Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Ermittlung der steuerbegünstigten Einkünfte aus außerordentlichen Waldnutzungen und aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzungen) bleiben die den Forstbetrieb allgemein belastenden Betriebsausgaben (Generalunkosten) außer Ansatz.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 3, § 34b

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Ermittlung der steuerbegünstigten Einkünfte aus einer Kalamitätsnutzung (ß 34 Abs. 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - 1953) neben den unmittelbaren Holzwerbungskosten auch die anteiligen allgemeinen Unkosten (Generalunkosten) als Ausgaben anzusetzen sind.

Der am 20. Januar 1955 verstorbene Ehemann der Beschwerdegegnerin (Bgin.) war unter anderem Inhaber eines nachhaltig bewirtschafteten Forstbetriebes. In den auf das Streitjahr entfallenden Wirtschaftsjahren hatte er infolge Windbruchs erhöhte Waldnutzungen, deren Reinerlös unter Ansatz der Holzeinschlagskosten und der anteiligen Generalunkosten 99.010 DM betrug. Das Finanzamt stellte das Einkommen auf 112.992 DM fest und gewährte die Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG für die vorgenannten 99.010 DM; die darüber hinausgehenden 13.982 DM wurden nach der Tabelle versteuert. Das Finanzgericht gab der Sprungberufung der Bgin. statt und setzte die Einkommensteuer auf 13.559 DM fest. Unter Berufung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1069/30 vom 12. November 1931 (Reichssteuerblatt 1932 S. 134) war das Finanzgericht der Auffassung, daß das gesamte Einkommen nach dem begünstigten Steuersatz des § 34 Abs. 3 Satz 3 EStG zu besteuern sei. Bei der Ermittlung der Einkünfte aus den Kalamitätsnutzungen hätten die Generalunkosten des Forstbetriebes außer Ansatz bleiben müssen, da diese als Betriebsausgaben nur bei den ordentlichen Waldnutzungen zu berücksichtigen seien. Die dem widersprechende Anweisung der Verwaltung in Abschn. 160 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1953 stehe nicht im Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 34 Abs. 3 EStG 1953.

In seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, daß für die strittige Frage eine Berufung auf das angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1069/30 nicht in Betracht kommen könne, da dieses Urteil sich nicht mit den Fall einer Kalamitätsnutzung, sondern mit einer außerordentlichen Waldnutzung befaßt habe. Dies könne auch nicht auf dem Umweg über die Urteile des Reichsfinanzhofs VI A 1040/33 vom 1. Februar 1934 (Reichssteuerblatt 1934 S. 522) und VI A 721/30 vom 28. Mai 1930 (Reichssteuerblatt 1930 S. 584) geschehen, da die letztgenannte Entscheidung die anders geartete Frage des Steuersatzes betroffen habe. Das Urteil des Finanzgerichts führe zu einer doppelten Begünstigung, nämlich einmal zu einer Ermäßigung des Steuersatzes und zum anderen durch die Art der Gewinnermittlung. Diese Erkenntnis liege auch der änderung im Abschn. 160 Abs. 3 EStR 1953 zugrunde.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Für die Frage, bei welcher Holznutzung die allgemeinen Unkosten eines nachhaltig bewirtschafteten Forstbetriebes zu verrechnen sind, muß bis zum Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung in Abs. 2 des § 34b EStG 1955 an den durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs in den angeführten Entscheidungen VI A 1069/30 und VI A 1040/33 entwickelten Grundsätzen festgehalten werden. Aus der für die in Anspruch genommene Steuervergünstigung einschlägigen Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG 1953, nach der Einkünfte aus außerordentlichen Waldnutzungen und aus Waldnutzungen infolge höherer Gewalt (Kalamitätsnutzungen) nach ermäßigten Steuersätzen versteuert werden können, ergibt sich nicht, welche Betriebsausgaben bei der Ermittlung dieser Einkünfte zu berücksichtigen sind. Entsprechende Ermäßigungsvorschriften für diese besonderen Waldnutzungen waren bereits in § 59 EStG 1925 gegeben. Auch hier fehlte eine nähere Bestimmung hinsichtlich der zu berücksichtigenden Ausgaben. Der Reichsfinanzhof hat in den angeführten Entscheidungen die Auffassung vertreten, daß die Steuervergünstigung für außerordentliche Waldnutzungen dem Ausgleich der Progression des Tarifs und die für Kalamitätsnutzungen dem Ausgleich des eingetretenen wirtschaftlichen Schadens dienen sollen. Diesen Zweckbestimmungen der Steuervergünstigungen würde es widersprechen, wenn die zu begünstigenden Einkünfte um Betriebsausgaben gekürzt würden, die mit diesen in keinem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stünden. Die allgemeinen Unkosten des Forstbetriebes seien deshalb als Unkosten zu behandeln, die den allgemeinen Hiebsatz belasten. Der Forstwirt könne diese allgemeinen Unkosten auch dann von seinen Einnahmen abziehen, wenn ihm in einem Jahr Einnahmen aus dem Wald nicht zugeflossen seien. Kosten der allgemeinen Verwaltung, Realsteuern, Schuldzinsen, Schadenersatzleistungen für Wildschäden, einmalige auf den Waldbesitz gelegte Sonderabgaben und ähnliches seien als Lasten anzusehen, die den nachhaltigen Ertrag, wie er in der ordentlichen Waldnutzung zum Ausdruck komme, mindern. Es erscheine deshalb jedenfalls bei Nachhaltsbetrieben gerechtfertigt, bei der Verteilung der angefallenen Unkosten auf die Einnahmen aus ordentlichen und aus außerordentlichen Waldnutzungen bei den letzteren nur die unmittelbar diese betreffenden Kosten wie Holzfällerlöhne, Abfuhrkosten und ähnliches anzusetzen. Der erkennende Senat ist in übereinstimmung mit dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 136/43 vom 7. Juni 1944 (Steuer und Wirtschaft 1953 Nr. 158) der Auffassung, daß diese Grundsätze auch im Rahmen des § 34 Abs. 3 EStG 1934/1953 Anwendung finden müssen. Dieser Auffassung hatte auch die Praxis entsprochen (vgl. Abschn. 220 Abs. 3 EStR 1950).

Die mit der Rb. vorgetragenen Einwendungen vermögen den erkennenden Senat nicht zu veranlassen, die durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entwickelten Grundsätze über die Verrechnung der Generalunkosten aufzugeben. Die Rb. verkennt, daß die angeführten Urteile des Reichsfinanzhofs die folgerichtige Entwicklung einer Rechtsprechung aufzeigen, durch die die Verrechnung der Generalunkosten auf die Einnahmen aus ordentlichen Waldnutzungen beschränkt wurde. Diese Beschränkung entspricht nach Auffassung des Senats dem Sinn der durch § 34 Abs. 3 EStG 1953 gegebenen Steuervergünstigung. Daß ein Teil der aufgewendeten Generalunkosten unter Umständen sich auch bei den besonderen Waldnutzungen förderlich ausgewirkt haben kann, vermag ihre beschränkte Verrechnung nicht auszuschließen. Auch der weitere Umstand, daß bei einer Kalamitätsnutzung die besondere steuerliche Begünstigung auch dann nicht ausgeschlossen ist, soweit diese innerhalb des Normaleinschlages liegt, vermag zu einer anderen Beurteilung nicht zu führen.

Von diesen Grundsätzen ist auch das Urteil des erkennenden Senats IV 476 - 478/53 U vom 31. Mai 1954 (Slg. Bd. 59 S. 52, Bundessteuerblatt 1954 III S. 229) ausgegangen; es hat die angeführten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs hinsichtlich der Verrechnung der Generalunkosten grundsätzlich bestätigt. In diesem Urteil hat der Senat aber auch ausgesprochen, daß auch die Wiederaufforstungskosten bei Kahlschlägen zu den mit einer außerordentlichen Waldnutzung oder mit einer Kalamitätsnutzung zusammenhängenden Aufwendungen gehören und bei einem Nachhaltbetrieb mit den Einnahmen dieser besonderen Waldnutzung verrechnet werden müssen (vgl. auch das nicht amtlich veröffentlichte Urteil des Senats IV 273/54 vom 7. Juli 1955 in "Information" L 1955 S. 268).

Ob im Streitfall bei den auf den Veranlagungszeitraum 1954 entfallenden Kalamitätsnutzungen Kahlschläge erfolgt und demgemäß Wiederaufforstungskosten bei der Ermittlung der steuerbegünstigten Einnahmen zu berücksichtigen sind, ist durch die Vorentscheidung nicht festgestellt worden. Das Finanzgericht ist bei seiner Entscheidung von den Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht ausgegangen, der in Textziffer 23 als besondere Unkosten im Sinn der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nur Hauerlöhne, die auf diese entfallenden Soziallasten und die Umsatzsteuer angeführt und die auf das Streitjahr entfallende Kalamitätsnutzung auf 130.069 DM errechnet hat. Bei einem etwa erforderlichen Ansatz von Wiederaufforstungskosten würde sich eine geringere Kalamitätsnutzung ergeben. Die Vorentscheidung war aus diesem Grund wegen mangelnder Sachaufklärung und der damit bedingten Möglichkeit eines Rechtsirrtums aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409053

BStBl III 1958, 225

BFHE 1958, 583

BFHE 66, 583

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge