Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Revisibilität des früheren hessischen GrEStG; zur Berechnung der Wohnzwecken dienenden Fläche nach dem GrEStEigWoG

 

Leitsatz (NV)

1. Das frühere GrEStG Hessen ist seit Aufhebung des § 160 Abs. 2 FGO durch das FGOÄndG vom 21. Dezember 1992 ab 1. Januar 1993 kein revisibles Recht mehr. Die Frage der Grunderwerbsteuerpflicht nach dem GrEStG Hessen ist daher -- im Gegensatz zur Frage der Grunderwerbsteuerbefreiung nach dem GrEStEigWoG -- durch den BFH nicht mehr überprüfbar.

2. Bei der Berechnung der Wohnzwecken dienenden Fläche nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG ist eine Kürzung der Flächen der den Haupträumen dienenden Nebenräume wegen geringerer tatsächlicher Nutzung nicht vorzunehmen.

 

Normenkette

GrEStG Hessen § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG Hessen § 13; GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; FGO i.d.F. vor dem FGOÄndG vom 21. Dezember 1992 § 118 Abs. 1; FGO i.d.F. vor dem FGOÄndG vom 21. Dezember 1992 § 160 Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben mit notariellem Kaufvertrag vom 9. Juni 1979 ein mit einem Gebäude bebautes Grundstück zum Kaufpreis von ... DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) stellte auf Antrag der Kläger den Erwerb gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen vom 11. Juli 1977 (GrEStEigWoG) zunächst von der Grunderwerbsteuer frei, setzte aber später mit Bescheiden vom 9. November 1984 gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 13 des früheren Grunderwerbsteuergesetzes Hessen (GrEStG HE) gegen die Kläger Grunderwerbsteuer fest, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Befreiung (Nutzung zu Wohnzwecken zu mehr als 66 2/3 v. H.) nicht erfüllt worden seien; außerdem setzte das FA am gleichen Tag gemäß § 3 Abs. 2 GrEStEigWoG Zinsen fest.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machten die Kläger geltend, daß sie in der Zeit vom 1. April 1980 bis Ende 1981, also mindestens ein Jahr lang, das erworbene Grundstück zu 67,04 v. H. und damit zu mehr als 66 2/3 v. H. zu Wohnzwecken genutzt hätten; denn die Wohnzwecken dienende Fläche habe 307,45 qm, die für die Arztpraxis genutzte Fläche nur 151,17 qm betragen. Die Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG lägen danach vor.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, daß das Grundstück der Kläger binnen fünf Jahren nicht mindestens ein Jahr lang zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken gedient habe. Die zunächst gewährte Steuerbefreiung sei daher gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 GrEStEigWoG mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen. Es könne dahinstehen, ob der Kellerraum von 14,10 qm sowie das spätere Büro im zweiten Obergeschoß mit 9,93 qm zu den Wohnzwecken dienenden Gebäudeteilen zu rechnen seien; maßgeblich sei, daß die Nebenräume, insbesondere die Kellerräume nicht in dem von den Klägern begehrten Umfang von 70,63 qm, sondern nur zur Hälfte (= 35,32 qm) als zu Wohnzwecken dienend angesehen werden könnten. Danach ergebe sich eine Gesamtwohnfläche von 272,13 qm (= 307,45 qm ./. 35,32 qm), die zu der gewerblichen Fläche von 151,17 qm ins Verhältnis zu setzen sei. Der Wohnflächenanteil betrage folglich nur 64,28 v. H. Dabei seien zugunsten der Kläger der von den Klägern mit 14,80 qm angegebene Wintergarten im Erdgeschoß sowie das spätere Büro im Obergeschoß als zu Wohnzwecken dienend angesehen worden.

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter. Sie rügen die Verletzung des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen mangelnder Sachaufklärung durch das FG sowie die Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht setze das FG bei der Berechnung des Wohnzwecken dienenden Anteils die Gesamtfläche der Nebenräume von 70,63 qm nur zur Hälfte an. Es weiche damit von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. Juli 1971 IV 253/65 (BFHE 102, 519, BStBl II 1971, 707) ab, wonach Nebenräume, z. B. Dielen, Abstellräume und die üblicherweise zur räumlichen Ausstattung der Wohnung gehörenden Räume, wie Boden- und Speicherräume, Kellerräume und Waschküchen bei der Berechnung der 66 2/3 v. H.-Grenze in vollem Umfang zu den Wohnräumen zu rechnen seien. Danach ergebe sich die geltend gemachte Gesamtwohnfläche von 307,45 qm und damit eine Nutzung von 67,04 v. H. zu Wohnzwecken.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 76 FGO wegen mangelnder Sachaufklärung des FG greift nicht durch. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

2. a) Dem Senat ist zwar die Prüfung verwehrt, ob das FG die Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG HE zutreffend bejaht hat, da dessen Revisibilität mit der ersatzlosen Aufhebung des § 160 Abs. 2 FGO durch das FGO-Änderungsgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90) ab dem 1. Januar 1993 und damit vor Einlegung der Revision der Kläger am 29. Januar 1993 entfallen ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 26. April 1995 II R 6/94, BFHE 178, 222, BStBl II 1995, 738). Doch ist im Streitfall die Frage entscheidungserheblich, ob der Grunderwerb der Kläger nach § 1 GrEStEigWoG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen ist. Da es sich insoweit um Bundesrecht handelt, dessen Verletzung die Kläger rügen, ist die revisionsrechtliche Überprüfung durch den Senat gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO zulässig.

b) Im Ergebnis zu Recht hat die Vorinstanz die Voraussetzungen für die von den Klägern geltend gemachte Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG verneint.

Nach dieser Vorschrift ist "der Erwerb eines Grundstücks mit einem Einfamilienhaus, wenn es vom Erwerber, seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie binnen fünf Jahren mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnt wird und zu mehr als 66 2/3 vom Hundert Wohnzwecken dient", von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Diese Voraussetzungen haben die Kläger nicht erfüllt, da das von ihnen innerhalb des Fünfjahreszeitraums mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnte Einfamilienhaus nicht zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken gedient hat.

Zwar ist der Einwand der Kläger gegen die Berechnung der zu Wohnzwecken genutzten Wohnflächen insofern begründet, als das FG im Gegensatz zu den eigentlichen Wohnräumen die üblicherweise dazugehörenden, aber nicht unmittelbar Wohnzwecken dienenden typischen Nebenräume wie Keller- oder sonstigen Abstellräume zu Unrecht nur mit der Hälfte ihrer Fläche als Wohnzwecken dienend berücksichtigt hat. Wie der Senat in seinem Urteil vom 30. September 1981 II R 8/80 (BFHE 134, 189, BStBl II 1982, 30) zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG entschieden hat, dienen Wohnzwecken "die eigentlichen Kernwohnräume, Küche, Bad, Toilette und die tatsächlich im Zusammenhang mit der Wohnung genutzten Nebenräume (Keller, Abstellräume, Speisekammern usw.)". Diesen Nebenräumen ist eigentümlich, daß sie der Nutzung der Haupträume dienen und zu ihnen in einem untergeordneten Verhältnis stehen. Für Zwecke der Verhältnisrechnung ist jedoch eine Kürzung der Fläche dieser Räume wegen der üblicherweise oder im Einzelfall geringeren tatsächlichen Nutzung entgegen der Auffassung des FG nicht vorzunehmen. Lediglich die darüber hinaus vorhandenen Räume, die nicht wohnlich genutzt werden, sondern leerstehen, dienen nicht Wohnzwecken i. S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG und bleiben in vollem Umfang unberücksichtigt.

Doch wären im Streitfall auch bei der von den Klägern begehrten Einbeziehung der Nebenräume mit ihrer ungekürzten Fläche von 70,63 qm die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG nicht erfüllt. Denn der im Erdgeschoß belegene Wintergarten mit 14,80 qm kann nicht als Wohnzwecken dienend angesehen werden. Da sämtliche Räume des Erdgeschosses unstreitig für die Arztpraxis genutzt werden und der Wintergarten ausschließlich über die Praxisräume erreichbar und nicht von der im Obergeschoß belegenen Wohnung aus zugänglich ist, scheidet seine Zuordnung zu Wohnzwecken aus. Insoweit gelten hier dieselben Grundsätze wie im vergleichbaren (umgekehrten) Fall der Zuordnung eines innerhalb des Wohnbereichs belegenen häuslichen Arbeitszimmers (vgl. Senatsurteil vom 9. November 1988 II R 61/87, BFHE 155, 128, BStBl II 1989, 135). Verringert man die von den Klägern erklärte Wohnfläche von 307,45 qm, bei der die Kellerräume in vollem Umfang berücksichtigt sind, um die Fläche des Wintergartens mit 14,80 qm und rechnet diese Fläche den von den Klägern mit 151,17 qm erklärten Praxisräumen zu, ergibt sich eine für Wohnzwecke genutzte Fläche von 292,65 qm sowie eine für Zwecke der Praxis genutzte Fläche von 165,97 qm. Danach beträgt die Wohnzwecken dienende Fläche nur 63,81 v. H. und damit weniger als die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG für die Grunderwerbsteuerbefreiung erforderlichen 66 2/3 v. H.

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 789

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