Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Bei Gebäuden stehen die erhöhten Absetzungen nach § 16 BHG 1962 nur dem Hersteller, nicht dem Erwerber zu. Diese erhöhten Absetzungen sind nur insoweit zulässig, als die Gebäude zum notwendigen Betriebsvermögen gehören.

 

Normenkette

BHG § 16

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 26.06.1969; Aktenzeichen 1 BvR 381/66)

 

Tatbestand

Zu entscheiden ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1963, ob und in welcher Höhe die Revisionskläger (Steuerpflichtigen - Stpfl. -) von einem teils eigenbetrieblich, teils durch Vermietung genutzten Gebäude, das der steuerpflichtige Ehemann in Berlin (West) erworben hatte, erhöhte Absetzungen nach § 16 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung vom 26. Juli 1962 (BGH 1962) - im folgenden BHG - (BStBl 1962 I S. 997) vornehmen durften. Der Hauptbetrieb des Stpfl. lag im Bundesgebiet. Der Stpfl. ermittelte den Gewinn nach § 5 EStG. Ende 1963 erwarb er in Berlin (West) ein bebautes Grundstück für 874.326 DM. Von dem Kaufpreis entfielen 39.345 DM auf den Grund und Boden. Das Gebäude hatte eine Nutzfläche von 925,10 qm. Hiervon benutzte der Stpfl. 44,98 qm für eine Betriebsstätte, 354,01 qm vermietete er zu gewerblichen Zwecken und 526,11 qm überließ er dem Land Berlin.

Der Stpfl. behandelte das ganze Grundstück als Betriebsvermögen und nahm im Streitjahr nach § 16 BHG eine Absetzung in Höhe von 37,5 v. H. der Anschaffungskosten des Gebäudes (= 313.118 D) vor. Das Finanzamt (FA) vertrat bei der Veranlagung die Auffassung, daß nur der eigenbetrieblich genutzte Grundstücksteil zum Betriebsvermögen und der übrige Teil zum Privatvermögen gehöre. Deshalb ließ es bei der Veranlagung die erhöhte Absetzung nur von den Anschaffungskosten, die auf den eigenbetrieblich genutzten Teil ( 5 v. H.) entfielen, zu. Das ergab einen absetzbaren Betrag von 15.656 DM.

Die von den Stpfl. statt des Einspruchs eingelegte Berufung wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurück. Es führte unter Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) I 103/60 S vom 22. November 1960 (BStBl 1961 III S. 97, Slg. Bd. 72 S. 259) und IV 99/63 S vom 12. November 1964 (BStBl 1965 III S. 46, Slg. Bd. 81 S. 128) aus, die Aufnahme des ganzen Grundstücks in das Betriebsvermögen scheitere schon daran, daß nur ein nicht wesentlicher Teil von 5 v. H. des Gebäudes eigenbetrieblichen Zwecken diene. Außerdem habe der übrige Teil des Grundstücks nicht in dem vom BFH geforderten objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb gestanden (vgl. BFH-Urteile VI 10/60 S vom 15. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 484, Slg. Bd. 71 S. 625; I 185/59 S vom 19. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 485, Slg. Bd. 71 S. 629, und IV 305/69 U vom 1. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 154, Slg. Bd. 72 S. 419).

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. der Stpfl., die als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 115 FGO), ist im Ergebnis nicht begründet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ansicht des FG richtig ist, der Stpfl. habe nach der damaligen Rechtsprechung das Gebäude nicht in vollem Umfange als Betriebsvermögen behandeln dürfen. Zweifel ergeben sich insofern, als der betrieblich genutzte, also zum notwendigen Betriebsvermögen gehörende Teil einen nicht unerheblichen Wert hatte. Die vom FG im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil I 103/60 S vom 22. November 1960, BStBl 1961 III S. 97, Slg. Bd. 72 S. 259) für die Behandlung eines Wirtschaftsgutes als gewillkürtes Betriebsvermögen geforderte weitere Voraussetzung, daß es zu dem Betrieb in einem gewissen objektiven Zusammenhang stehen und ihm zu dienen bestimmt und geeignet sein müsse, schwächte der Senat in dem im Einvernehmen mit dem I. und VI. Senat ergangenen Urteil IV 167/64 U vom 10. Dezember 1964 (BStBl 1965 III S. 377, Slg. Bd. 82 S. 356) dahin ab, daß Vollkaufleute den Umfang ihres Gewerbebetriebs grundsätzlich bestimmen und im allgemeinen der Nutzung fähige Wirtschaftsgüter zum gewillkürten Betriebsvermögen machen können, soweit sie damit nicht den Charakter ihrer Tätigkeit als Gewerbetreibende ändern oder es sich um notwendiges Privatvermögen handelt.

Selbst wenn man danach den nicht eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteil als gewillkürtes Betriebsvermögen ansähe, dürfte der Stpfl. die erhöhten Absetzungen nach § 16 BHG von diesem Teil nicht vornehmen; denn erhöhte Absetzungen nach § 16 BHG sind nur von solchen Wirtschaftsgütern zulässig, die zum notwendigen Betriebsvermögen gehören. Zwar macht § 16 BHG keinen ausdrücklichen Unterschied zwischen zum notwendigen und zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern; er spricht allgemein von "absetzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens". Aus dem Sinn und Zweck des BHG ergibt sich aber, daß die erhöhten Absetzungen nur von Wirtschaftsgütern vorgenommen werden dürfen, die zum notwendigen Betriebsvermögen gehören. Zweck des § 16 BHG ist es, die Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung der Berliner Wirtschaft zu sichern und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu begünstigen, wie auch die Gesetzesmaterialien erkennen lassen (vgl. Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Bd. 61 Drucksache 949; Bundesrat, Drucksachen 91/59 und 95/59). Dieses Ziel ist nicht dadurch zu erreichen, daß man den Bau von Gebäuden - zum gewillkürten Betriebsvermögen gehörende, bewegliche und abnutzbare Wirtschaftsgüter kommen sehr selten vor - ohne Rücksicht darauf anregt, ob sie dem notwendigen Betriebsvermögen zuzurechnen sind oder nicht. Denn baut ein Steuerpflichtiger in Berlin (West) ein Gebäude, wird die Berliner Wirtschaftskraft nur dann auf die Dauer vermehrt, wenn er dieses Gebäude auch eigenbetrieblich nutzt. Ebenso werden zusätzliche Dauerarbeitsplätze durch den Bau des Gebäudes nur durch dessen eigenbetriebliche Nutzung geschaffen.

§ 16 Abs. 4 BHG, nach dem die erhöhten Absetzungen von Gebäuden, die zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dienen, nicht vorgenommen werden dürfen, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Er hat vielmehr zur Folge, daß durch § 16 BHG der Bau von zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Gebäuden nicht gefördert wird, wenn sie zu mehr als zwei Drittel Wohnzwecken dienen. Daß derartige Gebäude zum notwendigen Betriebsvermögen rechnen, ist keine Seltenheit. Dies trifft z. B. bei juristischen Personen, die nur notwendiges Betriebsvermögen haben (Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, usw.) ebenso zu wie bei Unternehmern, die die Gebäude an ihre eigene Arbeitnehmer zu Wohnzwecken vermieten.

Die erhöhten Absetzungen waren, auch soweit es sich um den zum notwendigen Betriebsvermögen gehörenden Gebäudeteil handelt, auch noch aus einem anderen Grunde unzulässig. Nach § 16 BHG können Steuerpflichtige, die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, bei bestimmten abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens an Stelle der nach § 7 EStG zu bemessenden Absetzungen für Abnutzung (AfA) erhöhte Absetzungen vornehmen. Zur Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen bei Gebäuden ist - abgesehen von den weiteren Voraussetzungen - nur derjenige befugt, der das Gebäude errichtet hat. Zwar schreibt § 16 Abs. 1 Satz 1 BGH vor, daß die erhöhten Absetzungen von abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vorgenommen werden dürfen, die nach dem 31. Dezember 1958 und vor dem 1. Januar 1965 angeschafft oder hergestellt worden sind. Die Vorschrift selbst schränkt diese allgemeine Fassung aber dadurch ein, daß sie die erhöhten Absetzungen nur dann zuläßt, wenn die in § 16 Abs. 2 BHG genannten Voraussetzungen gegeben sind (vgl. Urteil des Senats IV 215/62 U vom 6. August 1964, BStBl 1964 III S. 575, Slg. Bd. 80 S. 279). Als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen von Wirtschaftsgütern des unbeweglichen Anlagevermögens verlangt § 16 Abs. 2 Ziff. 2 BHG, daß sie "in Berlin (West) errichtet werden". Aus den Worten "errichtet werden" ist zu entnehmen, daß nur die Hersteller von Wirtschaftsgütern des unbeweglichen Anlagevermögens in den Genuß der erhöhten Absetzungen kommen können. Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, auch bei Erwerb von derartigen Wirtschaftsgütern die erhöhten Absetzungen zu gewähren, hätte er statt der Worte "errichtet werden" die sich nur auf den Hersteller beziehen können z. B. die Fassung "errichtet worden sind oder errichtet werden" wählen müssen. Da das nicht geschehen ist, ist bei angeschafften Gebäuden die Begünstigung nicht gegeben.

Schon in dem früheren Urteil IV 90/63 S vom 27. Februar 1964 (BStBl 1964 III S. 296, Slg. Bd. 79 S. 175) legte der Senat den § 16 BHG, der einen ganz außergewöhnlichen Steuervorteil gewährt, einengend dahin aus, daß das Gebäude innerhalb des Begünstigungszeitraums errichtet sein muß. Die Frage ob die Begünstigung nur dem Hersteller oder auch einem Erwerber gewährt werden kann, war damals nicht zu entscheiden. Denn die Begünstigung schied schon deshalb aus, weil das Gebäude vor dem Beginn des Begünstigungszeitraums am 1. Januar 1959 errichtet worden war.

Aber nicht nur die Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch die Auslegung nach dem Zweck des Gesetzes muß dazu führen, nur den Herstellern von Wirtschaftsgütern des unbeweglichen Anlagevermögens die erhöhten Absetzungen nach § 16 BHG zu gewähren. Der Zweck der Vorschrift, die Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung der Berliner Wirtschaft zu sichern sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu erreichen, kann am besten und vor allem ohne schädliche Nebenwirkungen nur dann erfüllt werden, wenn man lediglich den Herstellern von unbeweglichen Wirtschaftsgütern die erhöhten Absetzungen zugesteht. Auf diese Weise wird ein Anreiz geschaffen, neue Betriebsgebäude zu errichten und nicht bereits vorhandene zu kaufen. Durch den Bau von Gebäuden wird für die Beschäftigung des Berliner Baugewerbes und für die Schaffung zusätzlicher gewerblich nutzbarer Räume sowie weiterer Arbeitsplätze gesorgt, während sich beim Ankauf von bereits vorhandenen Betriebsgebäuden diese erwünschten Wirkungen nicht ergeben.

Außerdem entspricht diese Auslegung des § 18 BHG 1962 der Absicht, die Steuerpflichtigen, die in Berlin (West) eine Betriebsstätte eingerichtet und ein Gebäude erbaut haben, auf längere Zeit an Berlin (West) zu binden, was für die Stabilität der Berliner Wirtschaft von Bedeutung ist. Denn würde man auch den Käufern von Betriebsgebäuden die erhöhten Absetzungen gewähren, würde das zu spekulativen Bewegungen auf dem Berliner Grundstücksmarkt und zur Erhöhung der Preise für die betreffenden Grundstücke führen, die nicht auf den Wert der Grundstücke, sondern auf die zu erwartenden Steuervergünstigungen zurückzuführen wären. Auch wäre auf diese Weise dem Mißbrauch des § 16 BHG Tür und Tor geöffnet, weil es naheläge, die Gebäude nicht auf längere Zeit betrieblich zu nutzen, sondern sie sofort nach Vornahme der erhöhten Absetzungen möglichst im Zug einer Teibetriebsveräußerung zu verkaufen und so die Besteuerung des Veräußerungsgewinns mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz (§ 16 Abs. 1 Ziff. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 und 2 EStG) und dessen Nichtheranziehung zur Gewerbesteuer zu erreichen. Die jeweiligen Erwerber hätten die gleichen Möglichkeiten. Daraus würden sich in kurzer Zeit verdeckte Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln ergeben, deren Höhe die beim Erwerb der Gebäude angelegten Eigenmittel um ein Mehrfaches übersteigt, ohne daß in vielen Fällen die Möglichkeit der Anwendung des § 6 StAnpG bestünde.

Dieser Auslegung des § 16 BHG steht es nicht entgegen, daß bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die nach ihrer Anschaffung oder Herstellung mindestens drei Jahre in einer in Berlin (West) gelegenen Betriebstätte verbleiben, nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil des Senats IV 13/63 U vom 18. Februar 1965, BStBl 1965 III S. 362, Slg. Bd. 82 S. 322), die erhöhten Absetzungen selbst dann gewährt werden, wenn sie vor Ablauf der drei Jahre an einen anderen Unternehmer zur Verwendung in einer in Berlin (West) gelegenen Betriebstätte veräußert werden. Denn abgesehen davon, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für bewegliche Wirtschaftsgüter andere sind als für unbewegliche, werden bewegliche Wirtschaftsgüter im Gegensatz zu Gebäuden in der Regel nur angeschafft oder hergestellt, wenn für sie im Betrieb ein Bedarf besteht. Sie sind im allgemeinen mehr auf die Bedürfnisse des einzelnen Betriebs zugeschnitten als Gebäude, wodurch ihre Veräußerung erschwert wird. Außerdem ist bei ihnen bei Anwendung des § 16 BHG wegen ihrer in der Regel weit geringeren Anschaffungs- oder Herstellungskosten und erheblich kürzeren Nutzungsdauer die Steuerersparnis nicht so groß, daß die Belassung der Steuervergünstigung bei der Veräußerung einen Anreiz zum Verkauf bilden könnte.

Obwohl der Stpfl. als Erwerber des Grundstücks die erhöhten Absetzungen auch nicht von dem eigenbetrieblich genutzten Teil des Gebäudes hätte vornehmen dürfen, war eine Abänderung der Vorentscheidung zu seinem Nachteil nicht möglich (§ 96 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 121 FGO). Der Senat braucht deshalb auch nicht zur Verfassungsmäßigkeit des § 16 BHG Stellung zu nehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412083

BStBl III 1966, 354

BFHE 1966, 24

BFHE 86, 24

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