Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen zum Grundvermögen

 

Leitsatz (NV)

1. Die Bindung des FG an die rechtliche Beurteilung des BFH erstreckt sich im zweiten Rechtsgang auch auf die (nicht ausdrücklich angesprochene) Vorfrage nach der Bestandskraft des angefochtenen Bescheides.

2. Ergeben sich zum Bewertungsstichtag Anhaltspunkte für eine mehrjährige Unterbrechung des Umlegungsverfahrens, ist die durch den Bebauungsplan und die Einleitung des Umlegungsverfahrens bewirkte Vermutung, die bislang land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen werden in absehbarer Zeit eine Nutzungsänderung erfahren, widerlegt.

 

Normenkette

BewG § 69 Abs. 1; FGO § 126 Abs. 5

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Eigentümerin eines rd. 13 000 qm großen Grundstücks in der Stadt ... , das auf den 1. Januar 1980 einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zugeordnet und zum streitigen Stichtag 1. Januar 1986 an einen Landwirt zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet war. Es lag in einem Gebiet, das seit 1984 durch rechtsverbindlichen Bebauungsplan als reines Wohngebiet ausgewiesen ist. Dieser Bebauungsplan umfaßte zwei Umlegungsgebiete. Das Grundstück der Klägerin bildete am 1. Januar 1986 eine Resteinwurfsfläche, aus der im Zuge der noch ausstehenden Eigentumsregelung künftig Baugrundstücke zugeteilt werden sollten. An diesem Stichtag war die Erschließung des Gebietes von Osten her bis dicht an die Grundstücksgrenze vorgetrieben worden.

Die Beteiligten stritten zunächst nur darüber, ob das Grundstück am 1. Januar 1986 noch land- und forstwirtschaftliches Vermögen dargestellt oder bereits zum Grundvermögen gehört hat. Die Stadt äußerte sich auf Anfrage sowohl der Klägerin als auch später des Finanzgerichts (FG) wiederholt zur Frage einer voraussichtlichen Bebaubarkeit. Am 19. Februar 1988 teilte sie der Klägerin mit, eine Zuteilung weiterer Grundstücke sei vorerst nicht absehbar. In der mittelfristigen Finanzplanung für 1988 bis 1992 seien keine Mittel für eine weitere Erschließung des Gebiets enthalten. Im Februar 1995 erklärte die Stadt gegenüber dem FG, Ende 1984 seien der Klägerin keine Hoffnungen auf eine kurzfristige Rea lisierung weiterer Zuteilungen gemacht worden. Tatsächlich seien die nächsten Zuteilungen erst 1991/1992 erfolgt. Im September 1995 ergänzte die Stadt, zum 1. Januar 1986 sei nicht absehbar gewesen, wann weitere Teile des Baugebietes erschlossen werden könnten. In der Zwischenzeit, nämlich im September 1989, hatte die Klägerin das Grundstück für ... DM an die Stadt verkauft.

Mit Bescheid vom 24. September 1986 bewertete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) das Grundstück im Wege einer Nachfeststellung auf den 1. Januar 1986 als Grundvermögen. Auf den dagegen eingelegten Einspruch setzte er den Einheitswert mit Entscheidung vom 21. April 1988 auf ... DM herab, hielt aber an der Grundstücksart fest.

Die dagegen erhobene Klage blieb in zwei Rechtsgängen erfolglos. Unter Aufhebung der ersten Entscheidung des FG hatte der erkennende Senat die Sache zurückverwiesen, da nicht auszuschließen sei, daß das Grundstück der Klägerin nach den planerischen Vorstellungen der Stadt am Bewertungsstichtag in den nächsten Jahren nicht würde bebaut werden können und der zu den Vorstellungen der Stadt angebotene Beweis durch Einholung einer Auskunft hätte erhoben werden müssen. Dazu hatte der Senat ausgeführt, erweise sich aufgrund der einzuholenden Auskunft der Stadt die Behauptung der Klägerin als zutreffend, daß auch aus der Sicht des Stichtages 1. Januar 1986 eine Bebauung des Grundstücks der Klägerin in absehbarer Zeit ausgeschlossen, zumindest aber nicht als wahrscheinlich zu erwarten gewesen sei, entfiele eine Bewertung als Grundvermögen nach § 69 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG).

Im zweiten Rechtsgang holte das FG zunächst die verlangte Auskunft der Stadt ein, stützte dann jedoch seine neuerliche Klageabweisung in erster Linie darauf, daß die angefochtene Artfeststellung bereits in Bestandskraft erwachsen sei, weil sich der Einspruch lediglich auf die Wertfeststellung bezogen habe. Nur im Sinne einer zusätzlichen Begründung hielt es an seiner Beurteilung fest, daß das Grundstück zutreffend als Grundvermögen bewertet worden sei. Zwar habe die Möglichkeit bestanden, daß das Grundstück innerhalb der nächsten sechs Jahre nicht werde bebaut werden können; dafür hätten jedoch konkrete Anhaltspunkte von Gewicht, die sich auf den gesamten Sechs-Jahres-Zeitraum bezogen haben müßten, gefehlt. Es habe nicht festgestellt werden können, daß am Stichtag eine landwirtschaftliche Nutzung für weitere sechs Jahre zu erwarten gewesen sei.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung rechtlichen Gehörs sowie des § 355 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) und des § 69 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Die Verletzung rechtlichen Gehörs liege darin, daß das FG nach zehnjähriger Verfahrensdauer zwei Tage vor der letzten mündlichen Verhandlung erstmals auf die Möglichkeit einer Bestandskraft der Artfeststellung aufmerksam gemacht habe. § 69 Abs. 1 BewG habe das FG fehlerhaft angewendet, indem es dem Bebauungsplan eine Indizwirkung für die Benutzung des Grundstücks als Bauland beigemessen habe, die ihm wegen der Besonderheiten des Streitfalles nicht zukomme. Die mehrfachen Äußerungen der Stadt belegten, daß am Stichtag 1. Januar 1986 noch nicht mit einer Bebaubarkeit des Grundstücks innerhalb von sechs Jahren habe gerechnet werden können.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 21. April 1988 und den Nachfeststellungsbescheid vom 24. September 1986 aufzuheben.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, der Einspruchsentscheidung sowie des Bescheides über die Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1986 (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Bestandskraft der Artfeststellung war vom FG nicht mehr zu prüfen; materiell-rechtlich ist die Artfeststellung unzutreffend. Daraus folgt, daß auch die Wertfeststellung rechtswidrig ist.

1. Soweit die Abweisung der Klage im zweiten Rechtsgang darauf gestützt worden ist, daß die Feststellung der Grundstücksart mangels rechtzeitigen Einspruchs bereits in Bestandskraft erwachsen sei, steht dem § 126 Abs. 5 FGO entgegen. Gemäß dieser Vorschrift hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) zugrunde zu legen. Die Bindung an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts erstreckt sich auch auf solche Gründe, die dem unmittelbaren Aufhebungsgrund logisch vorausgehen (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 26/92, BFHE 171, 1, BStBl II 1993, 720). Zu den logisch vorausgehenden Gründen gehört nicht nur die (unausgesprochene) Feststellung, daß die Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt sind, sondern auch die Prüfung solcher materiell-rechtlicher Vorfragen wie die nach der Bestandskraft des angefochtenen Bescheides, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen sind und ohne die eine Entscheidung in der Sache ebenfalls nicht möglich ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791).

2. Am 1. Januar 1986 war noch nicht anzunehmen, das Grundstück werde in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen.

Gemäß § 69 Abs. 1 BewG sind land- und forstwirtschaftliche Flächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage, den im Feststellungszeitpunkt bestehenden Verwertungsmöglichkeiten oder den sonstigen Umständen anzunehmen ist, daß sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, insbesondere als Bauland oder Land für Verkehrszwecke, dienen werden. Die anderweitige Verwendung braucht nicht sicher festzustehen. Es genügt, daß sie mit einiger Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit zu erwarten ist (so BFH-Urteil vom 4. August 1972 III R 47/72, BFHE 106, 464, BStBl II 1972, 849). Als absehbare Zeit ist ein Zeitraum von sechs Jahren ab dem maßgeblichen Stichtag anzusehen (BFH-Urteil vom 18. Juli 1984 III R 45/81, BFHE 141, 550, BStBl II 1985, 744). Die Lage im Gebiet eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes sowie der Umstand, daß bereits ein Umlegungsverfahren eingeleitet ist, sprechen regelmäßig für eine Nutzungsänderung in absehbarer Zeit. Voraussetzung ist jedoch, daß das Umlegungsverfahren zweckentsprechend (BFH-Urteil in BFHE 141, 550, BStBl II 1985, 744) und ohne Verzögerung betrieben wird. Ergeben sich bereits zum Stichtag Anhaltspunkte für eine mehrjährige Unterbrechung des Verfahrens, ist die durch den Bebauungsplan und die Einleitung des Umlegungsverfahrens bewirkte Vermutung widerlegt. In einem solchen Fall müssen andere Anzeichen für eine zu erwartende Bebaubarkeit des betroffenen Grundstücks innerhalb von sechs Jahren vorhanden sein, um eine Bewertung als Grundvermögen zu rechtfertigen.

Dies hat das FG verkannt. Es ging nicht darum, konkrete Anhaltspunkte dafür zu finden, daß das Grundstück voraussichtlich innerhalb der nächsten sechs Jahre nicht bebaut werden könne, sondern umgekehrt um Anhaltspunkte dafür, daß eine Bebauung dieser Resteinwurfsfläche trotz der mehrjährigen Verzögerung des Umlegungsverfahrens innerhalb von sechs Jahren als wahrscheinlich zu erwarten sei. Solche Anhaltspunkte liegen nicht vor und sind insbesondere den mehrfachen Auskünften der Stadt nicht zu entnehmen. Diese ergeben vielmehr, daß die Unterbrechung des Umlegungsverfahrens hinsichtlich der Resteinwurfsfläche aus der Sicht vom Bewertungszeitpunkt durchaus mehr als sechs Jahre andauern konnte. In der Äußerung vom 22. September 1995 heißt es, zum 1. Januar 1986 sei eine weitere Zuteilung von Bauland nicht absehbar gewesen. Aus den Äußerungen vom 19. Februar 1988 und 9. Februar 1995 geht hervor, daß mit mehrjährigen Verzögerungen zu rechnen war. So enthält die Äußerung vom 9. Februar 1995 nicht nur die Angabe, Ende 1984 -- also mehr als ein Jahr vor dem Stichtag -- sei der Klägerin keine Hoffnung auf eine kurzfristige Bebaubarkeit gemacht worden, sondern auch den Zusatz, die nächsten Zuteilungen in dem Gebiet seien tatsächlich erst 1991/1992 -- also mehr als fünf Jahre nach dem Stichtag -- erfolgt. Die Äußerung vom 19. Februar 1988 verweist zudem noch auf die mittelfristige Finanzplanung der Stadt, die bis 1992 und damit für ein zusätzliches (sechstes) Jahr, keine Mittel für eine weitere Erschließung vorgesehen hatte. Daß die Stadt dabei auf die Finanzplanung für 1988 bis 1992 abstellte, lag an der Art und dem Zeitpunkt der damaligen Anfrage und läßt nicht auf eine nach dem Stichtag eingetretene Änderung in den zeitlichen Vorstellungen der Stadt schließen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 833

DStRE 1998, 98

ZKF 1998, 161

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