Leitsatz (amtlich)

Bei einem überwiegend außerhalb von Berlin (West) eingesetzten Ausstellungsbus ist die räumliche und zeitliche Bindung an den Berliner Betrieb nur zu bejahen, wenn der Bus von diesem Betrieb dafür eingesetzt ist, für die Berliner Wirtschaft zu werben.

 

Normenkette

BHG 1964 § 19 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine GmbH in Berlin, ist im Jahre 1964 von den Teilhabern einer OHG in Westdeutschland gegründet worden. Die GmbH stellt Beschlagteile für Möbel her. Die OHG vertreibt die von der GmbH und anderen Unternehmen hergestellten Erzeugnisse im In- und Ausland.

Wegen des Umsatzrückganges im Jahr 1966 beschloß die Gesellschafterversammlung der Klägerin, einen Ausstellungsomnibus zur Förderung des Absatzes von Beschlägen anzuschaffen. Das in Westdeutschland hergestellte und für Ausstellungszwecke eingerichtete Fahrzeug wurde in den Betrieb der Klägerin überführt und in Berlin auf den Namen der Klägerin polizeilich zugelassen.

Mit dem Fahrzeug wird in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), in West- und Osteuropa für die Erzeugnisse geworben, die die OHG vertreibt und die teilweise von der Klägerin hergestellt worden sind. Für ungefähr acht Wochen im Jahr steht das Fahrzeug den Berliner Vertretern der Klägerin für Kundenbesuche in Berlin zur Verfügung. Die Klägerin erhält für Aufträge, die nicht Erzeugnisse der Klägerin betreffen, eine Umsatzprovision.

Die Klägerin hat in ihrem Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage für das Kalenderjahr 1966 auch die Anschaffungskosten für den Ausstellungsomnibus geltend gemacht. Das FA lehnte die Gewährung der Investitionszulage für das Fahrzeug ab.

Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG führte aus:

Das Fahrzeug erfülle zwar alle nach § 19 BHG 1964 an das Wirtschaftsgut selbst gestellten Anforderungen des gesetzlichen Tatbestandes und gehöre auch zum Anlagevermögen eines Betriebes in Berlin (West). Das Fahrzeug sei jedoch nicht mindestens drei Jahre nach seiner Anschaffung in dem Betrieb der Klägerin in Berlin (West) verblieben. Das Gesetz fordere eine dauerhafte zeitliche und räumliche Bindung des Wirtschaftsgutes an eine Berliner Betriebstätte. Das Tatbestandsmerkmal des Verbleibens in Berlin (West) gelte auch für Fahrzeuge, die ihrer Bestimmung nach nicht nur in Berlin verkehrten. Die polizeiliche Zulassung und der Standort in Berlin genügten nicht, um die dauerhafte Bindung an Berlin (West) in dem Begriff des Verbleibens ausreichend herzustellen.

Bei Ausstellungsfahrzeugen sei die räumliche Bindung nur gegeben, wenn sie ebenso wie Lastkraftwagen überwiegend im Verkehr von und nach Berlin (West) verwendet würden (Hinweis auf das Urteil des BFH VI R 5/68 vom 17. Mai 1968, BFH 92, 392, BStBl II 1968, 570). Der Austellungsbus stehe jedoch nur für acht Wochen im Jahr in der erforderlichen Beziehung zu Berlin (West). Den weitaus größten Teil des Jahres sei er ohne räumlichen Zusammenhang mit Berlin (West) eingesetzt. Bei seinen Reisen diene das Fahrzeug auch keineswegs allein dem Betriebszweck der Klägerin, sondern in mindestens ebenso großem Maße der OHG. Die OHG habe ausschließlich den Vertrieb der Waren beider Unternehmen in der Hand; sie werbe nur teilweise und auch nicht unmittelbar für die Erzeugnisse der Klägerin. Mit dem Ausstellungsfahrzeug werde für das Warenangebot der OHG geworben, wobei in diesem Angebot Erzeugnisse der Klägerin enthalten seien. Mit dem Fahrzeug werde nicht ausschließlich die Wirtschaft von Berlin (West) gefördert.

Mit der Revision macht die Klägerin Verletzung von Bundesrecht geltend. Sie trägt vor:

Die zu der Frage der Investitionszulage für Fahrzeuge ergangene BFH-Rechtsprechung könne nicht schematisch angewandt werden. Ein Lastkraftwagen könne zwar nur sinnvoll eingesetzt werden, wenn er täglich auf der gleichen Strecke Güter befördere. Bei ihrem Ausstellungsbus sei aber ein überwiegender Einsatz im Berlinverkehr völlig sinnlos. Seine Zweckbestimmung sei es, die von ihr produzierten Wirtschaftsgüter an möglichst vielen Orten Europas auszustellen und für sie zu werben.

Die Investitionszulage solle der Förderung der Investitionen in Berlin (West) dienen und damit die Berliner Wirtschaft stärken. Nach der Indienststellung des Fahrzeugs sei ihr Umsatz erheblich gestiegen. Durch das Fahrzeug seien neue Aufträge für den Betrieb hereingeholt worden. Wenn das FG darauf hinweise, daß mit dem Fahrzeug auch für Waren der OHG geworben werde, so übersehe es, daß das zulagefähige Wirtschaftsgut nicht ausschließlich eigenen betrieblichen Zwecken zu dienen brauche.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Zu den Vergünstigungen, die das BHG 1964 bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag gewährt, gehören die erhöhten Absetzungen für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (§ 14) und die Investitionszulage (§ 19). Bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens setzt die Gewährung der Vergünstigung in beiden Fällen voraus, daß die Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem in Berlin (West) belegenen Betrieb (Betriebstätte) verbleiben. Diese Voraussetzung ist bis zur derzeit geltenden Fassung des BHG beibehalten worden.

Zu dem gesetzlichen Dauertatbestand des Verbleibens hat der BFH in zahlreichen Urteilen Stellung genommen (z. B. außer in den von den Beteiligten bezeichneten Entscheidungen auch in den BFH-Urteilen IV 13/63 U vom 18. Februar 1965, BFH 82, 322, BStBl III 1965, 362; IV R 37/67 vom 10. August 1967, BFH 90, 80, BStBl III 1967, 750; VI R 257/67 vom 17. Mai 1968, BFH 92, 390, BStBl II 1968, 569; VI R 46/68 vom 24. Mai 1968, BFH 92, 396, BStBl II 1968, 573; I R 80/68 vom 11. Juni 1969, BFH 96, 82, BStBl II 1969, 516). Nach dieser Rechtsprechung ist die Gewährung der Vergünstigungen der §§ 14 und 19 BHG nur zulässig, wenn die beweglichen Wirtschaftgüter während des Dreijahreszeitraums ohne Unterbrechung zum Anlagevermögen eines Betriebs (einer Betriebstätte) in Berlin (West) gehören, wobei ein Eigentümerwechsel unschädlich ist (BFH-Urteile IV 13/63 U, a. a. O.; IV R 37/67, a. a. O.; VI R 46/68, a. a. O.). Bei Kraftfahrzeugen bleibt die Bindung an die Berliner Betriebstätte grundsätzlich auch dann erhalten, wenn sie den Raum von Berlin zwischendurch verlassen (BFH-Urteil VI R 196/67 vom 17. Mai 1968, BFH 92, 380, BStBl II 1968, 566). Das Verlassen kann jedoch zur Aufhebung der räumlichen und zeitlichen Bindung führen. Die Merkmale, nach denen die Bindung als noch bestehend anzusehen ist, lassen sich nur durch eine Auslegung des BHG ermitteln, die dem jeweiligen Sachverhalt und dem Zweck des Gesetzes gerecht wird. Bei Nutzfahrzeugen können und müssen die Merkmale je nach Wesensart und Zweckbestimmung unterschiedlich sein.

Der BFH hat bei einem Fahrzeug, das für den Güternahverkehr verwendet und in Berlin (West) polizeilich zugelassen worden ist, die räumliche und zeitliche Bindung an die Berliner Betriebstätte verneint, weil der Standort des Fahrzeugs mehrfach "vorübergehend" von Berlin (West) wegverlegt worden war (BFH-Urteil VI R 257/67, a. a. O.). Bei Lastkraftwagen, die zur Güterbeförderung in unbeschränkter Entfernung dienten, hat der BFH die notwendige Bindung an den Berliner Betrieb wegen der Besonderheiten des Transportgewerbes noch als vorhanden angesehen, wenn die Fahrzeuge während des Dreijahreszeitraumes in jedem Jahr überwiegend und regelmäßig, d. h. ohne größere zeitliche Unterbrechungen, Fahrten von und nach Berlin (West) ausführten, wenn also die Fahrten, in denen Berlin (West) nicht angelaufen wurde, nicht überwogen (BFH-Urteile VI R 5/68, a. a. O.; I R 80/68, a. a. O.).

Von dieser Rechtsprechung ist das FG ausgegangen. Danach würde, wenn es sich im Streitfall um ein Transportfahrzeug handeln würde, weder die polizeiliche Zulassung in Berlin (West) noch der auf ungefähr acht Wochen jährlich beschränkte Aufenthalt in Berlin genügen, um den erforderlichen Zusammenhang mit dem Westberliner Betrieb aufrechtzuerhalten. Der BFH hat jedoch bei der Auslegung des gesetzlichen Erfordernisses der räumlichen und zeitlichen Bindung im Falle des Einsatzes von Fernlastzügen von und nach Berlin (West) den Besonderheiten der Branche gerecht zu werden versucht. Das gleiche muß auch im Streitfall gelten.

Bei einem Ausstellungsbus, der einem fahrbaren Messestand verglichen werden kann, wird für die Feststellung der räumlichen und zeitlichen Bindung an die Betriebsstätte in Berlin (West) nicht gefordert werden können, daß das Fahrzeug überwiegend und ohne größere zeitliche Unterbrechung im Verkehr von und nach Berlin (West) eingesetzt wird. Das Fahrzeug würde damit seinen Zweck, im In- und Ausland für die Erzeugnisse der Berliner Wirtschaft zu werben, verfehlen. Die Bindung läßt sich deshalb nicht durch häufige und regelmäßige körperliche Anwesenheit des Fahrzeugs in Berlin (West) verwirklichen. Es muß in diesem Sonderfall genügen, wenn das Fahrzeug vorwiegend funktionell an Berlin (West) gebunden ist. Dafür reichen allerdings das Berliner polizeiliche Kennzeichen des Wagens und seine buchmäßige Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen eines Betriebes in Berlin (West) nicht aus. Die Zugehörigkeit muß sich vielmehr auch durch den Einsatz des Wagens selbst ausdrücken. Für jeden Besucher des Wagens müßte z. B. durch Prospekte, Plakate und andere Werbemittel deutlich werden, daß er angeregt werden soll, Berliner Erzeugnisse oder doch jedenfalls bei einer Berliner Firma zu kaufen. Es mag aus Gründen zweckmäßiger wirtschaftlicher Ausnutzung unschädlich sein, wenn der Ausstellungsbus auch für eine andere Firma, also nicht ausschließlich für die Berliner Firma eingesetzt wird. Immer aber muß der Einsatz für das Berliner Unternehmen im Vordergrund stehen, wenn die funktionelle Bindung zu diesem Betrieb bejaht werden soll.

Das FG hat festgestellt, daß das westdeutsche Unternehmen nur teilweise und auch nicht unmittelbar für die Klägerin geworben hat, daß vielmehr mit dem Ausstellungsbus für das Warenangebot der OHG geworben worden ist. In dessen Angebot seien auch Erzeugnisse der Klägerin enthalten gewesen. Gegen diese Feststellungen hat die Klägerin keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht. Das Revisionsgericht ist deshalb nach § 118 Abs. 2 FGO an diese Feststellungen gebunden.

Die Feststellungen des FG rechtfertigen den Schluß, daß mit dem Ausstellungsbus die nach Art und Umfang erforderliche Werbung für den Westberliner Betrieb nicht durchgeführt worden ist, die notwendige funktionelle Bindung an das Unternehmen in Berlin (West) also nicht bestanden hat. Die Investitionszulage für die Anschaffungskosten des Ausstellungsbusses war deshalb zu Recht verneint worden.

 

Fundstellen

BStBl II 1971, 155

BFHE 1971, 558

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