Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Versorgungsanspruch eines Arbeitnehmers, der über das Pensionierungsalter hinaus weiter aktiv tätig ist (sogenannter technischer Rentner), ist beim Arbeitgeber als Pensionsanwartschaft und nicht als Pension zu bewerten.

Bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sind in der Regel Ruhegehälter und Pensionsverpflichtungen für Arbeitnehmer im Einheitswerte enthalten. Bei der Ermittlung des Gesamtvermögens erfolgt daher regelmäßig kein gesonderter Abzug des Kapitalwertes dieser Bezüge als Schuld.

 

Normenkette

BewG §§ 21, 31, 36, 38, 73, 114, 74/1/2, § 118/1/2; VStG § 7

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei den Vermögensteuerveranlagungen 1953 und 1954 die Kapitalwerte der an drei Arbeiter bzw. an die Witwe eines Kutschers gezahlten Renten sowie der Pensionsanspruch des damals noch im Dienst befindlichen Inspektors als Schulden abzusetzen sind.

Die Bgin. war eine Familienstiftung, die nach dem Abverkauf im Zuge der Bodenreform noch mehrere hundert ha land- und forstwirtschaftliche Fläche behielt; im Mai 1954 ist die Stiftung aufgelöst worden. Durch Beschluß des Oberlandesgerichts vom 2. August 1954 wurde gemäß § 21 der Durchführungsverordnung zum Fideikommißerlöschungsgesetz (RGBl 1939 I S. 509) der 1. Oktober 1953 als Zeitpunkt bestimmt, an welchem das Vermögen der Stiftung auf die zuletzt nutzungsberechtigten Personen überging, die sich ihrerseits im August 1954 zu einer Forstgemeinschaft zusammenschlossen. Diese kam mit dem Landesfinanzminister überein, der Auflösung der Stiftung steuerliche Wirkung ab 2. August 1954 zu geben.

Das Finanzamt veranlagte die Bgin. auf Grund einer Betriebsprüfung auf den 1. Januar 1953 und 1954 zur Vermögensteuer. Die Bgin. begehrte, neben anderen, jetzt nicht mehr streitigen Beträgen, den Kapitalwert von drei Renten und einer Pensionsverpflichtung als Schulden abzusetzen. Bei den drei Renten handelt es sich um Zahlungen an zwei frühere Arbeiter und an die Witwe des Kutschers, deren Kapitalwerte an den Stichtagen insgesamt 9.672 DM bzw. 9.114 DM betrugen. Das Finanzgericht ermittelte abweichend von den Vermögensteuerbescheiden das Rohvermögen in übereinstimmung mit der Bgin. für den 1. Januar 1953 und für den 1. Januar 1954. Die Pensionsverpflichtung berechnete die Bgin. auf Grund folgender Sachlage mit 47.448 DM: Im Vertrage vom 1./5. September 1941 nebst Nachtrag vom 24. Dezember 1951 sicherte die Bgin. dem Inspektor eine Pension zu, wenn er aus Gründen aus dem Amte scheidet, die für staatliche Beamte einen solchen Anspruch begründen. Das Grundgehalt von 6.784 DM sollte den Veränderungen der Beamtengehälter mit der Maßgabe unterliegen, daß sich die Pension um die Hälfte des von der Angestelltenversicherung gezahlten Betrages verringerte. Der Inspektor vollendete im Jahre 1951 das 65. Lebensjahr, blieb jedoch unter Weiterzahlung des Gehaltes bis zum 31. März 1955 tätig. Im Jahre 1955 wurde die Pensionsverpflichtung durch eine Kapitalzahlung der Forstgemeinschaft abgelöst. Als Jahresbetrag der Pension wurden 5.931 DM angenommen.

Das Finanzamt lehnte die Absetzung des Kapitalwertes der Renten und der Pensionsverpflichtung ab. Die Tätigkeit der Arbeiter, des Kutschers und des Inspektors habe überwiegend mit dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Zusammenhang gestanden. Ruhestandsversorgungen an Arbeiter in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben seien üblich und daher grundsätzlich und in der Regel im Einheitswerte abgegolten. Sie seien daher bei der Ermittlung des Gesamtvermögens nicht abzuziehen. In der Bewertung nach dem Ertragswerte sei die Entlohnung für fremde Arbeitskräfte enthalten und dazu gehöre auch die Ruhestandversorgung.

Das Finanzgericht gab der Sprungberufung statt. Es führte aus: Die Gewährung einer Altersversorgung an Angehörige eines landwirtschaftlichen Betriebes sei nicht üblich und nicht im Ertragswerte berücksichtigt. Die kapitalisierten Rentenverpflichtungen seien daher bei der Ermittlung des Gesamtvermögens abzusetzen. Das gleiche gelte für die Verpflichtung gegenüber dem Inspektor. Da er an den Stichtagen über 65 Jahre alt gewesen sei, sei bei der Bgin. der kapitalisierte Pensionsanspruch als Schuld abzusetzen. Es spiele keine Rolle, daß der Inspektor am Stichtage noch tätig gewesen sei und Gehalt bezogen habe. In mehreren anderen, in der Rb. nicht mehr streitigen Punkten gab das Finanzgericht ebenfalls dem Begehren der Bgin. statt.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts richtet sich ausdrücklich nur gegen den zugelassenen Abzug der Ruhestandsversorgung für den Inspektor und die drei Arbeiter (Kutscher). Zu Unrecht und ohne nähere Begründung gehe das Finanzgericht davon aus, daß die Gewährung einer Altersversorgung an Angehörige eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht üblich und daher auch nicht im Ertragswerte berücksichtigt sei. Die Ruhestandsversorgungen stellten einen Teil des Gehaltes dar und seien nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ein weiteres Entgelt für die Dienstleistung des Arbeitnehmers (Urteile VI A 312/26 vom 7. Juli 1926, RStBl 1926 S. 315, und III A 45/33 vom 9. März 1933, RStBl 1933 S. 402).

Die Bgin. erklärt demgegenüber unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Rechtsstandpunktes, nach dem bisherigen unwidersprochenen Vorbringen seien die landwirtschaftlichen Betriebe der Bgin. ständig verpachtet gewesen; der forstwirtschaftliche Betrieb sei von einem Förster bewirtschaftet worden. Der Inspektor und die drei Arbeiter hätten daher keine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, sondern seien in der Gesamtverwaltung beschäftigt gewesen. Zudem sei insbesondere in der Zeit nach dem zweiten Weltkriege die Gewährung einer Altersversorgung an Angehörige eines landwirtschaftlichen Betriebes nicht üblich gewesen. Ein Ausgleich der Ruhegehaltsverpflichtungen durch niedrigere laufende Lohnzahlung sei schlechterdings nicht feststellbar. Wenn eine Ruhegehaltszusage in der Landwirtschaft nicht früher in Aussicht gestellt worden sei, seien solche Zusagen nach dem letzten Kriege kaum erfolgt.

Der Vorsteher des Finanzamts bestreitet dieses Vorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt wegen Rechtsverstoßes und wegen mangelnder Sachaufklärung zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das Finanzgericht.

Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Der Senat hatte ihn ersucht, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der Versorgungsanspruch des Inspektors als Pension oder Pensionsanwartschaft zu bewerten sei. Die Anfrage bezog sich auf den Begriff des technischen Rentners im Sinne des Ministerialerlasses Nordrhein-Westfalen vom 1. März 1962 (BStBl 1962 II S. 67). Nach Abschn. I (4) des Erlasses, den die übrigen Bundesländer übernommen haben (siehe BStBl 1962 II Nr. 9), ist "ein Arbeitnehmer, der nach Erreichen der Altersgrenze weiterhin aktiv bleibt (technischer Rentner), wie ein Pensionär zu behandeln". Der Bundesminister der Finanzen hält den Ländererlaß für zutreffend. Beim technischen Rentner bleibe der Zeitpunkt des Ausscheidens offen; hiervon sei die Festlegung eines neuen Pensionsalters zu unterscheiden. Beim technischen Rentner, der jederzeit ausscheiden könne, sei steuerlich so zu verfahren, als ob dessen Gehalt aus der Rente und einem zusätzlichen Mehrbetrage für die Weiterbeschäftigung bestehe. Für diese Regelung seien folgende Erwägungen ausschlaggebend gewesen: Nach Abschn. 41 Abs. 15 EStR sowie nach Abschn. 6 des koordinierenden Ländererlasses vom 3. Januar 1961 (BStBl 1961 II S. 3) solle bei den Ertragsteuern der technische Rentner ebenfalls als Pensionär behandelt werden. Das gleiche gelte bei Gewährung eines Altersfreibetrages nach § 5 Abs. 3 des Vermögensteuergesetzes. Schließlich würde die Behandlung als Anwärter zu einer Schlechterstellung des Steuerpflichtigen sowie zu einer Komplizierung und Mehrarbeit führen. Es müßte alsdann für jeden technischen Rentner ein fiktives Pensionsalter unterstellt werden. Alle an der hier erörterten Frage beteiligten Verbände und Interessenvertretungen hätten die Auffassung vertreten, den technischen Rentner als Pensionär zu behandeln.

Der Senat vermag sich den Ausführungen des Bundesministers der Finanzen nicht anzuschließen. Ein Arbeitnehmer, der über das 65. Lebensjahr gegen das bis dahin gezahlte Gehalt weiter Dienst tut, tritt nicht in den Ruhestand, sondern ist weiter aktiv tätig. Es ist nicht erkennbar, weshalb gegenüber einem eindeutigen Tatbestande mit einer Fiktion gearbeitet werden soll. Der Begriff "technischer Rentner" ist abzulehnen, gleichgültig, ob das Pensionsalter verschoben ist, oder ob ohne Festlegung eines neuen Pensionsalters die Weiterbeschäftigung erfolgt. Es ist kein rechtlicher Gesichtspunkt dafür erkennbar, bei gleichbleibender Arbeitsleistung und bei gleichbleibendem Gehalt letzteres nach dem 65. Lebensjahr automatisch in eine Rente und in einen zusätzlichen Mehrbetrag für die Weiterbeschäftigung auseinanderfallen zu lassen. Der Hinweis des Bundesministers der Finanzen auf die Schwierigkeit der Behandlung des technischen Rentners als Anwärter kann die Unterstellung eines nicht gegebenen Tatbestandes nicht rechtfertigen. Die vom Bundesminister der Finanzen erstrebte gleichmäßige vermögensteuerliche und ertragsteuerliche Behandlung des technischen Rentners ist schon deshalb ohne Bedeutung, da die EStR und der entsprechende Ländererlaß zu § 6 a EStG die Gerichte nicht binden.

Bei der Altersversorgung des Inspektors handelt es sich somit entgegen der Auffassung der Bgin. nicht um die Bewertung einer bereits laufenden Pension, sondern um den begehrten bewertungsrechtlichen Abzug einer Pensionsanwartschaft. Der Berechtigte war an den Stichtagen 1. Januar 1953 und 1. Januar 1954 noch gegen Gehalt aktiv tätig, wobei es ohne Bedeutung ist, daß er damals bereits mit Erreichen des 65. Lebensjahres die Pensionsaltersgrenze überschritten hatte.

An der Rechtsverbindlichkeit und an der Ernsthaftigkeit der Versorgungszusage und an der Zahlung der drei Renten bestehen keine Zweifel.

Der begehrte Schuldenabzug von Rohvermögen für die Kapitalwerte der Renten und der Pensionszusage kommt jedoch nur in Frage, soweit die Versorgungsleistungen nicht bereits bei der Feststellung des Einheitswertes des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens berücksichtigt sind (ß 74 Abs. 1 Ziff. 2 in Verbindung mit Ziff. 1 BewG). Ein unmittelbarer Abzug hat hier nicht stattgefunden; es ist aber statt dessen von entscheidender Bedeutung, ob die Versorgungsbezüge der Angestellten bei der Einheitswertfeststellung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes mitabgegolten waren. Für landwirtschaftliche Betriebe gelten nach § 31 BewG die Grundsätze über die Bewertung nach Ertragswerten. Es ist dabei davon auszugehen, daß der Betrieb unter gewöhnlichen Verhältnissen gemeinüblich und mit entlohnten fremden Arbeitskräften bewirtschaftet wird. Der Reichsfinanzhof hat in dem Urteil III A 45/33 vom 9. März 1933, a. a. O., ausgeführt, bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben stellten die Ruhegehälter einen Teil des Gehaltes und Lohnes der im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer dar. Diese seien daher nur bei der Feststellung des Einheitswertes zu berücksichtigen und in ihm mitabgegolten. Ein Abzug bei der Ermittlung des Gesamtvermögens komme nicht in Frage. Dieser Standpunkt eines Ausgleiches zwischen Lohn während der Dienstzeit und Pension gelte insbesondere in der Regel dann, wenn sich, wie hier bei dem Inspektor, die Zahlungen an staatliche Sätze anlehnten (siehe auch Urteil des Reichsfinanzhofs III 75/40 vom 11. Juni 1941, RStBl 1941 S. 757). Eine andere Beurteilung greife nur Platz, wenn im Einzelfalle das Maß der Ruhegehaltsverpflichtungen über das Gemeinübliche hinausgehe. Alsdann sei das übermaß nach § 40 Ziff. 1 BewG durch einen Abschlag vom Vergleichswerte auszugleichen, wenn die Abweichung zu einer wesentlichen Minderung der Ertragsfähigkeit führe (Urteil des Reichsfinanzhofs III 253/39 vom 6. März 1941, RStBl 1941 S. 395). Der Senat hält diese Beurteilung für zutreffend; gegen sie verstößt das angefochtene Urteil. Das Finanzgericht hat nichts dafür dargetan, daß die Ruhegehaltsvereinbarungen über das sonst übliche Maß hinausgegangen wären. Es hat ausweislich der Akten keine Ermittlungen zur diesem Punkte angestellt. Dieser Mangel wird nicht durch die bloße Feststellung, "die Gewährung einer Altersversorgung an Angehörige eines landwirtschaftlichen Betriebes ist nicht üblich", beseitigt. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Es erfolgt Zurückverweisung zur Prüfung der näheren Umstände. Es handelt sich dabei um eine Frage der Wertverhältnisse, für deren Beurteilung der 1. Januar 1935 maßgebend ist (ß 3 a BewDV), so daß die von der Bgin. herangezogene Entwicklung der Pensionszusagen nach dem zweiten Weltkriege ohne Bedeutung ist.

Des weiteren ist, sofern sich die Ruhegehaltszusagen und die Ruhegehälter im Rahmen des üblichen halten sollten, darüber Beweis zu erheben, ob die Arbeiter und der Inspektor im land- und forstwirtschaftlichen Betriebe beschäftigt wurden. Im Falle der Bejahung bleibt es bei den vorangegangenen Ausführungen. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so sind insoweit die jeweiligen Ruhegehaltslasten als nicht in den Einheitswerten enthalten anzusehen (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 76/43 vom 5. Mai 1944, RStBl 1944 S. 530). Während die Bgin. behauptet, alle vier Arbeitnehmer wären in der allgemeinen Vermögens- oder Gesamtverwaltung und nicht in den land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, für die die Einheitswerte festgestellt wurden, tätig gewesen, hat das Finanzamt bereits im Berufungsverfahren die gegenteilige Auffassung vertreten. Es handelt sich also seitens des Vorstehers des Finanzamts entgegen der Behauptung der Bgin. nicht um ein neues, in der Rb. nicht zu beachtendes Vorbringen. Das Finanzgericht hat diese Frage nicht behandelt, da es unabhängig von der Art der Tätigkeit der vier Arbeitnehmer die Ruhegehaltslasten für abzugsfähig ansah.

Im Falle einer Bewertung der drei Renten und der Pensionszusage als abzugsfähige Schulden bietet die kapitalmäßige Berechnung der Renten keine Schwierigkeit (ß 16 BewG). Für die Pensionszusage gelten die Ausführungen des Urteils des Bundesfinanzhofs III 125/61 S vom 8. September 1961 (BStBl 1962 III S. 19, Slg. Bd. 74 S. 42).

 

Fundstellen

Haufe-Index 410626

BStBl III 1963, 34

BFHE 1963, 89

BFHE 76, 89

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