Leitsatz (amtlich)

Die den Schwestern des Steuerpflichtigen im Rahmen einer vorweggenommenen Erbregelung eingeräumten stillen Beteiligungen am vom Vater übernommenen Unternehmen können auf Grund der besonderen Gestaltung der Gewinnbeteiligungen in Verbindung mit anderen Umständen des Falles als außerbetriebliche Vermögensauseinandersetzung zu würdigen sein.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4; StAnpG § 1 Abs. 2-3

 

Tatbestand

Berichtigung: Im Urteil vom 22. Januar 1970 IV 85/65 (BStBl 1970 II S. 413) ist auf Seite 414 in der 17. Zeile der rechten Spalte das Wort "Januar" durch das Wort "November" zu ersetzen.

Am Unternehmen des Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen) waren in den Streitjahren 1954 bis 1956 seine Schwestern K und S als stille Gesellschafterinnen beteiligt. Streitig ist, in welcher Höhe deren Gewinnanteile steuerlich anerkannt und bei der Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen als Betriebsausgaben abgezogen werden können.

Der Steuerpflichtige übernahm mit notariellem Vertrag vom 5. August 1954 unter Ausschluß der Liquidation das Unternehmen mit allen Aktiven und Passiven und dem Recht der unveränderten Firmenfortführung von seinem Vater, mit dem zusammen er bis dahin den Betrieb als OHG geführt hatte. Seine beiden genannten Schwestern waren seit 1946 mit einer Einlage von je 50 000 DM an der OHG als stille Gesellschafterinnen beteiligt, ihre Einlagen wurden jährlich mit 6 % verzinst. Das bei der Geschäftsübernahme durch den Steuerpflichtigen als Alleinunternehmer in der Schlußbilanz zum 31. Juli 1954 vorhandene Auseinandersetzungsguthaben des Vaters von 271 037 DM übertrug dieser mit je 40 000 DM auf die beiden Schwestern des Steuerpflichtigen und mit dem Restbetrag von 191 037 DM auf den Steuerpflichtigen selbst. Das Gesamtkapital des Steuerpflichtigen belief sich hiernach auf 485 913 DM.

Die den Schwestern übertragenen Beträge blieben als stille Einlagen im Unternehmen stehen; darauf sollte nach § 3 des Auseinandersetzungsvertrages vom 5. August 1954 ein Gewinnanteil von je 15 v. H. entfallen. Diese Gewinnanteile sollten jedoch nach unten mit mindestens 10 000 DM und nach oben mit höchstens 20 000 DM begrenzt sein. Am Verlust des Unternehmens waren die stillen Gesellschafterinnen nicht beteiligt. Vom Steuerpflichtigen konnten die Beteiligungen frühestens zum 30. Juni 1958, von seinen Schwestern frühestens zum 30. Juni 1962 gekündigt werden. Bei Kündigung mußte das Kapital innerhalb von sechs Monaten seit Zugang der Kündigung ausgezahlt werden; im Fall der Kündigung durch den Steuerpflichtigen vor dem 30. Juni 1962 konnten die Schwestern jedoch die Fortzahlung der Gewinnanteile solange verlangen, bis die Summe ihrer Erträge aus den Beteiligungen die Summe der ihnen zugesicherten Mindesterträge für die Zeit bis zum 30. Juni 1962 erreicht hätten. Auf die Schwestern entfiel in den Streitjahren jeweils der Höchstbetrag der vereinbarten Gewinnbeteiligungen von 20 000 DM.

Das FA sah diese Gewinnanteile als unangemessen hoch an, da auf sie 1954 je 15 %, 1955 je 9 % und im Streitjahr 1956 je 9,5 % des Gesamtgewinns entfallen seien. Bezogen auf das Gesamtkapital seien jedoch höchstens 7 % gerechtfertigt; da die stillen Gesellschafterinnen aber nicht am Verlust beteiligt seien, sei ein Gewinnanteil von höchstens 5 % angemessen, wobei außerdem noch eine Vorausvergütung des Steuerpflichtigen von jährlich 30 000 DM zu berücksichtigen sei. Das FA kürzte die Gewinnanteile und erhöhte den Gewinn des Steuerpflichtigen entsprechend.

Nach erfolglosem Einspruch hatte der Steuerpflichtige mit seiner Klage Erfolg. Die Vorinstanz prüfte die Angemessenheit der Gewinnbeteiligung der Schwestern unter dem Gesichtspunkt des § 6 StAnpG und führte aus, ein Mißbrauch im Sinne dieser Vorschrift liege nicht vor. Im Verhältnis zum Gesamtkapital hätten die stillen Beteiligungen der Schwestern am 1. August 1954 7,07 %, der ihnen zugerechnete Gewinn für 1954 10,17 %, für 1955 8,30 % und für 1956 8,57 % des Gesamtgewinns betragen. Hierbei habe es sich noch um Sätze gehandelt, die in dem Rahmen lägen, der den Steuerpflichtigen bei der Gestaltung ihrer privatrechtlichen Beziehungen und bei der Vereinbarung der Gewinnanteile in einem Familienbetrieb zuzubilligen sei.

Allerdings sei nicht berücksichtigt, daß in dem Eigenkapital des Steuerpflichtigen sicherlich stille Reserven enthalten seien und daß der Steuerpflichtige allein in dem Unternehmen führend tätig sei. Dem müßte aber gegenübergestellt werden, daß die Schwestern in der Kriegsund Nachkriegszeit, als der Steuerpflichtige selbst Soldat gewesen sei, in dem von ihm später übernommenen Betrieb zu unangemessen niedrigen Löhnen mitgearbeitet hätten. Auch die niedrig verzinsliche weitere stille Beteiligung der Schwestern (aus 1946) lasse die Gesamtgewinnbeteiligung für sie in einem günstigeren Licht erscheinen.

Das Gesamtbild werde noch eindeutiger, wenn man, was geboten erscheine, die beiden stillen Beteiligungen zusammenfasse.

Auch aus den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) IV 335/61 vom 7. November 1963 (BFH 78, 155, BStBl III 1964, 61), wonach bei einer rein kapitalistischen Beteiligung des stillen Gesellschafters höchstens ein fester Satz der Einlage als angemessene Gewinnbeteiligung angesehen werden könne, hierbei von 20 % der Einlage auszugehen sei, könne sich das Ergebnis nicht ändern. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes in § 336 Abs. 2 HGB müsse der still Beteiligte eine Beteiligung am Gewinn erhalten. Dann aber sei es nur natürlich, daß die Höhe des Ertrags von dem Erfolg, von dem Gesamtgewinn des Unternehmers abhängig sei und daher schwanken könne. Es könne unmöglich darin, daß die Beteiligten sich an das Handelsrecht halten, ein Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts gesehen werden. Die Gewinnanteile der Schwestern seien aber auch unter den Gesichtspunkten der hier abgelehnten Rechtsprechung nicht zu hoch. Es sei ihnen ab 1. Juli 1958 bis Mitte 1962 nach Kündigung durch den Steuerpflichtigen ein Gewinnanteil nicht mehr gezahlt worden, da sie schon bis zum 30. Juni 1958 die Mindestbeträge von je 10 000 DM für acht Jahre = 80 000 DM erhalten hätten. Die Gewinnanteile der Schwestern von Mitte 1954 bis Mitte 1958 seien vom Standpunkt einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus als die Gewinne der Zeit von Mitte 1954 bis Mitte 1962 anzusehen. Bei dieser Betrachtung ergebe sich unter Berücksichtigung jeweils der Gesamteinlagen für jede Schwester aus beiden stillen Beteiligungen, daß die feste Verzinsung der Einlagen zwischen 13,23 und 17,96 % liege, also in keinem Fall 20 % erreiche.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA, mit der dieses die Beurteilung der Vorinstanz für fehlerhaft hält und beantragt, die vom FA für die Jahre 1954, 1955 und 1956 festgesetzten Einkommensteuern bestehen zu lassen, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage als unbegründet. Auf die Gründe, aus denen die Vorinstanz die stillen Beteiligungen der Schwestern des Steuerpflichtigen und die Gewinnbeteiligungen anerkannte, den begehrten Abzug als Betriebsausgaben zuließ, braucht im einzelnen nicht eingegangen zu werden. Denn es ist die Auffassung der Vorinstanz unzutreffend, daß die Frage der Anerkennung derartiger Beteiligungsbeziehungen zwischen nahen Familienangehörigen nur unter dem Gesichtspunkt des § 6 StAnpG zu prüfen sei (vgl. Urteil des erkennenden Senats IV R 139/67 vom 15. Januar 1967, BFH 90, 399, BStBl II 1968, 152). In erster Linie ist die Frage unter Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 2, 3 StAnpG) danach zu beurteilen, ob die Beziehungen bürgerlichrechtlich so gestaltet sind (Gesellschaftsverhältnis, Gewinnbeteiligung), daß in ihnen das wirtschaftlich Gewollte einen hinreichenden Ausdruck findet. Bei dieser Prüfung sind an das Verhältnis zwischen rechtlicher Gestaltung und dem wirtschaftlichen Kern des Gewollten Maßstäbe anzulegen, wie sie bei vernünftiger Beurteilung der Dinge für entsprechende Rechtsgestaltungen gelten, an denen einander fremde Personen beteiligt sind. Diese Grundsätze gelten im Prinzip nicht nur für gesellschaftsrechtliche Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und zwischen Ehegatten (vgl. zuletzt Urteil des erkennenden Senats IV R 179/68 vom 25. September 1969, BFH 97, 298, BStBl II 1970, 114), also zwischen Personen, die einander gesetzlich unterhaltsverpflichtet sind, so daß gegenseitige Zuwendungen unter § 12 Nr. 2 EStG fallen, sondern auch für Beziehungen unter sonstigen nahen Familienangehörigen wie insbesondere unter Geschwistern vor allem dann, wenn die Gestaltung im Rahmen einer Erbregelung erfolgt, so daß die Zuwendungen einkommensteuerlich als außerbetriebliche Leistungen beim Zuwendenden sowie als außerbetriebliche Zugänge beim Empfänger gelten (vgl. Urteile des BFH I 115/59 U vom 6. Oktober 1959, BFH 70, 2, BStBl III 1960, 2; IV 238/63 vom 12. Oktober 1967, BFH 90, 136, BStBl II 1968, 10).

Bei Zugrundelegung dieser Erwägungen durften weder das FA noch die Vorinstanz im Streitfall das Vorliegen von stillen Gesellschaften der Schwestern des Steuerpflichtigen bejahen. Nicht nur die Umstände, unter denen die Rechtsgestaltung zustande kam (Erbregelung), sondern auch ihr Zweck und Inhalt sprechen zwingend dafür, daß es sich sowohl bei der Einräumung der Beteiligungen selbst als auch bei der Bemessung der Gewinnanteile um Zuwendungen an die Schwestern im Rahmen einer vorweggenommenen Erbregelung und damit auf familiärer Grundlage handelt. Die Schwestern sollten neben den Schenkungen des Vaters in Höhe von je 40 000 DM weitere 80 000 DM im Laufe längstens der nächsten acht Jahre durch den Steuerpflichtigen erhalten, dem letztlich der Betrieb als Alleinunternehmer zufallen sollte. Zu dieser Würdigung führt die sogenannte Gewinnverteilungsvereinbarung in Verbindung mit dem Recht des Steuerpflichtigen, die Beteiligungen der Schwestern bereits zum 30. Juni 1958, also vier Jahre nach Beginn des Beteiligungsverhältnisses zu kündigen. Es konnte schon beim Abschluß der Vertragsverhältnisse kein Zweifel daran bestehen, daß der Steuerpflichtige von dieser Kündigungsmöglichkeit Gebrauch machen würde, was tatsächlich auch geschehen ist. Denn bei Unterlassen der Kündigung lief er Gefahr, erheblich höhere Beträge an die Schwestern auszahlen zu müssen. An der Kündigung hätte ihn allenfalls der Umstand hindern können, daß er dabei auch innerhalb von sechs Monaten die Einlagen der Schwestern zurückzuzahlen hätte. Die Beteiligten sind aber offenbar davon ausgegangen, daß hierdurch keine Schwierigkeiten entstehen würden.

Es ist zwar anerkannt, daß die Steuerpflichtigen ihre zwischen ihnen einmal bestehenden privaten Beziehungen mit steuerlicher Wirkung auch so gestalten können, daß diese wie Rechtsgestaltungen zwischen Fremden anzuerkennen sind (vgl. Urteil des BFH VI 124/65 vom 6. Juli 1966, BFH 86, 578, BStBl III 1966, 584, über die Ausschaltung des Abzugsverbots nach § 12 Nr. 2 EStG durch die unentgeltliche Nießbrauchsbestellung). So hätten im Streitfall die Beteiligten die den Schwestern des Steuerpflichtigen auf Grund der vorweggenommenen Erbregelung zugedachten Ansprüche auch in die Form der stillen Beteiligung kleiden und damit die Leistungen des Steuerpflichtigen bei diesem als Betriebsausgabe abziehbar, bei den Schwestern als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig machen können. Sie hätten hierzu aber dafür Sorge tragen müssen, daß auch bei strenger Prüfung der äußeren Form der Gestaltung auf ihren wirtschaftlichen Kern sich beides deckte. Das ist im Streitfall aus den schon dargelegten Gründen nicht der Fall. Denn kein Unternehmer hätte einem fremden Dritten eine stille Beteiligung und eine Gewinnbeteiligung unter den Bedingungen eingeräumt, wie dies der Steuerpflichtige seinen Schwestern gegenüber tat. Zumindest eine Verpflichtung, wie sie der Steuerpflichtige nach dem Auseinandersetzungsvertrag seinen Schwestern gegenüber einging, nämlich die Gewinnbeteiligung gegebenenfalls auf vier Jahre nach der Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses in der im Vertrag vorgesehenen Weise weiter-, das Kapital aber schon innerhalb von sechs Monaten nach der Kündigung zurückzuzahlen, hätte ein fremder Unternehmer dem stillen Gesellschafter gegenüber nicht übernommen. Es handelt sich um eine einseitig den Steuerpflichtigen belastende Gestaltung, die in der Tat nur in den engen familiären Verwandtschaftsbeziehungen der Geschwister in Verbindung mit der offensichtlich vom Vater diktierten Erbregelung zu erklären ist.

Bei dieser Sachlage vermag es der Senat nicht anzuerkennen, daß die sogenannten Gewinnbeteiligungen überhaupt betrieblichen Charakter hatten. Die Verpflichtungen und Zahlungen gegenüber den Schwestern berührten nur die private Sphäre des Steuerpflichtigen, sie sind nicht als Betriebsausgaben abziehbar (BFH-Urteil IV R 179/68, BFH 97, 298, BStBl II 1970, 114). Wegen des für den Senat bestehenden Verbots der Änderung des angegriffenen Verwaltungsakts zum Nachteil des Steuerpflichtigen verbleibt es jedoch bei der Veranlagung durch das FA, so daß die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage des Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung als unbegründet zurückzuweisen war. Einer näheren Prüfung, ob in den Zuwendungen an die Schwestern auch Zinsen für die stehengelassenen Erbauseinandersetzungsansprüche enthalten waren, bedarf es nicht. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so wären diese zwar als Sonderausgaben bei Abfluß im Sinn des § 11 Abs. 2 EStG beim Steuerpflichtigen abziehbar. Sie könnten indes keinesfalls die tatsächlich abgezogenen Beträge in Höhe von 25 % der "Einlagen" übersteigen.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 413

BFHE 1970, 401

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