Leitsatz (amtlich)

1. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinnzusammenhang des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördg geben keinen Anhalt dafür, daß eine Umsatzsteuerbelastung im Sinne dieser Vorschrift beim letzten Hersteller eingetreten sein muß. Die Auffassung des BdF-Erlasses vom 13. September 1961 Abschn. B Ziff. 27 Abs. 2, BStBl I 1961, 629, wird nicht geteilt.

2. Es steht deshalb bei der Ausfuhr von Gasöl, dessen Lieferung durch die Raffinerie und Zwischenhändler nach § 4 Ziff. 4 UStG steuerfrei ist, wegen der auf dem Rohöl lastenden Umsatzsteuer Ausfuhrhändlervergütung zu.

 

Normenkette

UStG § 16 Abs. 1; UStDB § 70 Abs. 2 Ziff. 1; AusfFördG 1961 § 7 Abs. 2 Ziff. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Antragstellerin -- Astin --) erwarb Gasöl und führte es aus. Die Lieferung der Raffinerie an die Vorlieferantin und die der Vorlieferantin an die Astin waren gemäß § 4 Ziff. 4 UStG in der Fassung des Elften Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetz (11. UStÄndG) vom 16. August 1961 (BGBl I 1961 S. 1330 -- BGBl I 1961, 1330 --, BStBl I 1961, 609) steuerfrei.

Streitig ist, ob der Astin Ausfuhrhändlervergütung nach § 7 Abs. 2 Ziff. 2 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr (Ausfuhrförderungsgesetz -- AusfFördG --) in der Fassung des Art. 2 des 11. UStÄndG vom 16. August 1961 (a. a. O.) zusteht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt -- FA --) versagte mit Bescheid vom 13. Januar 1964 die für das zweite Kalendervierteljahr 1962 beantragte Ausfuhrhändlervergütung in Höhe von ... DM, weil er der Auffassung war daß als Herstellerin des ausgeführten Gasöls die Raffinerie anzusehen sei, diese aber bei Lieferung der Erzeugnisse Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG in Anspruch genommen habe. Da auch die Vorlieferung an die Astin steuerfrei gewesen sei, sei weder bei der Lieferung der Erzeugnisse durch den Hersteller noch bei der anschließenden Lieferung eine Umsatzsteuerbelastung eingetreten. Dies sei aber nach § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrhändlervergütung. Das FA berief sich für seine Meinung auf Abschnitt B Ziff. 27 Abs. 2 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen (BdF) IV A/2 -- S 4030 -- 176/61 vom 13. September 1961 (BStBl I 1961, 629, 642). Danach ist als Hersteller im Sinne des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG der Unternehmer anzusehen, "der den Gegenstand im Inland zuletzt bearbeitet oder verarbeitet hat (§ 12 UStDB)".

Gegen diese Auffassung wendet sich die Astin. Sie ist der Ansicht, daß als Hersteller der Förderer des rohen Erdöls anzusehen sei. Da die Lieferung des rohen Erdöls an die Raffinerie mit 4 v. H. Umsatzsteuer belastet gewesen sei, seien die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG erfüllt.

Die Sprungberufung(-klage) hatte keinen Erfolg.

In der Rb. beantragt die Astin nach dem Zusammenhang ihrer Ausführungen die Vorentscheidung, die in Entscheidungen der Finanzgerichte 1964 S. 570 -- EFG 1964, 570 -- veröffentlicht ist, aufzuheben und ihr die versagte Ausfuhrhändlervergütung zu gewähren. Sie wendet sich gegen die auch vom Finanzgericht (FG) in Anlehnung an das FA vertretene Auslegung des Herstellerbegriffs. Der Gesetzgeber habe in § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG den Begriff des Herstellers nicht näher bestimmt. Maßgebend sei daher die Verkehrsanschauung. Für die moderne Wirtschaft sei die Arbeitsteiligkeit eine charakteristische Erscheinung. An der Herstellung eines Gegenstandes wirkten oft mehrere Unternehmer mit. Auf dieser Tatsache beruhe auch die Regelung der Ausfuhrhändlervergütung, wenn ihre Gewährung davon abhängig sei, daß der ausgeführte Gegenstand bei den vorangegangenen Lieferungen infolge seiner Herstellung oder infolge anderer Bearbeitungen umsatzsteuerrechtliche Belastungen erfahren haben müsse.

Bei der Raffination des Erdöls, die im Streitfall durch die Raffinerie vorgenommen worden sei, handle es sich um eine Veredelung. Der Veredelungsvorgang könne aber für sich allein nicht Herstellungsvorgang sein. Dazu müsse auch die Gewinnung des Rohöls gerechnet werden. Bei der Lieferung des Rohöls sei jedoch Umsatzsteuer in Höhe von 4 v. H. angefallen.

Der Entwicklungsgeschichte des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG könne schließlich entnommen werden, daß bei der Ausfuhr von Erdölerzeugnissen, von der Zeit von 1951 bis 1953 abgesehen, stets die Ausfuhrhändlervergütung gewährt worden sei.

Im übrigen führe die Auffassung des FG und des FA zu widersinnnigen Ergebnissen. Die Auslegung des Herstellerbegriffs durch das FA und FG reize dazu an, den bearbeitenden Lieferanten auszuschalten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., die nunmehr als Revision zu behandeln ist (§ 184 Abs. 2 Ziff. 1 FGO), führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des Bescheides vom 13. Januar 1964, soweit darin die Ausfuhrhändlervergütung versagt worden ist.

1. Nach § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG in der für den Streitfall maßgebenden Fassung kann Ausfuhrhändlervergütung auf Antrag gewährt werden, wenn die Lieferung eines Gegenstandes an den Antragsteller nach § 4 Ziff. 4 UStG steuerfrei gewesen ist und bei der Lieferung des Gegenstandes durch den Hersteller oder bei den anschließenden Lieferungen Umsatzsteuerbelastungen eingetreten sind. Nach Auffassung der Vorinstanz muß der Gegenstand, dessen Lieferung an den Antragsteller steuerfrei gewesen ist, der nämliche sein, bei dessen Lieferung durch den Hersteller oder bei den anschließenden Lieferungen Umsatzsteuerbelastungen eingetreten sind. Die Vorinstanz leitet dies aus dem Wortlaut -- "Lieferung eines Gegenstandes" und "bei der Lieferung des Gegenstandes" -- ab. Nach Auffassung des Senats läßt jedoch der Wortlaut der Vorschrift diese Auslegung nicht zweifelsfrei zu; denn bei einer solchen Auslegung würde dem Umstand nicht Rechnung getragen, daß auf dem Weg vom Hersteller zum Ausfuhrhändler Umsatzsteuerbelastungen gerade dadurch eintreten können, daß der Gegenstand in einer steuerlich nicht zugelassenen Weise be- oder verarbeitet worden ist. In allen diesen Fällen müßte dann, obwohl eine Umsatzsteuerbelastung eingetreten ist, wegen fehlender Nämlichkeit des Gegenstandes die Ausfuhrhändlervergütung versagt werden.

2. § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG gibt keine Begriffsbestimmung des Herstellers im Sinne dieser Vorschrift.

Der BdF hat in dem Erlaß vom 13. September 1961 (a. a. O.) hierzu ausgeführt: "Als Hersteller im Sinne jener Vorschrift ist der Unternehmer anzusehen, der den Gegenstand im Inland zuletzt bearbeitet oder verarbeitet hat (§ 12 UStDB)." Der BdF geht demnach davon aus, daß unter den Unternehmern, die einen Gegenstand be- oder verarbeitet haben, nur die letzte Be- oder Verarbeitung als Herstellung anzusehen ist, ohne Rücksicht darauf, in welchem Umfang die Ware zuletzt bearbeitet worden ist. Das hat zur Folge, daß in den Fällen des § 4 Ziff. 4 UStG, in denen eine Be- oder Verarbeitung steuerlich zugelassen ist, der Bearbeiter als Hersteller anzusehen ist, eine vorher eingetretene Steuerbelastung aber unberücksichtigt bleiben muß. Es kann demnach gerade in diesen Fällen, in denen der Hersteller -- im Sinne des BdF-Erlasses -- steuerfrei liefert, eine Ausfuhrhändlervergütung nicht gewährt werden, obwohl unter Umständen die Ware mit Umsatzsteuer belastet ist.

3. Dieses Ergebnis könnte nur dann hingenommen werden, wenn es dem in der gesetzlichen Bestimmung zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1 S. 299, 312 -- BVerfGE 1, 299, 312 --) unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte ergibt, entspräche.

a) Im Wortlaut der Vorschrift kommt nicht zum Ausdruck, daß dann, wenn eine Ware mehrere Herstellungsstufen durchläuft, nur die Steuerbelastung maßgebend sein soll, die beim letzten Hersteller eintritt und, soweit bei diesem die Ware nicht belastet wird, eine maßgebliche Umsatzsteuerbelastung überhaupt nicht vorliegt. Der Gesetzgeber, dem nicht unbekannt sein konnte, daß die Fertigung der Waren des § 4 Ziff. 4 UStG sich oftmals in mehreren Herstellungsstufen vollzieht, hätte, wenn die letzte Herstellungsstufe für die steuerliche Belastung maßgebend hätte sein sollen, dies zweifellos eindeutig im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck bringen können. Da dies aber nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, daß es dem Gesetzgeber nicht darauf angekommen ist, auf welcher der mehreren Herstellungsstufen einer Ware eine umsatzsteuerliche Belastung eingetreten ist.

b) § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG ist im Zusammenhang zu sehen mit § 70 Abs. 2 UStDB, der in Ergänzung des § 16 Abs. 1 UStG als Voraussetzung für die Ausfuhrhändlervergütung u. a. in Ziff. 1 Satz 2 vorschreibt, daß die Lieferung an den Antragsteller steuerpflichtig gewesen sein muß. Diese Voraussetzung wird durch § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG dahin ergänzt, daß Ausfuhrhändlervergütung auch dann gewährt wird, wenn die Lieferung an den Antragsteller nach § 4 Ziff. 4 UStG steuerfrei gewesen ist. Dies bedeutet für die Lieferungen der in § 4 Ziff. 4 UStG in Verbindung mit der Freiliste 3 aufgeführten Rohstoffe, Halberzeugnisse und Lebensmittel eine Ausnahme von dem Grundsatz des § 70 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStDB. Eine Ausnahme stellt § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG jedoch nur insoweit dar, als die Lieferung an den Ausfuhrhändler nicht steuerpflichtig gewesen sein muß. An der umsatzsteuerlichen Belastung der Ausfuhrware, die durch § 70 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStDB sichergestellt wird, hält aber auch die Neufassung des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG fest. Im Unterschied zu § 70 Abs. 2 Ziff. 1 Satz 2 UStDB ist es jedoch nach § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG gleichgültig, wann die Vorbelastung eingetreten ist. Eine Vorbelastung besteht aber auch in den Fällen, in denen bei einer Weiterverarbeitung mit anschließender steuerfreier Lieferung auf der ursprünglichen Ware ruhende Umsatzsteuer als Kostenanteil überwälzt wird. So aber ist es im Streitfall. Das rohe Erdöl ist mit 4 v. H. Umsatzsteuer bei der Lieferung an die Raffinerie belastet. Diese umsatzsteuerliche Belastung bleibt als Kostenanteil auch bei dem aus dem Erdöl hergestellten Gasöl bestehen.

c) Auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift läßt sich ein Wille des Gesetzgebers, daß für die steuerliche Belastung gerade die letzte Herstellungsstufe maßgebend sein soll, nicht entnehmen. Bei der Regelung des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG in der Fassung vom 18. September 1953 (BGBl I 1953, 1379, BStBl I 1953, 402) ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, daß vom Erzeuger überwälzte Umsatzsteuer auch bei steuerfreier Vorlieferung dem Ausfuhrhändler als Kostenelement weiter belastet wird (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode 1949 Drucksache 4242). Da diese Vorstellung des Gesetzgebers im Wortlaut des Gesetzes selbst keinen Ausdruck gefunden hatte, mußte Ausfuhrhändlervergütung auch in den Fällen gewährt werden, in denen die an den Ausfuhrhändler gelieferte Ware auch auf der Erzeugerstufe nicht mit Umsatzsteuer belastet war, z. B. Getreide (vgl. Urteil V 241/61 vom 28. Oktober 1964, HFR 1965, 340). Da dies aber gerade dem Zweck der Ausfuhrhändlervergütung zuwiderlief, nämlich den Ausfuhrhändler mit dem Erzeuger dadurch gleichzustellen, daß ihm die auf der Lieferung durch den Erzeuger an ihn lastende Umsatzsteuer vergütet wurde (vgl. Urteil V 133/63 U vom 20. Mai 1965, BFH 82, 517, BStBl III 1965, 433), hat § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG in der Fassung des Art. 2 des 11. UStÄndG vom 16. August 1961 (a. a. O.) vorgeschrieben, daß bei der Lieferung des Gegenstandes durch den hersteller oder bei den anschließenden Lieferungen Umsatzsteuerbelastungen eingetreten sein müssen. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs, Bundestagsdrucksache III/2402 S. 14, ergibt sich lediglich, daß die Änderung des § 7 Abs. 2 Ziff. 2 AusfFördG deshalb erforderlich gewesen ist, weil die Bestimmungen des § 4 Ziff. 4 UStG und des § 29 UStDB gestrichen und -- nach dem Regierungsentwurf -- als §§ 4 a und 4 b in das UStG übernommen worden seien. Im übrigen sei die Bestimmung den in den EWG- und GATT-Verträgen übernommenen Verpflichtungen angepaßt worden. Dies bezieht sich offenbar auf die Notwendigkeit einer Umsatzsteuerbelastung bei Gewährung der Ausfuhrhändlervergütung. Denn nach Art. 96 EWG-Vertrag darf bei Ausfuhr von Waren aus einem Mitgliedsstaat die Rückvergütung für inländische Abgaben nicht höher sein als die auf die ausgeführten Waren mittelbar oder unmittelbar erhobenen inländischen Abgaben. Danach kommt es also nur darauf an, daß eine Ware überhaupt eine Umsatzsteuerbelastung bis zur Ausfuhr erfahren hat, nicht aber darauf, wann diese Belastung eingetreten ist.

Da sonach der Auffassung der Vorinstanz und des FA nicht beigetreten werden kann, war die Vorentscheidung und die Ablehnung der Ausfuhrhändlervergütung im Bescheid vom 13. Januar 1964 aufzuheben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412594

BStBl III 1967, 527

BFHE 1967, 77

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