Leitsatz (amtlich)

Das Bestehen der Steuerberaterprüfung im zweiten Anlauf berührt das Rechtsschutzinteresse an der Anfechtung der ersten negativen Prüfungsentscheidung nicht.

 

Normenkette

FGO §§ 40-41, 100 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bestand die Steuerberaterprüfung 1973 im Lande Hessen nicht. Er erhob Klage gegen die entsprechende Entscheidung des Prüfungsausschusses für Steuerberater beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Hessischer Minister der Finanzen - FinMin -), die er im wesentlichen damit begründete, daß seine Leistungen im schriftlichen und mündlichen Teil der Prüfung teilweise unzutreffend bewertet und die Anforderungen der Ertragsteuer-Klausur durch die Einbeziehung des Außensteuergesetzes (AußStG) überspannt worden seien. Außerdem sei mehrfach gegen die für die Steuerberaterprüfung geltenden Verfahrensbestimmungen verstoßen worden. Noch im Laufe des Klageverfahrens bestand der Kläger die Steuerberaterprüfung in Bayern und wurde dort zum Steuerberater bestellt. Gleichwohl hielt er an seinen bisher gestellten Klageanträgen mit der Begründung fest, die von ihm gerügten zahlreichen Prüfungsmängel seien über den Streitfall hinaus auch für künftige Steuerberaterprüfungen von Bedeutung, zumal sie in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht behandelt worden seien. In der Vorinstanz beantragte der Kläger,

den FinMin zu verurteilen, den Steuerberaterprüfungsausschuß zu verpflichten, die von ihm am 12. Februar 1974 abgelegte Steuerberaterprüfung für bestanden zu erklären.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FG hat zu Unrecht das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage verneint.

Mit seinem Hauptantrag, das FinMin zu verpflichten, die fragliche Prüfung für bestanden zu erklären, hat der Kläger eine Verpflichtungsklage erhoben (§ 40 Abs. 1 FGO). Für diese Klage ist in der Tat das Rechtsschutzbedürfnis in dem Zeitpunkt entfallen, zu dem der Kläger die Steuerberaterprüfung in Bayern bestanden hat. Wie jede andere Prüfung kann auch die Steuerberaterprüfung nur einmal mit Erfolg absolviert werden (vgl. auch Urteil des BVerwG vom 30. Juni 1972 VII C 22.71, MDR 1972, 978, in dem das BVerwG entschieden hat, daß ein Kläger, der inzwischen die Wiederholungsprüfung des zweiten juristischen Staatsexamens bestanden hat, nicht mehr hinsichtlich der ersten nicht bestandenen Prüfung im Wege der Verpflichtungsklage auf Zuerkennung der Befähigung zum Richteramt klagen kann).

Im vorliegenden Fall hat die Verpflichtungsklage jedoch einen Doppelcharakter. Sie ist Leistungsklage, soweit mit ihr die Verpflichtung der Verwaltung begehrt wird, die Prüfung für bestanden zu erklären. Logische Voraussetzung für das Erreichen dieses Ziels ist aber die Beseitigung des Bescheides des Prüfungsausschusses beim Finanzministerium, der die Prüfung für nicht bestanden erklärt hat. Insoweit liegt eine Gestaltungsklage (Anfechtungsklage) vor, ohne daß es notwendig gewesen wäre, diese Klage ausdrücklich zusammen mit der Verpflichtungsklage zu erheben (vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., § 40 FGO Anm. 7; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 6. Aufl., § 42 Anm. 10, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Für diese Anfechtungsklage hat der Kläger auch nach Bestehen der Steuerberaterprüfung im zweiten Anlauf noch ein Rechtsschutzbedürfnis.

Durch das Bestehen der Prüfung in Bayern ist die Prüfungsentscheidung des Prüfungsausschusses des Finanzministeriums weder beseitigt worden noch hat sie sich auf irgendeine Weise erledigt. Die für den Kläger negative Entscheidung ist weiterhin existent und kann den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Denn trotz der Tatsache, daß der Kläger die Prüfung in der Wiederholung bestanden hat, währt, solange die erste negative Prüfungsentscheidung nicht aufgehoben worden ist, der damit verbundene Makel fort (vgl. auch das zitierte Urteil des BVerwG VII C 22.71 sowie das Urteil des BVerwG vom 13. Oktober 1973 VII C 17.71, BVerwGE 41, 34). Der Kläger hat also weiterhin ein Interesse an ihrer Beseitigung.

Dem stünde nicht entgegen, daß der Kläger unter Umständen die Möglichkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO - wenn man deren Voraussetzungen hier als gegeben ansähe - hätte und die dadurch erreichbare Feststellung, daß die negative Prüfungsentscheidung rechtswidrig war, möglicherweise dem nach Bestehen der Prüfung noch bestehenden Rehabilitierungsinteresse des Klägers genügte. Sinn der genannten Bestimmung ist es, zugunsten des Klägers zu verhindern, daß dieser durch die wie auch immer geartete Erledigung der Hauptsache quasi aus dem Prozeß hinausgedrängt wird, wenn er noch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des (erledigten) angefochtenen Verwaltungsakts hat. Die Eröffnung der Möglichkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage durch § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO läßt also nicht den Schluß zu Lasten des Klägers zu, daß eine einmal erhobene Anfechtungsklage unzulässig wird, wenn ein Ereignis eintritt, daß das mit dieser Feststellungsklage Erreichbare als dem Interesse des Klägers genügend erscheinen läßt. Dieser Schluß ist schon deswegen nicht zulässig, weil im finanzgerichtlichen - wie auch im verwaltungsgerichtlichen - Verfahren bei Anfechtungsklagen die Kassation des angefochtenen Verwaltungsakts grundsätzlich im Vordergrund steht und auch dann nicht etwa hinter der bloßen Feststellung seiner Rechtswidrigkeit zurückstehen muß, wenn diese im Einzelfall ausreicht, das Interesse des Klägers zu befriedigen (vgl. §§ 100 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 1 FGO; vgl. auch Eyermann/Fröhler, a. a. O., § 113 Anm. 33).

Da also weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für die vom Kläger mit der Verpflichtungsklage implicite erhobene Anfechtungsklage besteht, durfte das FG die Klage nicht als unzulässig abweisen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1977, 611

BFHE 1978, 11

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