Leitsatz (amtlich)

Der Kapitalwert einer Rente auf bestimmte Zeit, die jedoch längstens bis zum Tod des letzten Mitglieds einer Familie zu zahlen ist, wird auch dann unter Berücksichtigung des Lebensalters des jüngsten Familienmitglieds bestimmt, wenn dessen Bezugsberechtigung dadurch aufschiebend bedingt ist, daß es einen vorher Bezugsberechtigten überlebt und zu diesem Zeitpunkt die feste Laufzeit noch nicht beendet ist.

 

Normenkette

BewG 1965 § 13 Abs. 1, § 14

 

Tatbestand

Die Klägerin erwarb 1965 ein bebautes Grundstück. Als Gegenleistung wurden eine Rente und ein Wohnrecht zugunsten der Veräußerin vereinbart. Die vertraglichen Abmachungen haben im einzelnen folgenden Inhalt:

Die Klägerin zahlt zur Sicherstellung der Versorgung der Veräußerin (geb. 1891) und ihrer Familie auf die Dauer von 15 Jahren, beginnend am 1. November 1965, jeweils am 1. eines Monats eine im voraus fällig werdende Rente von monatlich 2 600 DM und ab 1. November 1980 auf die Dauer von weiteren zehn Jahren eine Rente von 1 030 DM. Die Rentenleistungen erhöhen oder ermäßigen sich entsprechend der Erhöhung oder Ermäßigung bestimmter Beamtenbezüge. Stirbt die Veräußerin vor Ablauf der Rentenlaufzeit von 25 Jahren, so steht die Rente ihrem Ehemann (geb. 1888) zu. Sterben beide Eheleute vor Ablauf dieser 25 Jahre, so geht die Rentenberechtigung auf deren gemeinschaftlichen Sohn (geb. 1912) oder, falls dieser schon verstorben ist, auf dessen Ehefrau (geb. 1911) über. Stirbt der Sohn, nachdem er nach seinen Eltern rentenberechtigt war, vor Ablauf von 25 Jahren, so geht das Rentenrecht ebenfalls auf dessen Ehefrau über. Die Verpflichtung der Klägerin zur Rentenzahlung erlischt, wenn die vier Rentenberechtigten vor Ablauf von 25 Jahren seit Beginn der Rentenleistung verstorben sind.

Der Veräußerin und ihrem Ehemann oder dem Längstlebenden von ihnen steht zusätzlich ein Wohnrecht auf Lebenszeit in dem veräußerten Grundstück zu. Für den Fall, daß die Berechtigten ausziehen sollten, verpflichtete sich die Klägerin, jeweils im voraus monatlich 120 DM zu zahlen.

Die Klägerin leistete auf Grund dieser Vereinbarungen am 1. Januar 1968 eine monatliche Rente von 2 812 DM. Die ab 1. November 1980 zu leistende Rente beträgt nach den der Vereinbarung zugrunde gelegten Beamtenbezügen unter Berücksichtigung der Besoldungsverhältnisse vom 1. Januar 1968 monatlich 1 108 DM.

Das FA (Beklagter und Revisionskläger) stellte den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1968 fest. Es berechnete den Kapitalwert der Verpflichtung der Klägerin aus der zugesagten Rente und dem eingeräumten Wohnrecht nach dem Lebensalter der im Feststellungszeitpunkt 76 Jahre alten Veräußerin mit dem Fünffachen des Jahreswertes (35 184 DM) der Verpflichtung = 175 920 DM. Die Rentenverpflichtung gegenüber dem Ehemann, dem Sohn und der Schwiegertochter der Veräußerin ließ es als aufschiebend bedingt außer Betracht. Außerdem zog das FA die Schulden an Gewerbesteuer und Umsatzsteuer, die sich auf Grund einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung für die Zeit bis zum 31. Dezember 1967 ergaben, nicht mit dem Nennwert von 20 508 DM, sondern mit dem abgezinsten Wert von 19 439 DM vom Rohvermögen ab.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage stellte das FG den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1968 niedriger fest. Das FG berücksichtigte die Steuerschulden mit dem Nennwert und ermittelte den Kapitalwert der Rentenlast unter Anwendung des dem Lebensalter des jüngsten Familienmitglieds entsprechenden Vervielfachers 12 auf einen für die Gesamtlaufzeit der Rente berechneten durchschnittlichen Jahreswert von (2 066 DM x 12 =) 24 792 DM. Auf diese Weise ergab sich für die Rentenlast der Klägerin ein Kapitalwert von 297 504 DM.

Das FG war weiter der Auffassung, den Kapitalwert des Wohnrechts habe das FA zutreffend in der Weise bestimmt, daß es auf den Jahreswert (12x 120 DM = 1 440 DM) den Vervielfacher 5 angewendet habe, der dem Lebensalter des jüngsten der beiden Ehegatten entspreche.

Die Revision des FA rügt, die sich aus der Betriebsprüfung ergebenden Steuernachholungen seien nicht nur unverzinslich, sondern auch befristet. Die Befristung müsse nicht auf rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen beruhen; es genüge, wenn sie sich aus tatsächlichen Umständen ergebe.

Bei der Bewertung der Rentenlast habe das FG zu Unrecht außer der Rentenverpflichtung gegenüber der Veräußerin auch die Verpflichtungen gegenüber den nur möglichen Rechtsnachfolgern der Veräußerin im Rentenbezug berücksichtigt. Deren Rentenansprüche seien aber dadurch aufschiebend bedingt, daß sie die gegenwärtig bezugsberechtigte Veräußerin überlebten und zu diesem Zeitpunkt die 25 Jahre noch nicht abgelaufen seien. Entgegen der Auffassung des FG sei es von entscheidender Bedeutung, daß die übrigen drei Familienmitglieder am Feststellungszeitpunkt noch kein Recht auf den Rentenbezug gehabt hätten. Deshalb könne die Rentenlast nicht nach dem Lebensalter des jüngsten Familienmitglieds, sondern nur nach dem Lebensalter der gegenwärtig allein bezugsberechtigten Veräußerin bestimmt werden. Im übrigen sei der Grundsatz der Wechselwirkung zwischen Verpflichtetem und Berechtigtem zu berücksichtigen. Die Veräußerin könne nur die ihr zustehende Rente als Vermögenswert versteuern und nicht den Wert der Rentenleistungen, die nach ihrem Tod möglicherweise ihre Rechtsnachfolger beziehen würden. Dementsprechend habe die Klägerin auch kein Recht auf einen höheren Schuldenabzug.

Das FA beantragt, die Entscheidung des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision wird als unbegründet zurückgewiesen.

1. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die auf Grund der Betriebsprüfung sich ergebende Steuernachholung mit dem Nennwert oder dem abgezinsten Wert abzuziehen ist. Denn selbst wenn diese Schuld in Übereinstimmung mit der Revision und entgegen der Auffassung des FG nur mit dem niedrigeren abgezinsten Wert zu berücksichtigen wäre, so würde sich kein höherer Einheitswert für das Betriebsvermögen der Klägerin ergeben, als ihn das FG festgestellt hat. Denn das FG hat, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, die Rentenlast der Klägerin um mehr als den Unterschiedsbetrag zwischen dem abgezinsten Wert und dem Nennwert der Steuernachholung (= 1 069 DM) zu niedrig angesetzt.

2. Der Senat stimmt dem FG darin zu, daß die Klägerin als Gegenleistung für den Grundstückserwerb eine Zeitrente zugesagt hat, die nicht auf die Lebenszeit der Veräußerin beschränkt ist. Aus dieser Zeitrente ist allerdings zunächst nur die Veräußerin des Grundstücks allein berechtigt. Die weiteren Familienangehörigen der Veräußerin erwerben das Bezugsrecht erst und nur, wenn sie die Veräußerin überleben und die Höchstlaufzeit von 25 Jahren noch nicht abgelaufen ist. Dem FA ist deshalb darin zuzustimmen, daß die Rentenverpflichtungen gegenüber den Familienangehörigen der Veräußerin aufschiebend bedingt sind. Dies ist aber im vorliegenden Fall deshalb unbeachtlich, weil das Rentenrecht nicht mit dem Tod der am 1. Januar 1968 bezugsberechtigten Veräußerin erlischt, sondern auf Grund einer Laufzeitvereinbarung nach deren Tod an ihre Familienmitglieder weiterzuzahlen ist. Aus diesem Grund ist die Rentenlast der Klägerin nicht nach dem Lebensalter der Veräußerin zu bewerten (§ 14 Abs. 1 und 2 BewG 1965), sondern nach § 13 Abs. 1 BewG 1965 (vgl. Rössler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 8. Aufl., § 14 BewG Anm. 2). Dabei kann allerdings nicht ohne weiteres von einer 25jährigen Laufzeit der Rente ausgegangen werden, denn die Verpflichtung zur Zahlung der Rente erlischt vor Ablauf von 25 Jahren, wenn der letzte Berechtigte vorher verstorben ist. Deshalb ist für die Bestimmung der Laufzeit der als Kaufpreis zugesagten Zeitrente die Lebenserwartung der nach der Veräußerin Berechtigten vergleichsweise mit heranzuziehen. Dabei ist es unbeachtlich, daß die Rechtsnachfolger der Veräußerin des Grundstücks am maßgebenden Feststellungszeitpunkt nur eine aufschiebend bedingte Berechtigung auf die Rente hatten; denn es wird nicht die Verpflichtung der Klägerin gegenüber den aufschiebend bedingt Berechtigten, sondern lediglich die Laufzeit der Zeitrente unter Heranziehung der Lebenserwartung des jüngsten Berechtigten bestimmt. Das FG ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, daß im Hinblick auf die Lebenserwartung des jüngsten Berechtigten, der am 1. Januar 1968 im 56. Lebensjahr stand, zur Ermittlung des Kapitalwerts der Rentenlast der Vervielfacher 12 anzuwenden ist (§ 13 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 14 Abs. 2 BewG 1965) und nicht der Vervielfacher 13,583 aus Hilfstafel 2 zu § 13 Abs. 1 BewG 1965, der der Restlaufzeit der Rente am 1. Januar 1968 von fast 23 Jahren entsprechen würde.

3. Die Vorentscheidung verstößt jedoch dadurch gegen geltendes Recht, daß das FG offenbar im Hinblick auf die Ermäßigung der monatlichen Rentenleistungen ab dem 16. Jahr der Laufzeit angenommen hat, es handele sich bei diesen Rentenleistungen um solche im Sinne des § 15 Abs. 3 BewG 1965, die in ihrem Betrag ungewiß sind oder schwanken. Dementsprechend hat das FG für die Ermittlung des Kapitalwerts den gewogenen Durchschnitt des Jahreswerts errechnet. Bei einer Rentenverpflichtung, deren Jahreswert sich zu einem am maßgebenden Stichtag bestimmbaren Zeitpunkt ermäßigt, ist die Kapitalisierung jedoch in der Weise durchzuführen, daß der geringere Jahreswert mit dem der gesamten Laufzeit entsprechenden Vervielfacher kapitalisiert wird und daß der Unterschied zwischen dem geringeren und dem höheren Jahreswert mit dem Vervielfacher der Laufzeit kapitalisiert wird, für die die höhere Leistung zu erbringen ist; die sich so ergebenden Kapitalwerte werden zusammengezählt und ergeben den Gesamtkapitalwert der Rentenverpflichtung.

4. Auf Grund vorstehender Ausführungen ergibt sich für die Rentenverpflichtung der Klägerin folgender Kapitalwert:

a) Kapitalwert der lebenslänglichen Rente, berechnet nach dem Lebensalter des jüngsten Bezugsberechtigten, unter Berücksichtigung monatlicher Leistungen von 1 108 DM, auf die sich die Rente nach insgesamt 15 Jahren Laufzeit ermäßigt:

Jahreswert = 1 108 DM x 12 = 13 296 DM.

Kapitalwert = 13 296 DM x 12 = 159 552 DM.

b) Kapitalwert der Zeitrente in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Leistungen für die ersten 15 Jahre in Höhe von monatlich 2 812 DM und den Leistungen der weiteren Laufzeit in Höhe von 1 108 DM: Bei der Berechnung des Kapitalwerts dieser Teilrente ist davon auszugehen, daß sie nach den Verhältnissen des Feststellungszeitpunkts 1. Januar 1968 noch eine Laufzeit von 12 Jahren und 10 Monaten hatte.

A. Jahreswert = (2 812 DM - 1 108 DM =)

1 704 DM x 12 = 20 448 DM;

B. Vervielfacher für 13 Jahre Laufzeit:

a) vorschüssig = 9,619

b) nachschüssig =9,117

c) Unterschied =0,502

d) davon 1/2 zur Berücksichtigung

unterjähriger Zahlungsweise = 0,251

e) Vervielfacher für 13 Jahre

Laufzeit bei unterjähriger Zahlung:

aa) vorschüssig =9,619

bb) minus 1/2 Unterschied =0,251

cc) Vervielfacher =9,368

C. Vervielfacher für 12 Jahre Laufzeit:

a) vorschüssig =9,093

b) nachschüssig =8,619

c) Unterschied =0,474

d) davon 1/2 (wie oben B, d) =0,237

e) Vervielfacher für 12 Jahre

Laufzeit bei unterjähriger Zahlung:

aa) vorschüssig =9,093

bb minus 1/2 Unterschied =0,237

cc) Vervielfacher =8,856

D. Vervielfacher für 13 Jahre

(unterjährig) =9,368

Vervielfacher für 12 Jahre

(unterjährig) =8,856

Unterschied =0,512

Von diesem Unterschied ent-

fallen auf zwei Monate

1/6 = 0,085 und auf 10 Monate

5/6 = 0,427.

E. Vervielfacher für 12 Jahre

und 10 Monate Laufzeit bei

unterjähriger Zahlungsweise:

a) Vervielfacher 12 Jahre =8,856

b) Vervielfacher 10 Monate =0,427

c) Summe =9,283

F. Kapitalwert der Teilrente

= 20 448 DM x 9,283 = 189 819 DM.

c) Der Kapitalwert der Rentenlast der Klägerin beträgt damit 159 552 DM + 189 819 DM = 349 371 DM.

5. Zu dem Einwand des FA, die Rentenverpflichtung der Klägerin müsse im Zusammenhang mit dem Ansatz der Rente bei der Veräußerin gesehen werden, kann der Senat nicht Stellung nehmen, weil in diesem Verfahren nur über die Schuldverpflichtung der Klägerin zu entscheiden ist. Im übrigen teilt der Senat aber die Auffassung des FA, daß der Rentenverpflichtung der Klägerin ein gleichhoher Kapitalwert der Rente bei der Veräußerin entspricht.

6. Die Bewertung des Wohnrechts durch das FA unter Anwendung des Vervielfachers, der dem Lebensalter der Veräußerin als der Jüngsten der beiden berechtigten Ehegatten entspricht, ist in Übereinstimmung mit dem FG nicht zu beanstanden.

7. Die Klägerin hat gegen die Vorentscheidung nicht Revision eingelegt. Deshalb kann der vorstehend ermittelte Kapitalwert nicht in voller Höhe bei der Einheitsbewertung ihres Betriebsvermögens als Schuldposten berücksichtigt werden. Er gleicht aber jedenfalls die mögliche Erhöhung des Einheitswerts aus, die sich nach der Rechtsauffassung des FA ergeben würde, daß die Steuernachholungen durch die Betriebsprüfung nur mit dem abgezinsten Betrag als Schuld abzuziehen seien. Die Vorentscheidung ist deshalb im Rahmen der Nachprüfungsmöglichkeit durch das Revisionsgericht nicht zu beanstanden (§ 126 Abs. 4 FGO). Die Revision des FA konnte deshalb keinen Erfolg haben.

 

Fundstellen

BStBl II 1972, 665

BFHE 1972, 91

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