Leitsatz (amtlich)

Zur Besteuerung aufgrund einer Vollmacht, welche den Vollmachtnehmer zum Verkauf von Teilen eines Grundstücks gegen "Abführung" eines bestimmten Betrages und Einbehaltung des darüber hinausgehenden Mehrerlöses berechtigt (Anschluß an das BFH-Urteil vom 10.November 1976 II R 95/71, BFHE 120, 412, BStBl II 1977, 166).

 

Orientierungssatz

Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG dadurch, daß dem Kläger das (befristete) Recht eingeräumt worden war, ein Grundstück in Wohnungen aufzuteilen, die Wohnungen in der Weise für eigene Rechnung durch Verkauf zu verwerten, daß ihm ein über einen bestimmten Betrag hinaus gehender Verkaufserlös zustehen sollte und daß er von dieser Vollmacht durch Verkauf von Wohnungen Gebrauch machte. Der Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG war nicht bereits mit der Erteilung der Vollmacht verwirklicht worden. Soweit der Kläger namens der Eigentümerin Wohnungen an sich selbst verkaufte, wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht. Dadurch ist die Verwirklichung des Ergänzungstatbestands des § 1 Abs. 2 GrEStG insoweit ausgeschlossen. Ausführungen zur Ermittlung der Gegenleistung.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 2 Fassung: 1940-03-29, Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1940-03-29, § 10 Abs. 1 Fassung: 1940-03-29

 

Tatbestand

I. Der Kläger erhielt am 28.September 1978 von der Eigentümerin eines Wohnhausgrundstücks die notariell beurkundete Vollmacht, über dieses Grundstück "zu verfügen und die hierzu erforderlichen Erklärungen, Bewilligungen und Anträge abzugeben und entgegenzunehmen". Er durfte insbesondere das Grundstück in Eigentumswohnungen aufteilen und diese --mit Ausnahme zweier der Eigentümerin verbleibenden Wohnungen-- an Dritte verkaufen. Aus dem Verkauf sollte er 297 000 DM an die Eigentümerin "abführen".

Von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) wurde der Kläger befreit. Die Grundstückseigentümerin verpflichtete sich, die Vollmacht "nach Tätigung des ersten Rechtsgeschäftes nicht zu widerrufen". Diese sollte erlöschen, wenn nicht bis zum 31.März 1979 alle zur Veräußerung bestimmten Wohnungen verkauft waren.

Am 30.November 1978 und am 23.März 1979 verkaufte der Kläger im Namen der Grundstückseigentümerin drei der insgesamt sechs zur Veräußerung bestimmten Eigentumswohnungen an Dritte für insgesamt 240 000 DM. An dem letztgenannten Termin kaufte er selbst die übrigen drei Wohnungen und zahlte an die (ehemalige) Alleineigentümerin des Grundstücks noch die Differenz zu den nach der Vollmacht "abzuführenden" 297 000 DM. Für den Erwerb dieser drei Eigentumswohnungen erhob das Finanzamt (FA) vorläufig keine Grunderwerbsteuer, da --wie es in dem Urteil des Finanzgerichts (FG) heißt-- "der Kläger insoweit die Absicht der Eigennutzung erklärt hatte".

Das beklagte FA war der Auffassung, die Vollmacht vom 28.September 1978 habe es dem Kläger i.S. des § 1 Abs.2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Es setzte Grunderwerbsteuer fest, berechnet nach einer Gegenleistung von 297 000 DM.

Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage teilweise statt und setzte die Steuer herab. Diese sei mangels einer Gegenleistung nach dem Einheitswert des Grundstücks zu berechnen, soweit er auf die zum Verkauf bestimmten Wohnungen des Hauses entfalle.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Tatbestand des § 1 Abs.2 GrEStG ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der drei an Dritte verkauften Wohnungen dadurch verwirklicht worden, daß dem Kläger das (befristete) Recht eingeräumt wurde, das Grundstück in Wohnungen aufzuteilen, die Wohnungen (bis auf zwei für die Eigentümerin bestimmte Wohnungen) in der Weise für eigene Rechnung durch Verkauf zu verwerten, daß ihm der über 297 000 DM hinausgehende Verkaufserlös zustehen sollte u n d daß er von dieser Vollmacht durch Verkauf von drei Wohnungen Gebrauch machte (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10.November 1976 II R 95/71, BFHE 120, 412, BStBl II 1977, 166, m.w.N.).

Der erkennende Senat vermag nicht der Auffassung des FG zu folgen, daß der Tatbestand des § 1 Abs.2 GrEStG bereits mit der Erteilung der Vollmacht verwirklicht worden ist. Denn der Kläger hat durch die auf den 31.März 1979 befristete Vollmacht noch keine Rechtsstellung erlangt, die wirtschaftlich der Stellung eines Eigentümers ähnlich war, wie dies zur Verwirklichung des § 1 Abs.2 GrEStG als eines Ergänzungstatbestandes zu § 1 Abs.1 GrEStG erforderlich ist (vgl. den Beschluß des Senats vom 3.Dezember 1968 II B 39/68, BFHE 94, 352, 356, BStBl II 1969, 170).

Eine befristete Vollmacht schafft nur die Chance zur Beteiligung an der Substanz des Grundstücks, beinhaltet aber noch keine unbedingte und unbefristete Verwertungsmöglichkeit, wie dies für die Verwirklichung des § 1 Abs.2 GrEStG erforderlich ist (vgl. hierzu auch Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11.Aufl., § 1 Tz.164 a). Aus der für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs.2 GrEStG nicht ausreichenden Chance auf Substanzbeteiligung wird eine Rechtsmacht i.S. des § 1 Abs.2 GrEStG erst durch den Abschluß des Kaufvertrages bzw. der Kaufverträge aufgrund der befristeten Vollmacht. Im vorliegenden Fall konnte unter diesen Umständen wegen Fehlens einer unbedingten und unbefristeten Verwertungsmöglichkeit vor dem Abschluß der drei Kaufverträge noch keine Grunderwerbsteuer entstehen.

Soweit der Kläger namens der Eigentümerin Wohnungen an sich selbst verkaufte, wurde der Tatbestand des § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG verwirklicht. Dadurch ist die Verwirklichung des Ergänzungstatbestandes des § 1 Abs.2 GrEStG insoweit ausgeschlossen.

2. Maßgebend für die Bemessung der Steuer ist gemäß § 10 Abs.1 GrEStG die Gegenleistung. Der Senat schließt sich nicht der Auffassung des FG an, daß der Kläger die 297 000 DM nicht für die vereinbarte Substanzbeteiligung am Grundstück gezahlt hat und eine Gegenleistung nicht zu ermitteln sei. Die hier zu beurteilende Besteuerung ist diejenige eines gedachten Zwischenerwerbes des Klägers (vgl. den Beschluß in BFHE 94, 352, 356, BStBl II 1969, 170). Er hat die 297 000 DM als Entgelt dafür gezahlt, daß er (durch die Einbehaltung des Mehrerlöses aus den Verkäufen) an der Substanz des Grundstücks (mit Ausnahme der zwei von der Eigentümerin zurückbehaltenen Wohnungen) teilhaben durfte.

Nach den Ausführungen unter 1. der Gründe unterliegt der vom FA besteuerte Vorgang nur insoweit der Steuer gemäß § 1 Abs.2 GrEStG, als der Kläger drei Eigentumswohnungen an Dritte veräußert hat. Gegenleistung i.S. des § 10 Abs.1 GrEStG ist daher nur der Teil des Gesamtentgeltes von 297 000 DM, der auf diese Wohnungen (im Verhältnis zu den sechs zur Veräußerung bestimmten Wohnungen) entfällt. Die bisher vom FG festgestellten Tatsachen lassen diese Aufteilung nicht zu. Die Sache muß daher an das FG zurückverwiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60819

BStBl II 1986, 417

BFHE 145, 451

BFHE 1986, 451

HFR 1986, 311-311 (ST)

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