Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Muß bei einem Ehegatten ein Arbeitnehmerverhältnis zu dem anderen Ehegatten deshalb abgelehnt werden, weil er im Betriebe nicht die gleiche soziale Stellung wie ein fremder Arbeitnehmer einnimmt, so kann bei ihm eine mitunternehmerähnliche Stellung im Betriebe gegeben sein. Liegt eine mitunternehmerähnliche Stellung vor, so sind bei klar abgefaßten und ernsthaft durchgeführten Verträgen die auf die Arbeitsleistung entfallenden Beträge am gewerblichen Gewinn dem Ehegatten bei der getrennten Veranlagung zuzurechnen, dem sie vertraglich zustehen.

 

Normenkette

EStG §§ 26, 26a/1; AO § 215

 

Tatbestand

Strittig ist die Anerkennung von Arbeitnehmerverhältnissen der Ehemänner der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen der KG.

Bei der KG (Bgin.) sind als persönlich haftende Gesellschafterinnen Frau A. und Frau B. am Vermögen mit je 44 % und am Gewinn mit je 40 % beteiligt. Die restlichen 12 % des Vermögens besitzt die Mutter der beiden Gesellschafterinnen als Kommanditistin. Am Gewinn ist sie mit 20 % beteiligt. Die Gehälter der Ehemänner der beiden Schwestern betrugen je 9.464 DM. Das Finanzamt erkannte die Arbeitsverhältnisse der beiden Ehemänner bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1956 nicht an.

Die KG wandte hiergegen folgendes ein: Die Ehemänner seien seit 1932 bzw. 1934 bei der KG tätig gewesen. Erst im Jahre 1935 hätten beide Gesellschafterinnen geheiratet. Anfänglich seien für die beiden Ehemänner Lohnsteuer und bis heute noch die Sozialversicherungsbeiträge bezahlt worden. In jedem Jahre seien die Gehälter und Zinsen für Darlehen der Ehemänner in den Büchern ausgewiesen worden. Daß die Gehälter den Ehemännern tatsächlich zugeflossen seien, beweise die genaue Vermögensaufteilung zwischen den Eheleuten. Jeder könne über sein eigenes Vermögen frei verfügen und schaffe sich sein eigenes Vermögen mittels dieses Einkommens auf Grund der Position, die jeder Ehemann im Betrieb schon vor der Eheschließung innegehabt habe.

Nach dem Betriebsprüfungsbericht sind auf die Vergütungen an die Ehemänner schon in den Jahren 1951 und 1952 die Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden. Im Streitjahr zahlten die Ehemänner freiwillige Beiträge zur Sozialversicherung. Seit dem 1. März 1958 sind sie nach Mitteilung der KG wieder pflichtversichert.

Das Finanzgericht erließ ein Zwischenurteil und gab hierbei in dieser Frage der Berufung statt. Es handle sich um ernsthafte Arbeitsverträge. Die Ernsthaftigkeit ergebe sich daraus, daß die Ehemänner der beiden Gesellschafterinnen schon vor ihrer Heirat Arbeitnehmer bei der KG gewesen seien. Es seien die seinerzeitigen Arbeitsverträge lediglich fortgeführt worden. Hieraus ergebe sich, daß die Tätigkeit der beiden Ehemänner nicht ihre Grundlage im § 1356 Abs. 2 BGB gehabt habe.

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts stützt sich auf die Urteile des Bundesfinanzhofs I 231/56 S vom 3. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 27, Slg. Bd. 66 S. 66) und I 288/58 U vom 14. Juli 1959 (BStBl 1959 III S. 331, Slg. Bd. 69 S. 181).

Die KG weist in ihrer Stellungnahme zur Rb. darauf hin, daß die beiden Ehemänner auch noch nach ihrer Verheiratung bis zum Tode ihres Schwiegervaters unbestritten von der Finanzverwaltung als Arbeitnehmer in ihrem Betrieb anerkannt worden seien. Sie ist der Auffassung, daß der Tod des Schwiegervaters und damit verbunden die Erbfolge der beiden Gesellschafterinnen nicht dazu führen können, die Ernsthaftigkeit der Arbeitsverhältnisse zu bestreiten.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. des Vorstehers des Finanzamts ergibt folgendes:

Der Bundesfinanzhof hat zur Anerkennung von Arbeitsverträgen zwischen Eheleuten in einer Reihe von Entscheidungen Stellung genommen, so vor allem in den Urteilen I 231/56 vom 3. Dezember 1957 (a. a. O.); I 105/57 U vom 10. Dezember 1957 (BStBl 1958 III S. 70, Slg. Bd. 66 S. 178) und VI 147/58 U vom 20. Februar 1959 (BStBl 1959 III S. 172, Slg. Bd. 68 S. 451). Nach diesen Entscheidungen können derartige Arbeitsverhältnisse steuerlich nur bei entsprechend klaren Vereinbarungen anerkannt werden (ebenso auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 99/58 U vom 9. Juli 1959, BStBl 1959 III S. 329, Slg. Bd. 69 S. 175). Des weiteren wird gefordert, daß der Ehegatte im Betrieb die gleiche soziale Stellung wie ein fremder Arbeitnehmer einnimmt. Diese Voraussetzungen hat der Senat in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung im Falle der Entscheidung I 231/56 S als erfüllt angesehen, weil die Ehefrau des in der Personengesellschaft mitarbeitenden Ehemannes als Kommanditistin kapitalmäßig und tatsächlich keinen maßgebenden Einfluß in der KG hatte. In Fortführung dieser Rechtsprechung nimmt das Urteil I 228/58 U vom 14. Juli 1959 (a. a. O.) ein ernsthaftes Arbeitsverhältnis bei Personengesellschaften im allgemeinen als vorliegend an, wenn der Ehegattengesellschafter mit weniger als 25 % am Gewinn und Vermögen einer Personengesellschaft beteiligt ist.

Der Senat hält an den Grundsätzen dieser Rechtsprechung fest. Im übrigen werden dort, wo die Voraussetzungen eines steuerlich anzuerkennenden Arbeitnehmerverhältnisses zwischen Ehegatten nicht gegeben sind, die sogenannten Arbeitnehmerbezüge des Ehegatten bei der tatsächlichen Handhabung in sehr erheblichem Umfange durch das Ergebnis des Betriebes bestimmt werden (hohe Gewinne, Verluste), anders als es bei fremden Arbeitnehmern der Fall wäre. Der als "Arbeitnehmer" tätige Ehegatte nimmt im Betriebe eine mitunternehmerähnliche Stellung ein. Auch im Arbeitsrecht spielen gleichartige Erwägungen bei Würdigung der Arbeitsverträge zwischen Ehegatten eine Rolle (siehe Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Auflage, 1. Band, Allgemeine Lehren und Arbeitsvertragsrecht, S. 97 unter b und c).

Es müssen dort, wo die Voraussetzungen eines Arbeitsverhältnisses im oben dargestellten Sinne nicht erfüllt sind, die allgemeinen Grundsätze der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs angewendet werden, wie sie in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 256/55 U vom 25. September 1956 (BStBl 1957 III S. 2 Slg. Bd. 64 S. 3) im einzelnen dargestellt sind (siehe auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 216/55 U vom 14. Februar 1956, BStBl 1956 III S. 233, Slg. Bd. 63 S. 93).

Das bedeutet, daß die Einkünfte der beiden Ehegatten aus dem gewerblichen Unternehmen, auch insoweit als die Vereinbarungen bürgerlich-rechtlich in die Form von Arbeitsverträgen gekleidet sind, steuerlich in ihrer Gesamtheit gewerbliche Einkünfte bilden (siehe auch Entscheidung I 231/56 S Abs. 1 unter III, 1 "Die bisherige Rechtsprechung").

Durch diese Beurteilung ist noch nicht entschieden, welchem der beiden Ehegatten diese gewerblichen Einkünfte ganz oder teilweise zugeflossen und damit bei der getrennten Veranlagung zuzurechnen sind. Der Frage kam bisher keine beachtliche Bedeutung zu, da nach dem alten Einkommensteuerrecht die Ehegatten zusammen zu veranlagen waren. Die §§ 26, 26 a EStG 1957 (in Verbindung mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957, BStBl 1957 I S. 193) sehen jedoch die getrennte Veranlagung der Ehegatten vor. Soweit die Ehegatten getrennt veranlagt werden, muß deshalb entschieden werden, welchem Ehegatten gewerbliche Einkünfte aus dem Betriebe zugeflossen sind.

Für die Beurteilung dieser Frage müssen die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 116/58 U vom 26. August 1958 (BStBl 1958 III S. 445, Slg. Bd. 67 S. 450) entsprechend angewendet werden. Die oben mitgeteilte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs sieht hier in der Gesamtheit der Einkünfte der Eheleute aus dem Unternehmen gewerbliche Einkünfte. Sie geht damit im Ergebnis davon aus, daß wirtschaftlich betrachtet die beiden Ehegatten sich gemeinsam als Unternehmer betätigen. Die ethische Gemeinschaft der Ehe führt gleichzeitig zu einer sozialen Gemeinschaft, die im Wesen der Ehe begründet ist und bei der man die Leistungen des einzelnen Ehegatten im Betrieb wirtschaftlich nicht vollkommen losgelöst von der Leistung des anderen Ehegatten beurteilen kann.

Sieht man aber die Ehegatten als eine Unternehmergemeinschaft an, so kann den Vereinbarungen der Eheleute über die Aufteilung des gemeinsam erzielten Gewinnes nicht deshalb die Bedeutung abgesprochen werden, weil sie eine andersartige bürgerliche Konstruktion gewählt haben, als es der auf wirtschaftlicher Betrachtung beruhenden steuerlichen Würdigung entspricht. Auch hier kommt es für die steuerliche Beurteilung nicht auf die äußere Form des Vertrages, sondern auf seinen sachlichen Inhalt an. Vorausgesetzt ist lediglich, daß der Aufteilungsmaßstab (der Aufteilungsschlüssel) klar gestaltet und ernsthaft ist und somit auch tatsächlich durchgeführt wird. Das hat zur Folge, daß die einem Ehegatten vertragsmäßig zugebilligten Einkünfte aus dem Betrieb ihm auch bei der getrennten Veranlagung steuerlich zugerechnet werden müssen.

Voraussetzung für diese Rechtsfolge ist jedoch, daß bei den Ehegatten, wie in der Entscheidung I 116/58 U im einzelnen ausgeführt wird, tatsächlich Mitunternehmerschaft (für die vorliegende Rechtsfrage also eine mitunternehmerähnliche Stellung) vorliegt und nicht lediglich eine Mitarbeit, die sich aus dem Wesen der Ehe heraus ergibt. Die Vereinbarungen zwischen den Ehegatten müssen betrieblich bestimmt sein. (Siehe auch Gutachten des Bundesfinanzhofs VI D 1/58 S vom 18. Februar 1959, BStBl 1959 III S. 263, Slg. Bd. 69 S. 5, sowie Entscheidung des Bundesgerichtshofs IV ZR 91/50 vom 28. Oktober 1959, Neue Juristische Wochenschrift 1960 S. 428.) Sie dürfen nicht nur eine Auswirkung der Ehe und des ehelichen Güterrechts sein. Das letztere ist dann der Fall, wenn ein Ehegatte im Betrieb lediglich eine mitwirkende Tätigkeit im Sinne des § 26 a EStG entfaltet, wenn er also nur als Folge der Ehe im Unternehmen tätig wird. Eine solche lediglich mitwirkende Tätigkeit ist insbesondere gegeben, wenn es sich um Arbeiten untergeordneter Art handelt. Die Tätigkeit der Ehefrau im Ladengeschäft eines Gewerbetreibenden oder im Büro eines freiberuflich Tätigen, die Führung der Bücher im Betriebe der Ehefrau durch den Ehemann, der in seiner Hauptbeschäftigung Angestellter einer Buchstelle ist, sind als Mitwirkung im Sinne des Gesetzes zu betrachten und begründen keine mitunternehmerähnliche Stellung im Sinne der obigen Ausführungen. Es ist auch denkbar, daß ein Ehegatte - ähnlich wie der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 47/55 U vom 11. Oktober 1955, BStBl 1955 III S. 397, Slg. Bd. 61 S. 515) - seine Arbeitskraft dem anderen Ehegatten unentgeltlich zur Verfügung stellt. Siehe auch Anm. 3 zu § 1356 BGB des Erläuterungsbuches von Palandt, 17. Aufl. Bei einer lediglich mitwirkenden Tätigkeit sind die gesamten Einkünfte aus dem Unternehmen ohne Aufteilung dem tatsächlichen Unternehmer (Ehemann, Ehefrau) zuzurechnen. Das gleiche gilt dort, wo der Betrieb durch den Ehemann geführt wird und die Ehefrau nur ein verhältnismäßig nicht bedeutendes Betriebsvermögen, das ihr gehört, dem Unternehmen des Ehemannes unentgeltlich zur Verfügung stellt. Auch hier handelt es sich um eine Mitwirkung im Sinne der Rechtsprechung. Siehe auch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - 1 BvL 23/57, 1 BvL 34/57 - vom 14. April 1959, BStBl 1959 I S. 204.

Beschränkt sich die Tätigkeit eines Ehegatten im Betriebe des anderen Ehegatten lediglich auf Mitarbeit, so kann eine mitunternehmerähnliche Stellung im oben dargestellten Sinne nur dann angenommen werden, wenn die Tätigkeit des Ehegatten für den Betrieb tragend ist und wenn der Ehegatte eine qualifizierte und umfangreiche Tätigkeit entfaltet. Im einzelnen wird auf die Entscheidung I 116/58 U verwiesen.

Im Streitfall handelt es sich um eine Familiengesellschaft. Die beiden mit je 44 % am Vermögen und mit je 40 % am Gewinn beteiligten Gesellschafterinnen sind Schwestern. Die restliche Beteiligung ist in den Händen der Mutter (Kommanditistin). Die Ehegatten der beiden Gesellschafterinnen sind in der Gesellschaft tätig und erhalten gleich hohe Bezüge. Wirtschaftlich wird das Unternehmen durch die beiden Schwestern mit ihren Ehegatten beherrscht. Nach den Unterlagen, insbesondere den Feststellungen des Finanzgerichts, haben die beiden Ehemänner eine tragende Stellung im Betrieb. Ihre Recht und Pflichten sind gegenseitig ausgewogen. Bei diesen Verhältnissen entspricht es den Grundsätzen der Rechtsprechung, steuerlich kein Arbeitsverhältnis anzunehmen.

Im Streitfall müssen aber die Voraussetzungen der mitunternehmerähnlichen Stellung im oben dargestellten Sinne als erfüllt angesehen werden. Die Ehemänner der beiden Schwestern führen seit dem Tode des Schwiegervaters den Betrieb. Es liegen auch klare und nach den Feststellungen des Finanzgerichts tatsächlich durchgeführte Verträge vor, die regeln, welche Beträge den Ehemännern am Gesamtgewinn des Unternehmens zustehen. Es sind deshalb die Bezüge der beiden Schwestern und ihrer Ehemänner aus dem Unternehmen jeweils auf Ehefrau und Ehemann entsprechend den getroffenen Vereinbarungen aufzuschlüsseln.

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 39/58 U vom 26. Juni 1958 (BStBl 1958 III S. 364, Slg. Bd. 67 S. 237) ist die Aufteilung der Bezüge der Ehegatten aus einem Gewerbebetrieb im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung vorzunehmen. Soweit dies im Einzelfall unterblieben ist, muß die einheitliche Gewinnfeststellung entsprechend den Grundsätzen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 44/59 U vom 19. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 91, gegebenenfalls ergänzt werden.

Da die Vorentscheidung (Zwischenurteil) diesen Grundsätzen nicht entspricht, wird sie aufgehoben. Die Tätigkeitsvergütungen an die Ehemänner der beiden Schwestern sind zwar nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, sie sind jedoch nicht den Ehefrauen, sondern ihren Ehemännern als gewerbliche Einkünfte zuzurechnen. Dies ist bereits bei Feststellung der Gewinne, die von den Gesellschaftern der KG erzielt worden sind, zu beachten.

 

Fundstellen

BStBl III 1960, 159

BFHE 1960, 422

BFHE 70, 422

StRK, EStG:15 R 175

NJW 1960, 1174

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