Leitsatz (amtlich)

Der (Mit-)Erwerb von Grundstücksflächen, deren Verwendung zu dem steuerbegünstigten Zweck schon im Zeitpunkt des Erwerbs durch einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan ausgeschlossen ist, ist (insoweit) nicht gemäß § 1 Nr. 1a Nds. GrESWG grunderwerbsteuerfrei.

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger hatte zusammen mit seinem Bruder am 20. Mai 1964 ein unbebautes Grundstück gekauft, von dem er selbst nach Vermessung 2/5, sein Bruder 3/5 erhalten sollte. Das Finanzamt hatte diese Erwerbe gemäß § 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaus von der Grunderwerbsteuer (in der Fassung vom 6. Oktober 1958, GVBl, 179, BStBl II, 1958 - GrESWG -) zunächst steuerfrei gelassen.

Drei Teilflächen des Grundstücks mit etwa 2 900 qm waren nach dem am 6. September 1963 rechtsverbindlich gewordenen Bebauungsplan der Stadtgemeinde B. zur Anpassung der der Stadtgemeinde gehörenden angrenzenden Bauplätze an den Bebauungsplan und als Gelände für eine Volksschule vorgesehen. Der Kläger und sein Bruder hatten diese Teilflächen am 24. November 1964 der Stadtgemeinde unter barem Wertausgleich überlassen im Tausch gegen vier Grundstücksflächen, die den Brüdern zu 2/5 bzw. 3/5 ideellen Anteils gehören sollten. Dieser Grundstückstausch blieb grunderwerbsteuerfrei.

Das Finanzamt sah in der Veräußerung der drei Teilflächen eine Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks und zog gemäß § 5 GrESWG den Kläger und seinen Bruder entsprechend zur Grunderwerbsteuer heran.

Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der Revision begehrt der Kläger, den angefochtenen Bescheid, die Einspruchsentscheidung sowie das Urteil des FG aufzuheben. Er meint, seine Heranziehung zur Grunderwerbsteuer sei mit § 4 des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer bei Erwerbsvorgängen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 29. Oktober 1962 (GVBl 217, BStBl II 1963, 2) und § 1 GrESWG unvereinbar. Nach Sinn und Zweck dieser Gesetze sei der Miterwerb verhältnismäßig kleiner Grundflächen, die nach dem Erwerb entsprechend dem örtlichen Bebauungsplan noch vertauscht werden müßten, für die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Nr. 1 GrESWG unschädlich. Wenn das FG die Anwendung des § 4 des Gesetzes vom 29. Oktober 1962 auf die Fälle beschränke, in denen ein Bebauungsplan erst nach dem Grundstückserwerb aufgestellt werde, so widerspreche dies Wortlaut und Sinn dieser Gesetzesvorschriften.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Mit dem Erwerbsvorgang vom 20. Mai 1964 ist hinsichtlich der später auf die Stadtgemeinde übertragenen Teilflächen der Tatbestand verwirklicht, an den das Gesetz die Grunderwerbsteuerpflicht knüpft. Gegenstand der Grunderwerbsteuer sind die Erwerbsvorgänge als solche. Deshalb knüpft eine Befreiung von der Steuer ebenfalls nur an die Erwerbsvorgänge an und stellt diese steuerfrei. Da die Erwerbsvorgänge grundsätzlich auf den Übergang des Eigentums am Grundstück gerichtet sind, bezieht sich die begünstigte Verwendungsmöglichkeit stets nur auf die jeweils erworbene Grundstücksfläche. Dabei kann jedoch hinsichtlich der Steuerbefreiung nicht immer auf die gesamte Grundstücksfläche (Einheit des Grundstücks) abgestellt werden: Dient nur ein Teil der erworbenen Fläche dem steuerbegünstigten Zweck, so kann grundsätzlich auch nur dieser Teil von der Steuer befreit werden ("Unmittelbarkeit der Zweckerfüllung"; vgl. dazu das Urteil des Senats vom 14. Juli 1970 II R 93/66, BFHE 100, 228, BStBl II 1970, 872, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Senats).

Nach § 1 Nr. 1a GrESWG ist der Erwerb eines Grundstücks, das zur Errichtung eines Gebäudes mit begünstigtem Wohnraum (Wohnungen) erworben wird, von der Besteuerung ausgenommen. Der Kläger mag im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs den (subjektiven) Willen gehabt haben, das gesamte Grundstück bestimmungsgemäß zu bebauen. Darauf kommt es aber nicht allein an. Es muß hinzu kommen, daß der steuerbegünstigte Zweck (objektiv) erfüllt werden kann. Das war dem Kläger im Streitfall hinsichtlich der (später) auf die Stadtgemeinde übergegangenen Teilflächen nicht möglich. Nach dem rechtsverbindlichen Bebauungsplan waren diese Teilflächen schon im Zeitpunkt des Erwerbs durch den Kläger nicht zur Errichtung von Gebäuden mit steuerbegünstigtem Wohnraum (Wohnungen) vorgesehen und deshalb ihre steuerbegünstigte Verwendung von vornherein ausgeschlossen. Der Kläger konnte nach Lage der Dinge nicht damit rechnen, daß die Planung alsbald nach dem Erwerb zu seinen Gunsten geändert werden würde. Die von der Stadtgemeinde vorgenommene Änderung betraf unstreitig nicht die getauschten Grundstücksflächen.

Da für die Steuerbefreiung der objektive Verwendungszweck maßgebend ist, kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Kläger die drei Teilflächen zunächst miterworben hat. Desgleichen ist unerheblich, ob der Kläger den rechtsverbindlichen Bebauungsplan der Stadtgemeinde kannte oder ob er sich die entsprechenden Kenntnisse durch Rückfragen oder Einsichtnahme hätte verschaffen können.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Steuerbefreiung dann zu gewähren ist, wenn verhältnismäßig kleine Grundstücksflächen miterworben werden und diese nach dem Erwerb entsprechend dem örtlichen Bebauungsplan noch vertauscht werden müssen. Eine Grundstücksteilfläche von 2 900 qm kann nicht als "verhältnismäßig kleine" Fläche angesehen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71020

BStBl II 1974, 690

BFHE 1975, 132

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