Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsaustausch bei Sacheinlage in GbR

 

Leitsatz (NV)

Bringt ein Gesellschafter Wirtschaftsgüter in eine GbR ein, kann es sich um eine Leistung gegen Entgelt (Gesamthandsbeteiligung) handeln. Die Annahme eines Leistungsaustausches ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Gesellschaftsvertrag der GbR keine Regelungen über Kapitalanteile der Gesellschafter enthält.

 

Normenkette

UStG 1980 § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1, 12, § 10 Abs. 2 S. 2, § 24 Abs. 1 S. 6; BGB § 94 Abs. 1, §§ 705-706, 719, 733

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Ihr Gesellschafter A betrieb bis Ende 1990 ein landwirtschaftliches Unternehmen. Seine Umsätze versteuerte er gemäß §24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 27. September 1990 gründete A mit seinem Sohn B mit Wirkung vom 1. Oktober 1990 die Klägerin. Nach dem Gesellschaftsvertrag verfolgte die Klägerin den Zweck, den landwirtschaftlichen Betrieb des Gesellschafters A zu bewirtschaften. Gemäß §3 des Gesellschaftsvertrages überließ der Gesellschafter A die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke mit den aufstehenden Wirtschaftsgebäuden, Stallungen und sonstigen baulichen Anlagen sowie die von ihm zugepachteten landwirtschaftlichen Nutzflächen der Klägerin zur Nutzung. Ferner übertrug er der Klägerin laut Vertrag das Eigentum an den Maschinen und Betriebsvorrichtungen mit den gesamten Kleingeräten, am Viehbestand, an den Hofvorräten sowie den Betriebsmitteln. Er verpflichtte sich, die noch stehende Ernte mit ihrer Trennung vom Grund und Boden an die Klägerin zu übereignen. Die in seinem landwirtschaftlichen Betrieb begründeten Forderungen und Verbindlichkeiten brachte er in die Klägerin ein. Mit der Überlassung der Nutzung der Flächen des landwirtschaftlichen Betriebs einschließlich der Zupachtflächen sollte zugleich die gesamte Milchanlieferungsreferenzmenge des Betriebs auf die Klägerin übertragen sein. Der Gesellschafter B hatte keine Sacheinlage zu erbringen, sondern -- ebenso wie A -- seine volle Arbeitskraft der Klägerin zur Verfügung zu stellen. Der Gewinn bzw. Verlust sollte A zu 75 v. H., B zu 25 v. H. zugerechnet werden.

Unter dem 25. Oktober 1990 stellte der Gesellschafter A der Klägerin die Einbringung der Wirtschaftsgüter mit insgesamt 3 996 285 DM und 334 401,40 DM Umsatzsteuer in Rechnung. In der Urkunde sind mit geschätzten Werten die in der Bilanz des A enthaltenen Wirtschaftsgüter, ferner die nicht bilanzierte Milchquote angegeben.

Die Klägerin begehrte den Abzug der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als Vorsteuer mit der Begründung, A habe an sie eine Leistung ausgeführt, für die er als Entgelt die Gesellschaftsrechte erhalten habe. Der Wert der gewährten Gesellschaftsrechte ergebe sich aus der Rechnung.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) versagte der Klägerin den Abzug der geltend gemachten Vorsteuerbeträge. Das FA beurteilte den Einbringungsvorgang als nicht steuerbaren Gesellschafterbeitrag, weil der Gesellschaftsvertrag keine ausdrückliche Regelung darüber enthalte, daß und in welchem Umfang dem Gesellschafter A für die eingebrachten Wirtschaftsgüter Gesellschaftsrechte eingeräumt worden seien.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage zum Teil statt und berücksichtigte abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 94 422 DM. Es bejahte eine Leistung des Gesellschafters A, für die dieser die Gesellschaftsrechte als Entgelt erhalten habe, insoweit, als er den Viehbestand, die Silovorräte, Maschinen, Personenkraftwagen und Büroeinrichtungsgegenstände in die Klägerin eingebracht habe. Zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage legte das FG als Wert der Gesellschaftsrechte die Summe der geschätzten Werte der vorstehend bezeichneten Wirtschaftsgüter zugrunde.

Das FG verneinte einen Leistungsaustausch bezüglich des Bohrbrunnens, der Dränung und der Betriebsvorrichtungen, die aus Jungviehstall, Fahrsiloanlage, Siloplatte, Boxenlaufstall, Güllebehälter und Hofbefestigung bestanden. Nach Auffassung des FG konnte A der Klägerin an diesen wesentlichen Bestandteilen der Grundstücke keine Verfügungsmacht verschaffen, da er die Grundstücke ihr nur zur Nutzung überlassen habe.

Hinsichtlich der Einbringung der Milchquote war nach Auffassung des FG ebenfalls kein Leistungsaustausch gegeben, weil die Klägerin insoweit kein Entgelt erbracht habe. Eine ausdrückliche Regelung, daß der Gesellschafter A für die Einbringung der Milchquote Gesellschaftsrechte erhalten solle, enthalte der Gesellschaftsvertrag nicht. Diesem könne auch im übrigen nicht entnommen werden, daß für die Einbringung der Milchquote Gesellschaftsrechte gewährt werden sollten, weil im Zeitpunkt der Einbringung ein steuerlicher Buchwert für die Milchquote nicht vorhanden gewesen sei. Die Übernahme der Schulden des A durch die Klägerin komme als Entgelt nicht in Betracht.

Mit der Revision begehrt die Klägerin auch den Abzug der Vorsteuerbeträge, die ihr von A für die Einbringung der Bohrbrunnen, der Dränung, der Betriebsvorrichtungen sowie der Milchquote in Rechnung gestellt worden sind.

Sie beantragt, weitere abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 239 979,40 DM zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FA ist der Auffassung, die wesentlichen Bestandteile der von A zur Nutzung überlassenen Grundstücke hätten nicht gesondert übertragen und deshalb auch nicht geliefert werden können. Hinsichtlich der auf die Milchquote entfallenden Vorsteuerbeträge schließt sich das FA der Auffassung des FG an. Hilfsweise bringt es vor, die in der Rechnung des A angegebenen Werte der eingebrachten Gegenstände seien zu hoch angesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Zutreffend hat das FG dahin erkannt, daß A durch Einbringung Lieferungen gegen Entgelt an die Klägerin ausgeführt haben könnte. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 8. November 1995 XI R 63/94 (BFHE 179, 189, BSTBl II 1996, 114, unter II. 1. b; vgl. dazu Reiß, Umsatzsteuer-Rundschau 1996, 357) entschieden hat, kann ein Einzelunternehmer Wirtschaftsgüter in eine Personengesellschaft gegen die Verschaffung der gesamthänderischen Beteiligung an den Vermögenswerten dieser Gesellschaft einbringen. Der Gesellschafter leistet in diesem Fall an die Gesellschaft, um hierdruch seine Gesamthandsbeteiligung zu begründen und diese mit wirtschaftlichem Wert zu versehen.

Die Ansicht des FA, der in bezug auf die Einbringung der Milchquote auch das FG gefolgt ist, daß nämlich der Gesellschafter A die Wirtschaftsgüter nicht gegen Entgelt eingebracht habe, weil der Gesellschaftsvertrag keine (ausdrückliche) Regelung über den Erwerb der Gesellschaftsrechte enthalte, ist unzutreffend. Rechte an einer GbR werden durch Abschluß des Vertrages über die Gründung der Gesellschaft erworben. Der Gesellschaftsvertrag muß Regelungen über die beiden in §705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) genannten Bestandteile enthalten, nämlich den gemeinsamen Zweck und die Art seiner Verwirklichung, insbesondere durch Leistung der vereinbarten Beiträge. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen. Gemäß §706 Abs. 3 BGB kann, was im Streitfall auf B zutrifft, der Beitrag eines Gesellschafters auch in der Leistung von Diensten bestehen. Sonstige Mindestvoraussetzungen über den Gesellschaftsvertrag bestehen nicht (vgl. Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., §705 Rdnr. 95 f.).

FA und FG sind zu ihrer oben bezeichneten Auffassung veranlaßt worden, weil der Gesellschaftsvertrag der Klägerin keine Regelung über Kapitalanteile und Führung von Kapitalkonten enthält. In den gesetzlichen Vorschriften über die GbR wird -- anders als bei den Personenhandelsgesellschaften in §§120 ff., 155 des Handelsgesetzbuchs -- der Begriff des Kapitalanteils nicht verwendet. Allerdings ist er in der Praxis der bilanzierenden GbR gebräuchlich. Er entspricht der in der Bilanz fortgeschriebenen Einlage des BGB-Gesellschafters. Die Gesellschafter können auch vereinbaren, daß einzelne Gesellschafter ohne Einlage und damit ohne Kapitalanteil bleiben. Die Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens einer GbR setzt -- wie §733 BGB zeigt -- ebenfalls nicht voraus, daß im Gesellschaftsvertrag Kapitalanteile festgelegt worden sind. Keinesfalls darf der bezifferte Kapitalanteil mit dem -- nicht existenten (§719 BGB) -- Anteil am Gesellschaftsvermögen oder dem Gesellschaftsanteil gleichgesetzt werden (Gummert in Münchner Handbuch des Gesellschaftsrechts I, §9 Rdnr. 60). Aus dem Fehlen von Regelungen über die Kapitalbeteiligung im Gesellschaftsvertrag der Klägerin können deshalb keine Schlüsse auf das Nichtvorliegen eines Entgelts in Form von Gesellschaftsrechten gezogen werden.

2. Die Ansicht des FG, für die Einbringung der Milchquote habe A kein Entgelt erhalten, weil für diese "im Zeitpunkt der Einbringung kein steuerlicher Buchwert vorhanden" gewesen sei, steht nicht im Einklang mit der im BFH-Urteil in BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114 (unter II. 3.) vertretenen Rechtsauffassung. Es kommt danach nur darauf an, zwischen welchen eingebrachten Gegenständen der für eine Leistung "gegen Entgelt" (Leistungsaustausch) nach §1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 vorausgesetzte unmittelbare Zusammenhang mit dem Erwerb der Gesellschaftsrechte bestand (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 1997 V R 67/94, BFHE 183, 278, BStBl II 1997, 705, unter II. 1. b).

3. Schließlich stimmt die erstinstanzliche Entscheidung auch insoweit nicht mit den im Urteil in BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114 (unter II. 2.) vertretenen Rechtsgrundsätzen überein, als sie die Möglichkeit der Lieferung der Bohrbrunnen, der Dränung und der Betriebsvorrichtungen verneint hat, weil diese wesentliche Bestandteile der nur zur Nutzung überlassenen Grundstücke gewesen seien und nur zusammen mit ihnen hätten zu Eigentum übertragen (eingebracht) werden können. Nach der genannten BFH-Entscheidung können Gegenstand einer Lieferung i. S. des §3 Abs. 1 UStG 1980 neben (körperlichen) Sachen i. S. von §90 BGB alle Wirtschaftsgüter sein, die im Verkehr wie Sachen umgesetzt werden, unabhängig davon, daß es sich hierbei um wesentliche Bestandteile eines Grundstücks (§94 Abs. 1 Satz 2 BGB) handelt.

4. Da das FG von der Rechtsprechung des BFH widersprechenden rechtlichen Grundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG muß die zur Entscheidung erforderlichen Feststellungen nachholen.

Das FG wird zunächst zu prüfen haben, ob der mit der Einbringung der Wirtschaftsgüter bezweckte Leistungsaustausch zwischen den Beteiligten tatsächlich vollzogen worden ist; die Leistung muß tatsächlich erbracht worden sein. Hierzu hat der BFH im Urteil in BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114 (unter II. 4.) die entsprechenden Hinweise gegeben.

Ferner wird das FG Feststellungen dazu treffen müssen, ob A der Klägerin Verfügungsmacht an den Bohrbrunnen, der Dränung und den Betriebsvorrichtungen verschafft hat.

Schließlich muß das FG die zutreffende Bemessungsgrundlage für den Umsatz des A ermitteln. Denn abweichend von §15 Abs. 1 UStG 1980 steht dem Leistungsempfänger der Abzug des ihm von einem pauschal nach §24 Abs. 1 UStG 1980 besteuerten Land- und Forstwirts gesondert in Rechnung gestellten Steuerbetrags nur bis zur Höhe der für den maßgeblichen Umsatz geschuldeten Umsatzsteuer zu (§24 Abs. 1 Satz 6 UStG 1980). Bei dem sich als Tauschgeschäft (vgl. §3 Abs. 12 UStG 1980) darstellenden Umsatz zwischen A und der Klägerin bemißt sich das als Besteuerungsgrundlage maßgebliche Entgelt nach dem Wert der Gegenleistung. Wenn dieser Wert nicht zu ermitteln ist, wird er bestimmt durch den (gemeinen) Wert des auf die Klägerin übergegangenen Vermögens (vgl. §10 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980; vgl. BFH-Urteil in BFHE 179, 189, BStBl II 1996, 114, unter II. 4. b).

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 628

HFR 1998, 570

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