Leitsatz (amtlich)

Im Fall der Betriebsaufspaltung gehört auch der für die Führung des Betriebs der Betriebsgesellschaft nicht wesentliche Teil der verpachteten Wirtschaftsgüter jedenfalls dann zum notwendigen Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft, wenn ihre Verpachtung an die Betriebsgesellschaft in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Verpachtung des anderen, für den übergegangenen Betrieb wesentlichen Teils der Wirtschaftsgüter steht.

 

Normenkette

EStG §§ 4-5, 15; GewStG § 7

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, entstand im Jahr 1923 im Weg einer Betriebsaufspaltung aus einem Einzelunternehmen. Betriebsgesellschaft wurde eine AG, Besitzgesellschaft die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Diese verpachtete an die Betriebsgesellschaft das gesamte Anlagevermögen des bisherigen Einzelunternehmens. Nach der Veräußerung des beweglichen Anlagevermögens an die Betriebsgesellschaft beschränkte sich die Verpachtung im Streitjahr 1967 auf die Grundstücke, die zum unbeweglichen Anlagevermögen des früheren Einzelunternehmens gehört hatten.

Im Streitjahr 1967 waren an der Klägerin und an der Betriebsgesellschaft X und Y beteiligt, an der Klägerin im Verhältnis 1/4 zu 3/4, an der Betriebsgesellschaft im Verhältnis 1/3 zu 2/3.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) behandelte die Einkünfte der Klägerin seit dem Jahr 1940 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Klägerin erhob nach erfolglosen Einsprüchen Klagen gegen den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns 1967 und gegen den Gewerbesteuermeßbescheid 1967, mit denen sie zunächst die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung bestritt, weil bei der Besitzgesellschaft und bei der Betriebsgesellschaft unterschiedliche Beteiligungsverhältnisse vorlägen. Später begehrte sie, nur einen Teil der Einkünfte aus der Verpachtung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Die mit Werkswohnungen bebauten Grundstücke gehörten nicht zum Betriebsvermögen der Klägerin. Denn sie seien für den Betrieb der Betriebsgesellschaft nicht wesentlich. Auch seien nicht alle Wohnungen in diesen Gebäuden an Angehörige der Betriebsgesellschaft vermietet. Die Einkünfte aus der Verpachtung dieser Grundstücke seien daher Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Das FG hat die Klagen abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, auch die mit Werkswohnungen bebauten Grundstücke hätten bereits zum Betriebsvermögen des früheren Einzelunternehmens gehört und seien nicht entnommen worden. Daher seien sie Betriebsvermögen der Klägerin geworden, ohne Rücksicht darauf, ob sie eine wesentliche Grundlage des Betriebs bildeten.

Gegen diese Urteile richten sich die Revisionen der Klägerin, mit denen weiterhin geltend gemacht wird, die mit Werkswohnungen bebauten Grundstücke seien keine wesentliche Grundlage des Betriebs und zählten daher nicht zum Betriebsvermögen der Klägerin. Diese Grundstücke hätten in die Eröffnungsbilanz der Besitzgesellschaft nicht aufgenommen werden dürfen, einer Entnahme hätte es daher nicht bedurft. Außerdem seien nach dem Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 21. Februar 1974 G 1400 - 24 - 312 (DB 1974, 506) bei unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen die Einkünfte der Besitzgesellschaft erstmals im Jahr 1974 als gewerbliche Einkünfte zu behandeln.

Die Klägerin beantragt,

a) die Entscheidung über die Revisionen auszusetzen, bis das BVerfG über die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 500/72 betreffend die Betriebsaufspaltung bei unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen entschieden habe,

b) für den Fall, daß die angefochtenen Bescheide nicht bereits aufgrund des Erlasses des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 21. Februar 1974 (a. a. O.) geändert würden,

aa) den Feststellungsbescheid 1967 wie folgt abzuändern:

...

bb) den Gewerbesteuermeßbescheid 1967 wie folgt abzuändern:

...

Das FA beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Verfahren I R 39/74 (einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns 1967) und I R 40/74 (Gewerbesteuermeßbetrag 1967) werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (§ 73 Abs. 1 FGO).

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat als Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung auch aus der Verpachtung der mit Werkswohnungen bebauten Grundstücke Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Auch diese Grundstücke gehören daher zu ihrem Betriebsvermögen (§§ 4, 5, 15 Nr. 2 EStG, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 GewStG).

1. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG über die Betriebsaufspaltung bei unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das BVerfG inzwischen die Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG-Beschluß vom 15. Juli 1974 1 BvR 500/72, HFR 1974, 459).

2. Die unterschiedlichen Beteiligungsverhältnisse bei der Besitzgesellschaft und bei der Betriebsgesellschaft hindern im Streitfall nicht die Annahme einer Betriebsaufspaltung (Beschluß des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Bei den im Streitfall bestehenden Beteiligungsverhältnissen sind die Gesellschafter der Klägerin in der Lage, ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen.

3. Auch die übrigen Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung sind erfüllt. Die Klägerin hat die Wirtschaftsgüter, die zu den wesentlichen Grundlagen des auf die Betriebsgesellschaft übergegangenen Betriebs gehören, an die Betriebsgesellschaft verpachtet (BFH-Beschluß GrS 2/71). Rechtsfolge der Betriebsaufspaltung ist, daß die Verpachtung dieser Wirtschaftsgüter eine gewerbliche Tätigkeit darstellt.

Die verpachteten Wirtschaftsgüter gehören damit zum notwendigen Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft (§§ 4, 5 EStG, § 7 GewStG). Denn sie dienen unmittelbar dem Betrieb der Besitzgesellschaft, der gerade in der Verpachtung der Wirtschaftsgüter besteht (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 1975 I R 111/73, BFHE 115, 500, BStBl II 1975, 582).

4. Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören entgegen der Ansicht der Klägerin auch die Grundstücke, die mit Werkswohnungen bebaut sind. Für die Annahme einer Betriebsaufspaltung dem Grunde nach ist allerdings erforderlich, daß die verpachteten Wirtschaftsgüter insgesamt oder bereits ein Teil von ihnen eine wesentliche Grundlage des Betriebs bilden. Es muß sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse um Wirtschaftsgüter handeln, die für die Betriebsführung wirtschaftlich Gewicht besitzen. In diesem Sinne versteht der BFH die Begriffe "wesentlich" oder "notwendig" (BFH-Urteil vom 24. Juni 1969 I 201/64, BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17). Das bedeutet aber nicht, daß nur die verpachteten Wirtschaftsgüter, die diese Voraussetzung erfüllen, zum notwendigen Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft rechnen. Auch der für die Führung des Betriebs in diesem Sinne nicht notwendige Teil der verpachteten Wirtschaftsgüter gehört nach allgemeinen Grundsätzen jedenfalls dann zum notwendigen Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft, wenn ihre Verpachtung an die Betriebsgesellschaft in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Verpachtung des anderen, für den auf die Betriebsgesellschaft übergegangenen Betrieb wesentlichen Teils der Wirtschaftsgüter steht. Das trifft im Streitfall auf die mit Werkswohnungen bebauten Grundstücke zu. Denn sie gehörten nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), schon zum Betriebsvermögen des früheren Einzelunternehmens und wurden zusammen mit anderen Grundstücken im Zuge der Betriebsaufspaltung an die Betriebsgesellschaft verpachtet.

Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht abschließend zu prüfen, ob die Rechtsbeziehungen zwischen der Besitzgesellschaft oder deren Gesellschafter und der Betriebsgesellschaft stets einheitlich als gewerblich anzusehen sind (vgl. BFH-Urteil vom 9. Juli 1970 IV R 16/69, BFHE 99, 533, BStBl II 1970, 722). Er braucht auch nicht zu prüfen, ob die mit Werkswohnungen bebauten Grundstücke wenigstens gewillkürtes Betriebsvermögen der Klägerin wurden und - mangels Entnahme - auch im Streitjahr blieben.

5. Auf den Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 21. Februar 1974 (a. a. O.) kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen. Denn dieser Erlaß verzichtet "aus Gründen des Vertrauensschutzes" auf die Anwendung des BFH-Beschlusses GrS 2/71 (Betriebsaufspaltung auch bei unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen) für die Veranlagungszeiträume vor 1974 nur in solchen Fällen, in denen bisher Einkünfte des Besitzunternehmens aus Vermietung und Verpachtung angenommen wurden. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, auf den sich die Klägerin beruft, gewährt den Steuerpflichtigen kein Recht darauf, daß die Finanzbehörden und die FG die Steuergesetze in allen Steuerfällen gleich auslegen. Die Finanzbehörden und die FG sind an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3, Art. 97 Abs. 1 GG). Sie sind aber grundsätzlich nicht an die Auffassung anderer Finanzbehörden und anderer FG gebunden. Daraus ergibt sich unvermeidlich, daß das Gesetz von einzelnen Finanzbehörden und FG verschieden ausgelegt werden kann.

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 67

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