesamtgebäudes, so daß es nicht mehr als Wohngebäude angesehen werden kann. Die von den Klägern begehrte Einstufung als Einfamilienhaus scheidet daher aus (§ 75 Abs. 5 Satz 4 BewG). Es ist vielmehr als gemischtgenutztes Grundstück zu bewerten, weil es teilweise gewerblichen Zwecken dient und nicht Mietwohngrundstück, Geschäftsgrundstück, Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus ist (§ 75 Abs. 4 BewG). Auf das Verhältnis der gewerblich genutzten Fläche zur Wohnfläche kommt es nicht mehr an (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1985 II R 250/81, BFHE 145, 92, BStBl II 1986, 173).

Hat demnach das FA das Grundstück der Kläger zum 1. Januar 1980 zutreffend als eine wirtschafltiche Einheit angesehen und als gemischtgenutztes Grundstück bewertet, so ist die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416352

BFH/NV 1990, 487

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