Leitsatz (amtlich)

Die Unterhaltungslast für ein Schloß, das früher zu einem Fideikommißvermögen gehört hat und bei Auflösung dieses Vermögens durch Beschluß des Fideikommißsenats des Oberlandesgerichts nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. Juli 1938 (RGBl I 1938, 825) unter Denkmalsschutz gestellt worden ist, kann als rechtsverbindliche Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen mit ihrem Kapitalwert bei der Ermittlung des Gesamtvermögens des Eigentümers nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 BewG in der Fassung vor dem BewG 1965 abgezogen werden.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 74 Abs. 1 Nr. 1; FidErlG §§ 2, 6, 11; DVO zum FidErlG § 7; DVO zum FidErlG § 8 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bei den Vermögensteuer-Veranlagungen auf den 1. Januar 1963, 1. Januar 1964 und 1. Januar 1965 die Unterhaltungslast eines unter Denkmalschutz stehenden, früher zu einem Fideikommißvermögen gehörenden Bauwerks als Schuld nach § 74 Abs. 2 Satz 2 BewG abziehen kann.

Das FA (Beklagter und Revisionskläger) lehnte den Abzug der Unterhaltungslast bei den endgültigen Vermögensteuer-Veranlagungen des Klägers auf diese Stichtage mit der Begründung ab, daß es an einer rechtlichen Verpflichtung gefehlt habe. Auch in den nach § 218 AO berichtigten Vermögensteuer-Bescheiden für diese Stichage, die auf Antrag des Klägers nach § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurden, wurde der Abzug dieser Last mit derselben Begründung versagt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Dagegen ließ das FG die Unterhaltungslast an den Stichtagen vom 1. Januar 1963 bis 1. Januar 1965 mit einem Kapitalwert von 171 000 DM zum Abzug zu. Nach seinen Feststellungen ist das Bauwerk ein etwa 400 Jahre altes Schloß, das mit seiner Gesamtwohnfläche von 1 100 qm dem Kläger und seiner Familie zu Wohnzwecken dient. Es ist als sonstiges bebautes Grundstück bewertet, sein Einheitswert wurde zum 1. Januar 1963 auf 100 400 DM festgestellt. Es wurde bei der Ermittlung des Gesamtvermögens des Klägers an den Stichtagen vom 1. Januar 1963 bis 1. Januar 1965 im Einspruchsveriahren nach § 73a Abs. 2 und 4 BewG nicht angesetzt. Das Schloß gehörte zu einem ehemaligen Fideikommißvermögen, das nach dem vom OLG am 31. Oktober 1950 nach § 11 des Gesetzes über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen vom 6. Juli 1938 (FidErlG) - RGBl I 1938, 825 - erteilten Auflösungsschein erloschen ist, nachdem zuvor die nach § 11 Abs. 4 Satz 2 FidErlG zur Erhaltung von Kulturbesitz erforderlichen Maßnahmen getroffen worden waren. Der Fideikommißsenat des OLG atte durch Beschluß vom 15. Dezember 1939 das Schloß der Aufsicht des damaligen Provinzialkonservators der Kunstdenkmäler Westfalens, dem jetzigen Landeskonservator von Westfalen-Lippe, unterstellt. Dabei war festgelegt worden, daß "der jeweilige Eigentümer ... ohne Genehmigung des Provinzialkonservators keine Veränderungen an ihm vornehmen und keine rechtsgeschäftlichen Verfügungen und sonstigen Maßnahmen ... anordnen" dürfe. Weitere Schutz- und Sicherungsmaßnahmen nach § 6 FidErlG wurden nicht getroffen. Die Unterhaltungspflicht wurde auch nicht zugunsten der öffentlichen Hand dinglich gesichert.

Das FG schloß sich der Auffassung des Fideikommißsenats des OLG an, die dieser in einer auf Ersuchen des FG abgegebenen Stellungnahme vertreten hatte, daß die Rechtspflicht zur Unterhaltung des Schlosses auch nach dem Erlöschen des Fideikommisses bestehengeblieben sei, allerdings nicht mehr im Interesse der Familie, sondern im öffentlichen Interesse. Es führte weiter aus, daß der Abzug der Unterhaltungslast aber auch dann gerechtfertigt sei, wenn man sich dieser Auffassung nicht anschließe. Denn es handle sich dann um eine Last zu wiederkehrenden Leistungen, die zwar ohne Rechtsverpflichtung geleistet würden, aber unter Umständen, aus denen entnommen werden könne, daß sich der Leistende den in einem bestimmten Umfang tatsächlich erbrachten Leistungen nicht entziehen werde und könne, und die deshalb nach der Rechtsprechung des BFH abzugsfähig seien. Da unter den Beteiligten kein Streit mehr darüber bestehe, daß der Jahreswert der vom Kläger getätigten Mehrleistungen in den Streitjahren durchschnittlich 9 500 DM betragen habe, beständen gegen den Kapitalwert von 171 000 DM keine Bedenken.

Das FA beantragt mit der Revision, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen. Es wird Verletzung des § 74 Abs. 2 Satz 2 BewG gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Der Annahme des FG, daß eine Rechtspflicht zur Unterhaltung des Schlosses auch nach dem Erlöschen des Fideikommisses bestehengeblieben sei, stehe § 2 FidErlG entgegen, nach dem mit dem Erlöschen des Fideikommisses das Fideikommißvermögen freies Vermögen des letzten Fideikommißbesitzers geworden sei, soweit sich nicht aus § 11 FidErlG etwas anderes ergebe. § 11 FidErlG treffe jedoch nur zeitlich begrenzte Anordnungen bis zur Erteilung des Auflösungsscheins. Die Rechtsprechung des BFH, nach der ausnahmsweise eine Last auch dann abgezogen werden könne, wenn keine rechtliche Verpflichtung bestehe, könne hier nicht angewendet werden, weil sie einen Leistungsberechtigten voraussetze, der im Streitfall nicht vorhanden sei. Weder der Fideikommißsenat des OLG noch der Landeskonservator hätten irgendwelche Ansprüche oder irgendwelche rechtsähnliche auf tatsächlichen Verhältnissen beruhende Erwartungen gegenüber dem Kläger. Im Gegensatz zu dem Fall, über den der BFH in dem Urteil III 207/65 vom 2. Mai 1969 (BFH 96, 412, BStBl II 1969, 717) entschieden habe, sei hier die Unterhaltungsverpflichtung nicht durch Eintragung der Reallast gesichert, sie sei deshalb keine vom Willen des Eigentümers unabhängige Last im Sinne dieses Urteils. Die Unterhaltung des Schlosses liege auch gar nicht ausschließlich oder überwiegend im öffentlichen Interesse. Das ergebe sich schon eindeutig aus den Werten des durchschnittlich jährlichen Erhaltungsaufwands von 9 500 DM und des Mietwerts der Wohnung des Klägers in Höhe von 14 520 DM für 1963 und 15 850 DM für die Folgejahre.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält die Vorentscheidung für zutreffend und wendet sich auch gegen den Einwand des FA, daß der Mietwert seiner Wohnung höher sei als der durchschnittliche jährliche Erhaltungsaufwand. Man müsse dem Mietwert der Wohnung nicht nur den Mehraufwand von 9 500 DM, sondern alle Kosten gegenüberstellen. Dann zeige sich, daß die Unterhaltungskosten stets höher gewesen seien als die Einnahmen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Der Senat hat in dem Urteil III 207/65 (a. a. O.) den Abzug von rechtlich verbindlichen Unterhaltungslasten für die unter Denkmalschutz stehenden Wirtschaftsgüter vom Gesamtvermögen des Eigentümers dem Grunde nach für zulässig erklärt. Das Bestehen einer rechtlich verbindlichen Unterhaltungslast war in dem damals entschiedenen Fall nicht streitig. Die Wirtschaftsgüter, um die es sich damals handelte, waren früher Bestandteile eines Fideikommißvermögens gewesen. Nach Auflösung dieses Vermögens waren sie unter Denkmalschutz gestellt worden. Dem damaligen Eigentümer und seinen Rechtsnachfolgern war durch Beschlüsse des OLG auferlegt worden, die Gegenstände in einem geordneten Zustand zu erhalten. Zur Sicherung der Instandhaltungspflicht an den Gebäuden und Einrichtungsgegenständen war die Eintragung einer Reallast zugunsten des Landes im Grundbuch angeordnet worden. Nach den Feststellungen des FG unterscheidet sich der Streitfall von dem damals entschiedenen Fall dadurch, daß zwar das Schloß auch früher zu einem Fideikommißvermögen gehörte und nach Auflösung dieses Vermögens unter Denkmalschutz gestellt wurde, daß aber keine weiteren Maßnahmen nach § 6 Abs. 2 FidErlG vom OLG getroffen wurden, insbesondere nicht dem jeweiligen Eigentümer ausdrücklich eine Instandsetzungspflicht auferlegt und zu ihrer Sicherung eine Reallast zugunsten des Landes im Grundbuch eingetragen wurde. Trotzdem hat das FG in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Fideikommißsenats des OLG mit Recht auch im Streitfall eine Rechtspflicht des Klägers zur Unterhaltung des Schlosses bejaht. Der Senat folgt der Auffassung des FG, daß eine solche Rechtspflicht auch nach dem Erlöschen des Fideikommisses weiter bestehengeblieben ist. Denn nur wenn man eine solche Unterhaltungspflicht des jeweiligen Eigentümers bejaht, ist es verständlich, daß der Gesetzgeber dem Fideikommißgericht in § 6 FidErlG aufgegeben hat, "von Amts wegen Vorsorge für ihre ordnungsgemäße Unterhaltung zu treffen". Die Anordnung solcher Maßnahmen ist an die Voraussetzung geknüpft, daß die Gegenstände infolge des Erlöschens des Fideikommisses gefährdet erscheinen und ihre Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt. Der Senat folgert mit dem FG und dem OLG aus der Fassung dieser Vorschrift, daß diejenige Gefährdung, die mit der Überführung des gebundenen Fideikommißvermögens in freies Vermögen des letzten Fideikommißbesitzers (vgl. § 2 FidErlG) ganz allgemein gegeben war, nicht zur Anordnung von Schutzund Sicherungsmaßnahmen ausreichte. Denn wenn schon diese allgemeine, in allen Fällen des Erlöschens des Fideikommisses bestehende Gefährdung zur Anordnung derartiger Maßnahmen hätte ausreichen sollen, dann hätte der Gesetzgeber diese Maßnahmen ohne jede weitere Voraussetzung in allen Fällen vorschreiben müssen. Es muß sich also bei der in § 6 Abs. 1 FidErlG erwähnten Gefährdung um eine über diese allgemeine Gefährdung hinausgehende qualifizierte Gefährdung im Einzelfall handeln. Daraus folgt aber weiter, daß durch die Anordnung der Vorsorge in § 6 Abs. 1 FidErlG nicht erst eine Pflicht zur Unterhaltung dieser Gegenstände begründet worden sein kann. Das OLG weist mit Recht darauf hin, daß sonst eine Pflicht zur Unterhaltung dieser Kulturgüter, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, nur in den Fällen entstanden sein würde, in denen eine solche qualifizierte Gefährdung bis zur Erteilung des Auflösungsscheins evident geworden ist. Das kann nicht der Sinn des § 6 Abs. 1 FidErlG sein. Der Senat stimmt vielmehr der Auffassung des FG und des OLG zu, daß diese Vorschrift das Bestehen einer rechtsverbindlichen Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers zur Unterhaltung der Kulturgüter im öffentlichen Interesse voraussetzt und die in § 6 Abs. 2 FidErlG i. V. mit § 7 der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 20. März 1939 (RGBl I 1939, 509) vorgesehenen Maßnahmen nur der Sicherung dieser Rechtspflicht dienen. Welche Maßnahmen zur Sicherung der Unterhaltungspflicht zu treffen waren, lag im pflichtgemäßen Ermessen des Fideikommißsenats des OLG. Wenn dieser sich im Streitfall zunächst damit begnügte, das Schloß unter die Aufsicht des Landeskonservators zu stellen, so übertrug er damit dem Landeskonservator auch die Überwachung der Einhaltung der Unterhaltungspflicht. Der Landeskonservator kann notfalls nach § 6 Abs. 8 FidErlG i. V. mit § 8 Abs. 2 der Durchführungsverordnung eine Änderung der getroffenen Maßnahmen durch das Fideikommißgericht beantragen, die nach Auffassung des Senats auch in einer nachträglichen betragsmäßigen Festlegung und dinglichen Sicherung der Unterhaltungslast bestehen kann. Da der Senat aus diesem Grunde eine rechtsverbindliche Verpflichtung des Klägers zur Unterhaltung des Schlosses bejaht, braucht er nicht mehr darauf einzugehen, ob dem FG auch darin zugestimmt werden kann, daß der Abzug der Last ausnahmsweise auch ohne das Vorliegen einer solchen Verpflichtung zugelassen werden könnte.

Der Senat hat in dem Urteil III 207/65 (a. a. O.) darauf hingewiesen, daß eine Last, auch wenn eine rechtliche Verpflichtung besteht, nur abgezogen werden kann, wenn sie am Stichtag eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung bedeutet. Diese Voraussetzung ist entgegen der Auffassung des FG auch im Streitfall erfüllt. Das FG hat als durchschnittlichen Jahreswert der vom Kläger zu erbringenden Leistungen den Mehraufwand zugrunde gelegt, der nach übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in dem Erörterungstermin vor dem FG vom 19. August 1971 dem Kläger entstanden ist. Dieser Mehraufwand berücksichtigt die Kosten, "die durch die Eigenart des Schlosses als eines unter Denkmalschutz stehenden Objekts veranlaßt sind". In dieser Höhe liegt nach Auffassung des Senats auf jeden Fall eine wirtschaftliche Belastung des Klägers vor, auch wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß der Kläger mit seiner Familie das Schloß bewohnt. Schließlich ist es auch nicht zu beanstanden, daß das FG bei der Berechnung des Kapitalwerts den Vervielfacher 18 angewandt hat. Dieser Vervielfacher kommt nach § 15 Abs. 2 BewG für immerwährende Nutzungen und Leistungen in Betracht. Unter immerwährenden Nutzungen und Leistungen sind nach der Rechtsprechung des Senats solche zu verstehen, deren Ende nicht abzusehen ist, deren Wegfall somit von Ereignissen abhängt, von denen ungewiß ist, ob und wann sie je eintreten werden (vgl. BFH-Urteil III R 61/66 vom 28. November 1969, BFH 97, 431, BStBl II 1970, 171, unter III 2b, 4. Absatz). Da die Unterhaltungslast den jeweiligen Eigentümer des Schlosses trifft, ist diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt. Die Ungewißheit, wie hoch die Leistungen in Zukunft sein werden, insbesondere ob und in welchem Ausmaß sie sich wegen staatlicher Zuschüsse in Zukunft mindern werden, kann sich nur auf die Höhe des Jahreswerts auswirken, der nach den Verhältnissen des jeweiligen Stichtags zu bemessen ist. Sie führt nicht zu einer Herabsetzung des Vervielfachers.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413307

BStBl II 1972, 750

BFHE 1972, 350

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