Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht, Abgabenordnung, Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Wert des Streitgegenstandes ist im Rechtsmittelverfahren betreffend Feststellung von Einheitswerten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe für die Zeit vor der Währungsumstellung in RM, für die Zeit danach in DM zu berechnen. Reicht der Feststellungszeitraum in beide Zeiträume hinein, so ist der Streitwert nach dem Verhältnis der RM- und DM-Zeitspannen aufzuteilen und der für die RM-Zeitspanne ermittelte RM-Betrag in DM umzurechnen.

Die Zu- und Abschläge am Vergleichswert eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes können nicht ohne weiteres nach den erzielten Reinerträgen eines Nebenbetriebes bemessen werden.

 

Normenkette

AO § 320 Abs. 1, § 255/1; BewG § 40; BewDV § 17

 

Tatbestand

Der Einheitswert des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens des Beschwerdeführers (Bf.) in X ist zum 1. Januar 1935 auf 61.000 RM festgestellt worden. Später hat sich bei einer Betriebsprüfung ergeben, daß der Bf. neben der Land- und Forstwirtschaft Hengste hält und Pferde züchtet. Das Finanzamt hat im Hinblick auf die Hengsthaltung den Einheitswert auf den 1. Januar 1946 fortgeschrieben; es ist hierbei - auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung über die Reinerträge der Hengsthaltung während der Jahre 1938 bis zur Währungsumstellung - von 300 RM jährlichen Durchschnitts-Reinerträgen je Hengst und einem Mindestbestand von 4 Hengsten ausgegangen und hat den Jahresreinertrag von 1.200 RM gemäß § 17 der Reichsbewertungs-Durchführungsverordnung (RBewDV) mit 18 vervielfältigt. Auf diese Weise hat sich ein fortgeschriebener Einheitswert

von ---------- 61.000 RM zuzüglich ---- 21.600 RM im ganzen ---- 82.600 RM ergeben.Der Einspruch des Bf. hiergegen ist ohne Erfolg geblieben. Das Finanzgericht hat auf die Berufung des Bf. den Fortschreibungswert vom 1. Januar 1946 auf 95.000 RM erhöht, weil sich bei einer Nachprüfung des Forstbestandes des Bf. herausgestellt hat, daß es sich nicht um 22,5 ha zu je 162 RM, sondern um 15,37 ha zu je 556 RM handelt. In dem Urteil des Finanzgerichts ist der Wert des Streitgegenstandes auf 32,40 DM beziffert. Das Urteil ist am 31. Mai 1950 ergangen und am 12. Juni 1950 zugestellt. Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist am 7. Juli 1950 eingegangen.

 

Entscheidungsgründe

Was zunächst die Zulässigkeit der Rb. betrifft, so ist ein Streitwert von mehr als 200 DM gemäß § 6 Absatz 2 des Gesetzes über den Bundesfinanzhof vom 29. Juni 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1950 S. 257) erforderlich. Streitig ist im vorliegenden Falle der Betrag von 21.600 RM bzw. DM des Einheitswerts. Nach dem Gutachten des Reichsfinanzhofs III D 1/37 vom 15. Juli 1937 Slg. Bd. 42 S. 12) war der Wert des Streitgegenstandes im Rechtsmittelverfahren betr. Einheitswertbescheide nach dem Reichsbewertungsgesetz 1934 bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken in der Regel auf 15 v. T. des streitigen Wertunterschiedes zu bestimmen. Seitdem haben sich die für die Ermittlung des Streitwertes in Einheitswertsachen maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere durch die Erhöhung der Vermögensteuer, beträchtlich verschoben. Der Satz von 15 v. T. des streitigen Wertunterschiedes reicht daher für die Bemessung des Streitwertes bei der Einheitsbewertung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken nicht mehr aus, sondern ist angemessen zu erhöhen. Nach einem koordinierenden Beschluß der Vertreter der Finanzverwaltungen der Länder des Bundesgebietes (vgl. Erlaß des Finanzministers für Württemberg-Baden vom 16. November 1950, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 Teil II S. 26) ist nunmehr für die Ermittlung des Streitwertes im Rechtsmittelverfahren betr. Einheitswertbescheide bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben ein Richtsatz von 25 v. T. des streitigen Wertunterschiedes anzuwenden. Der Senat trägt keine Bedenken, diesen Satz als Richtlinie für den Regelfall anzuerkennen.

Hiernach berechnet sich der Wert des Streitgegenstandes auf 25 v. T. von 21.600 RM/DM, d. h. auf 540 RM/DM. Für die Zeit bis zur Währungsumstellung ist der streitige Wertunterschied in RM, für die Zeit nachher dagegen in DM anzusetzen. Da der Einheitswert 1946 voraussichtlich nicht vor dem 1. Januar 1952 auf Grund einer neuen Hauptfeststellung durch einen neuen Einheitswert abgelöst werden wird, ist seine Geltungsdauer auf sechs Jahre zu schätzen. Das Verhältnis der RM-Zeit zur DM-Zeit für seine Geltungsdauer beträgt also etwa 2 1/2 : 3 1/2. Die Zahl 540 ist daher nach dem Verhältnis 5 : 7 aufzuteilen. Dies ergibt:

225 RM = 22,50 DM und --- 315,-- DM insgesamt 337,50 DM Wert des Streitgegen= standes.Demnach ist die Rb. zulässig.

Das angefochtene Urteil ist insofern nicht frei von Rechtsirrtum, als es der Bewertung ausschließlich die Reinerträge der dem Bewertungsstichtage vorangegangenen Jahre aus der Hengsthaltung zugrunde legt. Den Reinerträgen des Nebenbetriebes in den zurückliegenden Jahren braucht indessen nicht der nachhaltig erzielbare Mehrertrag des landwirtschaftlichen Hauptbetriebes zu entsprechen. Dies ist besonders dann möglich, wenn, wie der Bf. geltend gemacht hat, die gewählten Reinerträge Ergebnisse von Scheinkonjunkturjahren darstellen. Nach § 17 RBewDV ist für die Bemessung der Abschläge und Zuschläge in den Fällen des § 40 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) von dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Ertrag auszugehen, der beim Vorliegen der regelmäßigen Verhältnisse, wie sie bei der Ermittlung des Hektarsatzes unterstellt worden sind, zu erzielen wäre, und demjenigen Ertrag, den der landwirtschaftliche Betrieb in seinem tatsächlichen Zustande nachhaltig erzielen kann. Das Finanzgericht hat indessen auf den durchschnittlichen Reinertrag aus dem Nebenbetrieb der Hengsthaltung abgestellt. Dies ist unrichtig. Es kommt auf den nachhaltig erzielbaren Mehrertrag des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes in seinem tatsächlichen Zustande, d. h. unter Einbeziehung der Hengsthaltung und gegebenenfalls der Pferdezucht an.

Dies hat das Finanzgericht verkannt. Die Gründe, die das angefochtene Urteil dafür angibt, daß zwar die Hengsthaltung, nicht jedoch die Pferdezucht für den Ansatz dieses Zuschlags gemäß § 17 RBewDV in Betracht kommt, vermögen nicht zu überzeugen. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung an das Finanzamt zurückzuverweisen.

Angesichts der Bedeutung der einschlägigen landwirtschaftlichen Fragen wird das Finanzamt zweckmäßig eine gutachtliche äußerung der zuständigen Landwirtschaftskammer über den nachhaltig erzielbaren Mehrertrag des landwirtschaftlichen Betriebes des Bf. einholen. Dabei wird auch zu untersuchen sein, inwieweit bei der Pferdezucht mit weniger günstigen Ertragsergebnissen als bei der Hengsthaltung zu rechnen war.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407281

BStBl III 1951, 198

BFHE 1952, 490

BFHE 55, 490

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