Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Durch die Nachversteuerung im Sinne des § 10a Abs. 2 EStG 1950 wird der Verlust (Verlustabzug) nach § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG bis zur Höhe des bei der Veranlagung besonders festgestellten Betrages (ß 10a Abs. 1 letzter Satz EStG 1950) beeinflußt.

EStG 1950 § 10a Abs. 1 und 2; EStG 1951 § 51 Abs. 1 Ziff. 2 a; EStDV 1951 § 58b; EStG § 2 Abs. 1

 

Normenkette

EStG § 10a Abs. 1-2, § 51/1/2/a; EStDV § 58b/1; EStG § 2 Abs. 1-2, § 10 Abs. 1 Ziff. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Verlust aus Gewerbebetrieb durch einen nachzuversteuernden Betrag im Sinne des § 10a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 vermindert bzw. beseitigt wird, oder ob der Verlust, soweit er durch andere Einkünfte nicht ausgeglichen ist, erhalten bleibt und das Einkommen des folgenden Jahres beeinflussen kann.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist für 1951 auf Grund folgender Berechnung von der Einkommensteuer freigestellt worden:

Gewinn aus Gewerbebetrieb --------------- - 3.685 DM Einkünfte aus Vermietung ---------------- + 222 DM ----------------------------------------- - 3.463 DM Sonderausgaben -------------------------- - 234 DM Einkommen ------------------------------- - 3.697 DM Nachversteuerung aus 1950 --------------- + 3.279 DM ----------------------------------------- - 418 DM Die vorläufige Veranlagung für 1952 ist nach folgenden Besteuerungsgrundlagen vorgenommen worden:

Gewinn aus Gewerbebetrieb --------------- + 10.844 DM überschuß aus Vermietung --------------- + 119 DM ------------------------------------------- 10.963 DM Sonderausgaben ----- 234 DM Verlustabzug aus 1951 --- 0,00 DM ------- - 234 DM Einkommen --------------------------------- 10.729 DM Pauschbetrag für Körperbeschädigung ----- - 216 DM zu versteuern ----------------------------- 10.513 DM.Mit der gegen die Veranlagung für 1951 und 1952 eingelegten Sprungberufung begehrte der Bf. für 1951 die Anerkennung nachstehender Berechnung:

überschuß aus Vermietung ----------------- 222 DM Sonderausgaben ---------------------------- - 234 DM ------------------------------------------- - 12 DM Nachversteuerung aus 1950 ----------------- 3.279 DM zu versteuern ----------------------------- 3.267 DM.Für 1952 will der Bf. den gewerblichen Verlust des Jahres 1951 als Verlustabzug angerechnet wissen. Das Finanzgericht hat aber nur einen solchen von 184 DM (3.463 DM ./. 3.279 DM) anerkannt.

Mit der Rechtsbeschwerde wird nach wie vor geltend gemacht, daß der nachzuversteuernde Betrag nach der Systematik des EStG nicht zu den Einkünften gehöre. Bei einem Zusammentreffen von Verlusten mit nachzuversteuernden Beträgen im Sinne des § 10a Abs. 2 EStG 1950 müsse der Verlustabzug erhalten bleiben.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel kann nicht zum Erfolge führen.

Nach § 10a Abs. 1 EStG sind die Mehrentnahmen in einem auf die Inanspruchnahme der Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes folgenden Jahre bis zur Höhe des besonders festgestellten Betrages (ß 10a Abs. 1 letzter Satz a. a. O.) dem Einkommen des Jahres der Mehrentnahme hinzuzurechnen. Der Begriff des Einkommens ergibt sich aus § 2 Abs. 2 EStG. Er umfaßt den Gesamtbetrag der Einkünfte aus den in § 2 Abs. 3 EStG bezeichneten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich bei diesen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben. Einkünfte aus den einzelnen Einkunftsarten können positiv oder negativ sein (vgl. Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 4/50 S vom 25. Januar 1951, Slg. Bd. 55 S. 182, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 68 = Steuerrechtsprechung in Karteiform, EinkStG § 10 Abs. 1 Ziff. 4 Rechtsanspruch 3). Mithin kann sich auch ein positives oder negatives Einkommen ergeben. Das EStG erkennt negatives Einkommen an, anderenfalls er keinen steuerlich zu berücksichtigenden Verlust und Verlustabzug geben würde. Ist nun der nachzuversteuernde Betrag im Sinne des § 10a Abs. 2 EStG 1950 einem negativen Einkommen hinzuzurechnen, so wird er hierdurch vermindert oder völlig beseitigt.

Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1950 sind Verluste aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit, soweit sie nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre ausgeglichen oder abgezogen worden sind, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzusetzen (Verlustabzug). Die Höhe des Verlustabzuges ergibt sich aus dem Ausgleich des Verlustes aus Gewerbebetrieb usw. mit den Einkünften aus den übrigen Einkunftsarten der Vorjahre im Rahmen der Gewinnermittlung. Der Verlustabzug wird im Anrechnungsjahr wie eine Sonderausgabe vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen.

Die Nachversteuerung ist im § 10a EStG 1950 im Interesse der Vereinfachung abweichend von den Bestimmungen über die Nachversteuerung des nicht entnommenen Gewinnes für II/1948/1949 geregelt worden (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs IV 518/53 U vom 18. November 1954, Slg. Bd. 60 S. 18, BStBl 1955 III S. 8 Steuerrechtsprechung in Karteiform, EinkStG § 10a Rechtsspruch 11). Auf Grund des § 10a EStG 1950 wird, wie bereits erwähnt, in Fällen negativen Einkommens eine Verminderung oder Beseitigung der Nachversteuerung herbeigeführt. Die Auffassung, daß der Verlustabzug beim Vorhandensein negativen Einkommens erhalten bleibe, da der nachzuversteuernde Betrag zu keiner Einkunftsart im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG gehöre, hätte nach der Systematik des Gesetzes zur Folge, daß der Verlust, soweit er in einem negativen Einkommen noch zum Ausdruck kommt, den nachzuversteuernden Betrag zwar vermindern oder beseitigen, aber in Form des Verlustabzuges in den folgenden Jahren nochmals das Einkommen und damit den zu versteuernden Betrag mindern würde. Hieraus würden sich in der Besteuerung Ungleichheiten ergeben. Ein Steuerpflichtiger, der im Jahre der Mehrentnahme ein positives Einkommen oder ein solches von +/- 0 DM hat, wird mit dem nachzuversteuernden Betrag in voller Höhe herangezogen. Dagegen hat derjenige, dessen negatives Einkommen im Jahre der Mehrentnahme der Höhe des nachzuversteuernden Betrages entspricht, keine Nachsteuer zu entrichten, da das negative Einkommen den nachzuversteuernden Betrag beseitigt. Außerdem könnte aber dieser Steuerpflichtige den Verlustabzug, der sich aus dem Ausgleich des Verlustes aus Gewerbebetrieb usw. mit den Einkünften aus den übrigen Einkunftsarten ergibt, in den folgenden Jahren nochmals vom Gesamtbetrag der Einkünfte absetzen. Durch § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG sollte im begrenzten Rahmen eine Durchschnittsbesteuerung für mehrere Jahre herbeigeführt werden. Sinn und Zweck dieser Bestimmung kann nur darin liegen, den Verlust nur einmal von dem zu versteuernden Betrage abzuziehen. Wenn auch der nachzuversteuernde Betrag im Sinne des § 10a Abs. 2 EStG 1950 zu keiner Einkunftsart im Sinne des Gesetzes gehört, so stellt er doch einen in früheren Jahren zunächst steuerfrei gebliebenen Teilbetrag von Einkünften dar. Ebenso wie der nicht entnommene Gewinn seinem Wesen nach keine Sonderausgabe ist, aber wie eine solche behandelt wird, müssen auch die nachzuversteuernden Beträge wie Einkünfte behandelt werden. Die mit dem System des EStG nicht übereinstimmende Regelung des nicht entnommenen Gewinnes und seiner Nachversteuerung kann nicht, auch nicht bezüglich des Verlustabzuges, mit dem Hinweis auf die Systematik des gleichen Gesetzes bekämpft werden. Es besteht eine gewisse ähnlichkeit mit der Behandlung ausgeschütteter Dividenden an Versicherungsnehmer beim Abzug von Versicherungsprämien; auch diese Dividenden sind im Sinne des Gesetzes keine Einkünfte aus Kapitalvermögen, vermindern aber die abzugsfähigen Sonderausgaben. Die Nachversteuerung bewirkt eine Rückgängigmachung des Sonderausgabenabzuges wegen nicht entnommenen Gewinnes; letzterer stellt gewissermaßen eine Art Rücklage dar, deren gewinnbeeinflussende Auflösung durch Mehrentnahmen oder durch einen Antrag des Steuerpflichtigen bedingt ist, ab 1955 durch Ablösung. Die Streitfrage kann letztlich nur aus dem Sinn und Zweck des § 10 Abs. 1 Ziff. 4 EStG 1950 sowie der Institution des nicht entnommenen Gewinnes und seiner Nachversteuerung entschieden werden. Die Nachversteuerung infolge Mehrentnahmen dient der nachträglichen Sicherung der steuerbegünstigt erfolgten Betriebskapitalbildung; derjenige, der durch sein Verhalten eine Einbuße dieser begünstigten Kapitalbildung herbeiführt, soll die Vergünstigung des nicht entnommenen Gewinnes insoweit wieder verlieren. Der Vorschlag des Bf., im Jahre der Mehrentnahme den nachzuversteuernden Betrag der Einkommensteuer zu unterwerfen, dafür aber den Verlustvortrag in voller Höhe erst im nächsten Jahre zu berücksichtigen, würden dazu führen, daß im Streitfalle für 1951 nur ein Teil der - positiven oder negativen - Einkünfte erfaßt würde. Das steht aber mit der Berücksichtigung der in einem Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte oder Verluste, d. h. den zwingenden Vorschriften des § 2 Abs. 1 und 2 EStG sowie mit § 10 Abs. 1 Ziff. 4 a. a. O., der Verlustabzüge nur insoweit zuläßt, als sie nicht bei der Veranlagung für vorausgegangene Veranlagungszeiträume ausgeglichen oder abgezogen worden sind, nicht im Einklang.

Hiernach muß der zutreffenden Würdigung des Finanzgerichts beigetreten werden.

 

Fundstellen

BStBl III 1956, 127

BFHE 1956, 342

BFHE 62, 342

StRK, EStG:10a R 21

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