Leitsatz (amtlich)

Durchläuft eine Ware der Freiliste 3 mehrere Herstellungsstufen (Förderung von Kohle und Verarbeitung zu Koks), ist für die Gewährung von Ausfuhrhändlervergütung diejenige Umsatzsteuerbelastung im Sinne des § 16 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a UStG 1951 maßgebend, die bei der Lieferung durch den letzten Hersteller an den Antragsteller eingetreten ist. Als Hersteller im Sinne dieser Vorschrift ist nur derjenige anzusehen, der den Gegenstand der Ausfuhr zuletzt im Inland be- oder verarbeitet hat (Fortführung des Urteils des BFH vom 13. Dezember 1973 V R 75/72, BFHE 111, 193, BStBl II 1974, 225, und Abweichung vom Urteil des BFH vom 11. Mai 1967 V R 170/64, BFHE 89, 77, BStBl III 1967, 527).

 

Normenkette

UStG 1951 § 16 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt u. a. Handel mit Kohlen und Heizöl. Im April 1964 lieferte sie für 27 996,06 DM Koks nach Schweden. Für diese Ausfuhr beantragte und erhielt die Klägerin neben Ausfuhrvergütung auch Ausfuhrhändlervergütung.

Bei einer im Dezember 1964 durchgeführten örtlichen Nachprüfung wurde festgestellt, daß die Klägerin den nach Schweden exportierten Koks von der Firma M-GmbH erworben hatte. Diese Lieferung an die Klägerin war gemäß § 4 Nr. 4 UStG 1951 i. V. m. Freiliste 3 Nr. 2 und Buchst. b des Verzeichnisses der besonders zugelassenen Bearbeitungen und Verarbeitungen (Anlagen 1 und 2 zu § 4 Nr. 4 UStG 1951) umsatzsteuerfrei. Die M-GmbH hatte den an die Klägerin gelieferten Koks aus Kohle erzeugt, die von einer inländischen Zeche gefördert und unter Zwischenschaltung mehrerer Großhändler weitergeliefert worden war. Die Kohlelieferung der Zeche an den ersten Großhändler in der Kette war mit 4 v. H. der Umsatzsteuer unterworfen worden; die übrigen Kohlelieferungen (auf der Großhandelsstufe) waren nach § 4 Nr. 4 UStG 1951 (i. V. m. Freiliste 3 Nr. 2 - Anlage 1 zu § 4 Nr. 4 UStG 1951) steuerfrei.

Wegen der Steuerfreiheit der Kokslieferung an die Klägerin fordert der Beklagte und Revisionskläger (FA) mit Bescheid vom 28. Januar 1965 von der Klägerin die ihr gewährte Ausfuhrhändlervergütung, die sie für die Kokslieferung nach Schweden beantragt und erhalten hatte, in Höhe von 1 030,26 DM (=3,68 v. H. von 27 996,06 DM) zurück.

Der gegen den Rückforderungsbescheid gerichtete Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg...

Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des Rückforderungsbescheides vom 28. Januar 1965 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 1968 begehrt, hatte Erfolg...

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a UStG 1951 gerügt wird...

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.

Entgegen der Auffassung des FG besteht die auf § 26 UStG 1951 gestützte Rückforderung der gewährten Ausfuhrhändlervergütung zu Recht. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1951 in der Fassung des 15. UStÄndG vom 19. März 1964 (BGBl I 1964, 147, BStBl I 1964, 253), der für den hier vorliegenden Fall einer Ausfuhr im April 1964 anzuwenden ist (Art. 4 Abs. 2 des 15. UStÄndG), wird einem Unternehmer auf Antrag eine Ausfuhrhändlervergütung zum Ausgleich der Umsatzsteuer gewährt, die auf der Lieferung des Gegenstandes an ihn oder auf dessen Einfuhr lastet, wenn der Antragsteller eine Ausfuhrlieferung bewirkt hat. Die näheren Voraussetzungen ergeben sich aus § 16 Abs. 2 UStG 1951. Nach Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 dieser Vorschrift muß der Gegenstand der Ausfuhrlieferung - hier also der Koks - vom Antragsteller im Inland erworben worden sein. Dies ist hier der Fall. Nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG 1951 wird dem Antragsteller im Regelfall Ausfuhrhändlervergütung nur gewährt, wenn die Lieferung des später von ihm ausgeführten nämlichen Gegenstandes (des Kokses) an ihn steuerpflichtig gewesen ist. Dies war hier unstreitig nicht der Fall (vgl. § 4 Nr. 4 UStG 1951 i. V. m. Freiliste 3 Nr. 2 und Buchst. b des Bearbeitungsverzeichnisses, Anlagen 1 und 2 zu § 4 Nr. 4 UStG 1951).

Jedoch gilt gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 UStG 1951 eine (tatsächlich nicht eingetretene) Steuerbelastung der Vorlieferung als erfüllt, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Im vorliegenden Fall ist § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UStG 1951 einschlägig, da die Klägerin einen Gegenstand der Freiliste 3 erworben und ausgeführt hat. Es fehlt jedoch an der weiteren in Buchst. a aufgeführten Voraussetzung, daß nämlich eine Umsatzsteuerbelastung bei der Lieferung durch den Hersteller oder bei den anschließenden Lieferungen eingetreten ist.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UStG 1951 bleiben jedenfalls solche Umsatzsteuervorbelastungen außer Betracht, die auf den (Vor-)Lieferungen an den Hersteller liegen. Diese Regelung entspricht insoweit auch dem Sinn und Zweck des Ausgleichs der umsatzsteuerlichen Belastung durch Gewährung von Umsatzsteuervergütungen; denn die bis zur Herstellerstufe (einschließlich) aufgetretenen direkten und indirekten Umsatzsteuervorbelastungen werden durch die Gewährung von Ausfuhrvergütung gemäß §§ 23 ff. UStG 1951 abgegolten. Auf der Herstellerstufe selbst sind entgegen der Auffassung des FG Umsatzsteuerbelastungen nicht eingetreten. Denn Hersteller des von der Klägerin erworbenen und ausgeführten Gegenstandes war die M-GmbH. Sie hatte den Ausfuhrgegenstand Koks aus erworbener Kohle hergestellt und unter Inanspruchnahme des in § 4 Nr. 4 UStG 1951 verankerten Herstellerprivilegs steuerfrei an die Klägerin geliefert. Auf sonstigen anschließenden Lieferungen im Sinne des § 16 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UStG 1951 ruht im vorliegenden Fall schon deswegen keine Umsatzsteuerbelastung, weil solche Lieferungen nicht ausgeführt wurden.

Entgegen der Auffassung des FG, das sich insoweit auf das Urteil des BFH V 170/64 beruft, kann - in Übereinstimmung mit Abschn. B Nr. 27 Abs. 2 des Erlasses des BdF IV A/2 - S 4030 - 176/61 vom 13. September 1961 (BStBl I 1961, 629, 642) - als Hersteller nur derjenige angesehen werden, der den Gegenstand der Ausfuhr zuletzt im Inland bearbeitet oder verarbeitet hat (vgl. auch § 12 UStDB 1951). An der Auffassung, daß der Herstellerbegriff hiervon abweichend ausgelegt werden müsse, weil bei mehreren Herstellungsstufen eine vorher eingetretene Steuerbelastung unberücksichtigt bliebe, hält der Senat nach erneuter Überprüfung in Fortführung seiner neueren Rechtsprechung (Urteil vom 13. Dezember 1973 V R 75/72, BFHE 111, 193, BStBl II 1974, 225) nicht mehr fest. Deshalb kann nicht die Zeche (als Förderer der Kohle) Hersteller im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a UStG 1951 sein.

Für diese Auffassung ist maßgeblich, daß die hier bis zur letzten Herstellerstufe eingetretenen umsatzsteuerlichen Vorbelastungen direkter oder indirekter Natur bereits durch die Gewährung der Ausfuhrvergütung, die die Klägerin für die Kokslieferung nach Schweden erhalten hat, ausgeglichen worden sind. Dieser Ausgleich ergibt sich aus der Regelung über die Bemessungsgrundlage der Ausfuhrvergütung. Gemäß § 24 Abs. 1 i. V. m. § 19 Abs. 1 UStG 1951 ist Bemessungsgrundlage der Ausfuhrvergütung das Entgelt, das die Klägerin für die Lieferung des Ausfuhrgegenstandes Koks vom ausländischen Abnehmer vereinnahmt hat. Diese auf den Endverkaufspreis des Exporteurs hochgeschleuste Bemessungsgrundlage wäre bei Zugrundelegung der vom FG vertretenen Auffassung nicht gerechtfertigt. Stellte man nicht auf den Kokserzeuger, sondern auf den Kohleförderer als Hersteller ab, so dürfte folgerichtig eine Ausfuhrvergütung nur auf der Bemessungsgrundlage des Kohlepreises gewährt werden, da alle nachfolgenden Belastungen an Umsatzsteuer von einer Ausfuhrhändlervergütung auf der Bemessungsgrundlage des Kokspreises abgegolten würden. Diesen Weg ist der Gesetzgeber, wie die getroffene Regelung zur Bemessungsgrundlage der Ausfuhrvergütung ausweist, nicht gegangen. Würde man an der bisherigen Rechtsauffassung festhalten, so ergäbe sich aus den vorstehenden Darlegungen, daß der Herstellerin des Kokses bei einer eigenen Ausfuhr desselben Gegenstandes wegen der nicht zugelassenen Bearbeitung von Kohle auf Koks (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 18 UStG 1951) nur Ausfuhrvergütung auf der Bemessungsgrundlage ihres Preises gewährt werden könnte, nicht aber auch Ausfuhrhändlervergütung. Demgegenüber würde bei Zugrundelegung der bisherigen Rechtsauffassung die Klägerin, würde man ihr neben der Ausfuhrvergütung noch zusätzlich Ausfuhrhändlervergütung zubilligen, angesichts der Nichtbelastung der Vorlieferung mit Umsatzsteuer eine ungerechtfertigte Entlastung und Besserstellung gegenüber dem selbst exportierenden Vorlieferanten (Kokshersteller) erfahren. Dadurch würde letztlich mehr vergütet werden, als an Steuerbelastungen auf dem exportierten Gegenstand ruht, und der exportierende Händler besser gestellt als der selbst exportierende Hersteller.

Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage gegen den Rückforderungsbescheid vom 28. Januar 1965 und die Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 1968 abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72110

BStBl II 1977, 19

BFHE 1977, 88

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