Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Sind mehrere Personen an gewerblichen Einkünften beteiligt und ist zwischen den Beteiligten streitig, ob ein Vorgang als Einlage zu beurteilen ist, so ist darüber in dem nach § 215 Abs. 2 AO durchzuführenden Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden. Es gelten die gleichen Grundsätze, wie sie der erkennende Senat im Urteil IV 442/54 U vom 9. Dezember 1955 (Slg. Bd. 62 S. 180, BStBl 1956 III S. 67) hinsichtlich der Entnahmen entwickelt hat.

Die Frage, ob mit Entnahmen des laufenden Veranlagungszeitraums Einlagen eines anderen Veranlagungszeitraums verrechnet werden können, ist in dem den einzelnen Steuerpflichtigen betreffenden Veranlagungsverfahren, nicht im Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden.

Die Verrechnung der Entnahmen des laufenden Veranlagungszeitraums mit den Einlagen eines späteren Veranlagungszeitraums ist nach der zu § 32b Abs. 3 EStG 1952 ergangenen Vorschrift des § 50c Abs. 1 EStDV 1952 ausgeschlossen. Die Vorschrift hält sich im Rahmen der Ermächtigung des § 32b Abs. 8 EStG 1952 und ist daher rechtsverbindlich.

 

Normenkette

EStG § 32b Abs. 3; EStDV § 50c Abs. 1; AO §§ 215-216

 

Tatbestand

Das Finanzamt hat als das zuständige Wohnsitzfinanzamt den Beschwerdegegner (Bg.), der in der Hauptsache gewerbliche Einkünfte als Gesellschafter einer Werkzeugmaschinenfabrik bezogen hat, zur Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1952 entsprechend seinem für die Veranlagungszeiträume 1951 bis 1953 geltenden Antrage nach § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1952 veranlagt. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift unterliegen die Entnahmen für die angemessene Unternehmervergütung und die darüber hinausgehenden Entnahmen, "soweit sie die Einlagen in den Veranlagungszeiträumen übersteigen, für die der Antrag nach Abs. 1 gilt", zusammen mit den anderen Einkünften der Versteuerung nach der Einkommensteuertabelle gemäß § 32 EStG.

Nach der Berechnung des Finanzamts ergibt sich hiernach: Gesamtentnahmen ------------------------------ 436.169 DM Einkünfte aus Kapitalvermögen --------------------- 53 DM Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ------- 1.841 DM ---------------------------------------------- 438.063 DM steuerunschädliche Entnahme nach § 32b Abs. 4 EStG ---------------------------- 179.636 DM ---------------------------------------------- 258.427 DM anteilige Sonderausgaben ---------------------- 17.718 DM zu versteuern nach § 32b Abs. 3 EStG --------- 240.709 DM.Das Finanzamt hat die Gesamtentnahmen in der Höhe zugrunde gelegt, wie sie in dem die OHG betreffenden Gewinnfeststellungsverfahren vom Betriebsfinanzamt festgestellt worden sind. Im Veranlagungsverfahren hatte der Bg. beantragt, aus einem im Jahre 1953 im Kreditwege beschafften und dem Betriebsvermögen der OHG zugeflossenen Gesamtbetrage von 358.000 DM einen Teilbetrag von 108.415 DM als Einlage mit den Gesamtentnahmen des Kalenderjahres 1952 zu verrechnen. Danach würden sich die der Berechnung zugrunde zu legenden Gesamtentnahmen von 436.169 DM um 108.415 DM auf 327.754 DM und demgemäß auch der zu versteuernde Betrag bzw. die festzusetzende Einkommensteuer entsprechend ermäßigt haben. Um diese Frage geht der Streit, wobei zwischen den Beteiligten folgende Punkte erörtert werden:

Das Finanzamt bestreitet mit eingehenden Darlegungen, daß der Betrag von 108.415 DM überhaupt eine Einlage des Bg. aus seinem Privatvermögen darstelle. Nach seiner Beurteilung der Sachlage handele es sich bei der Kreditaufnahme um einen Betriebsvorgang und demgemäß bei der aus dieser Kreditaufnahme herrührenden Verpflichtung um eine Betriebsschuld der OHG und nicht um eine private Verpflichtung des Bg. Das Finanzamt ist im übrigen der Meinung, daß diese Frage nicht Gegenstand der die Einkommensteuer 1952 betreffenden Veranlagung und somit auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein könne. Sie müsse nach seiner Auffassung in dem das Kalenderjahr 1953 betreffenden Gewinnfeststellungsverfahren der OHG entschieden werden. Da das zuständige Finanzamt eine Feststellung im Sinne des Bg. nicht getroffen habe, sei der Verrechnungsantrag des Bg. schon deshalb rechtlich unbegründet.

Demgegenüber hält der Bg. - ebenfalls mit eingehenden Darlegungen - daran fest, daß es sich bei dem im Jahre 1953 aufgenommenen Darlehen um ein privates Darlehen handele, so daß die Zuführung des Darlehnsbetrages in das Vermögen der OHG als Einlage anzuerkennen sei. Er bestreitet ferner, daß es hinsichtlich dieser Frage noch einer Entscheidung bzw. Feststellung in dem die OHG betreffenden Gewinnfeststellungsverfahren 1953 bedürfe.

Das Finanzamt hält - abgesehen von den Erwägungen zu 1. - die von dem Bg. beantragte Einlagenverrechnung auch sonst für unzulässig. Es beruft sich dabei auf die - nach seiner Auffassung rechtsgültige - Regelung in § 50c Abs. 1 der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV) 1952, nach der die Entnahmen im Sinne des § 32b Abs. 3 EStG 1952 nur insoweit der Besteuerung gemäß § 32 EStG unterlägen, "als sie die Einlagen im laufenden Veranlagungszeitraum und die Einlagen in den vorausgehenden Veranlagungszeiträumen übersteigen". Es versteht diese Regelung dahin, daß durch sie eine Verrechnung solcher Einlagen ausgeschlossen sein solle, die erst in einem dem Veranlagungsjahr folgenden Veranlagungszeitraum - hier dem Veranlagungszeitraum 1953 - getätigt worden seien. Dies ergebe sich auch schon unmittelbar aus § 32b Abs. 3 EStG 1952. Wenn man aber allenfalls anerkennen wolle, daß die Vorschrift nach ihrer Fassung auch eine Auslegung im Sinne des Bg. zulasse, so sei jedenfalls ihre etwaige Mehrdeutigkeit durch § 50c Abs. 1 EStDV 1952 im Sinne der vom Finanzamt vertretenen Rechtsauffassung beseitigt. Die Bestimmung sei rechtsgültig. Der Verordnungsgeber habe sich dabei im Rahmen der ihm vom Gesetz in Abs. 8 des § 32b EStG 1952 erteilten Ermächtigung gehalten, die Durchführung des Abs. 3 durch Rechtsverordnung "näher" zu regeln.

Der Bg. ist gegenteiliger Auffassung. Er legt dar: Abs. 3 des § 32b EStG 1952 könne nur in dem Sinne verstanden werden, daß der die Veranlagungszeiträume 1951 bis 1953 umfassende Optionszeitraum hinsichtlich der Einlagenverrechnung als einheitlicher Zeitraum aufzufassen sei. Der Wortlaut der Bestimmung sei eindeutig und unmißverständlich. Für eine andere Auslegung lasse er keinen Raum, so daß ein Wahlrecht dahin gegeben sei, eine im Jahre 1953 getätigte Einlage ganz oder teilweise als Einlage des Jahres 1952 zu behandeln und mit den Entnahmen dieses Jahres zu verrechnen. Die Vorschrift des § 50c Abs. 1 EStDV 1952 stehe dieser Auffassung auch nicht entgegen. Sie gebe vielmehr über die in § 32b Abs. 3 EStG 1952 getroffene Regelung hinaus dem Steuerpflichtigen zusätzlich das Recht, mit den Entnahmen des laufenden Veranlagungszeitraums auch solche Einlagen zu verrechnen, die "in den vorausgehenden Veranlagungszeiträumen" im Sinne des Abs. 1 Satz 2 des § 50c EStDV 1952 erfolgt seien. Wenn die Vorschrift indessen im Sinne der Verwaltung so gemeint sei, daß durch sie beispielsweise die Verrechnung einer Einlage des Jahres 1953 mit Entnahmen des Jahres 1952 ausgeschlossen sei, so ergänze bzw. ändere sie das EStG mangels einer dahingehenden Ermächtigung in unzulässiger Weise und sei daher insoweit nicht rechtsgültig.

Das Finanzgericht hat der Berufung des Bg. stattgegeben, die von ihm nach § 32b Abs. 3 EStG 1952 für 1952 zu entrichtende Einkommensteuer von 175.145 DM auf 83.595 DM herabgesetzt und zur Begründung in seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:

Das im Jahre 1953 aufgenommene Darlehen von 358.000 DM sei vom Bg. aus privaten Gründen aufgenommen worden, um damit steuerschädliche Entnahmen zu vermeiden oder auszugleichen. Das Finanzamt habe das auch anerkannt, indem es das Darlehen als privat und die Zinsen als Sonderausgaben behandelt habe. Es handle sich daher bei dem Betrag von 108.415 DM um eine Einlage. Die Zulässigkeit ihrer Verrechnung mit den Entnahmen des Jahres 1952 ergebe sich "unmißverständlich" aus dem Gesetzeswortlaut. Ausgleichbar seien die Einlagen während des gesamten Optionszeitraumes mit dessen steuerschädlichen Entnahmen. Wenn etwa § 50c Abs. 1 EStDV 1952 die Verrechnung der Entnahmen des laufenden Veranlagungszeitraumes mit den Einlagen späterer Veranlagungszeiträume des Optionszeitraumes ausschließen wolle, so verstoße er gegen das Gesetz und sei rechtsungültig. Verfahrensrechtliche Bedenken könnten gegen die vom Bg. vertretene Auffassung um so weniger geltend gemacht werden, als die Einkommensteuer-Veranlagung 1952 noch nicht rechtskräftig geworden sei. Aber selbst im Falle der Rechtskraft lasse sich das dadurch gegebene Problem - abgesehen von § 222 der Reichsabgabenordnung (AO) - durch eine änderung der Veranlagung gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) lösen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung aus folgenden Gründen:

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, der sich der I. Senat angeschlossen hat, ist bei Mitunternehmergemeinschaften über die Höhe der Entnahmen, insbesondere also auch darüber, ob ein Vorgang Entnahme oder Betriebsausgabe ist, im Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 442/54 U vom 9. Dezember 1955 und I 299/55 U vom 29. Mai 1956, Slg. Bd. 62 S. 180 bzw. S. 504, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 67 bzw. S. 188). Das gleiche muß für die Höhe der im Feststellungsjahr getätigten Einlagen, insbesondere also auch für die Frage gelten, ob ein bestimmter Vorgang des Feststellungsjahres als Einlage oder als Betriebsvorgang zu beurteilen ist. Darin erschöpft sich im übrigen insoweit die Tragweite der im Gewinnfeststellungsverfahren zu treffenden Feststellungen. Daraus ergibt sich zunächst einerseits, daß die streitige Verrechnungsfrage als reine Tariffrage ausschließlich im Veranlagungsverfahren bzw. in dem sich daran anschließenden Rechtsmittelverfahren, mithin im vorliegenden Verfahren, zu entscheiden ist; denn Sache des Betriebsfinanzamtes ist es nur, Höhe der Entnahmen und Einlagen des Feststellungsjahres an Hand der ihm für dieses Jahr vorliegenden bilanzmäßigen Unterlagen zu prüfen und festzustellen. Es ist nicht seine Aufgabe, festzustellen, inwieweit die Höhe der Entnahmen im laufenden Veranlagungszeitraum durch die in anderen Veranlagungszeiträumen getätigten Einlagen beeinflußt wird. Das muß der Nachprüfung im Veranlagungsverfahren vorbehalten bleiben. Andererseits folgt daraus, daß die zwischen den Beteiligten erörterte Frage, ob der Bg. im Jahre 1953 einen Betrag von 108.415 DM eingelegt hat oder ob in dieser Höhe eine Betriebsschuld der OHG entstanden ist, nicht in dem hier anhängigen Verfahren zu entscheiden ist. Sie ist vielmehr ausschließlich in dem das Kalenderjahr 1953 betreffenden Gewinnfeststellungsverfahren zu entscheiden und kann daher hier nicht erörtert werden. Ob eine solche Entscheidung inzwischen im Gewinnfeststellungsverfahren 1953 ergangen ist, und in welchem Sinne sie ergangen ist, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Das kann indessen auch auf sich beruhen, weil der Senat aus den im nachfolgenden dargelegten Gründen dazu gelangt, die Zulässigkeit der Verrechnung einer etwa im Jahre 1953 erfolgten Einlage mit Entnahmen des Jahres 1952 zu verneinen.

Es kann - worauf die Rb. zutreffend hinweist - entgegen der von der Vorinstanz vertretenen Auffassung nicht anerkannt werden, daß Abs. 3 des § 32b EStG nach seinem Wortlaut nur im Sinne des Bg. verstanden bzw. ausgelegt werden kann. Die Vorschrift läßt nach ihrem Wortlaut eine Auslegung sowohl im Sinne des Bg. als auch im Sinne der Rb. zu. Für eine Auslegung im Sinne der von der Rb. vertretenen Auffassung spricht der sehr bedeutsame systematische Gesichtspunkt, daß das EStG grundsätzlich als maßgeblichen Ermittlungszeitraum für die Besteuerungsgrundlagen auf das Kalenderjahr abstellt. Es kann mit Recht darauf hingewiesen werden, daß der Gesetzgeber, wenn er in so einschneidender Weise von dem System des EStG hätte abweichen wollen und an die Stelle des Kalenderjahres ganz allgemein den Optionszeitraum hätte treten lassen wollen, dies in Anbetracht der sich dann ergebenden, bereits dargelegten verfahrensrechtlichen Konsequenzen eindeutig zum Ausdruck gebracht hätte. Hiernach ist jedenfalls mindestens anzuerkennen, daß die Vorschrift nach ihrem Wortlaut auch im Sinne der Rb. ausgelegt werden kann. In § 50c Abs. 1 EStDV 1952 hat sich der Verordnungsgeber für diese Auslegung entschieden. Die Vorschrift läßt nach ihrer Fassung und ihrem Sinne keinen Zweifel daran, daß sie nur die Verrechnung mit den - bei Beginn des laufenden Veranlagungszeitraumes ihrer Höhe nach bereits bekannten bzw. feststellbaren - Einlagen in den vorausgehenden Veranlagungszeiträumen, nicht aber mit den Einlagen der nachfolgenden Veranlagungszeiträume, zulassen will. Sie entscheidet sich damit für die von der Verwaltung besser durchführbare Regelung. Sie hält sich aber auch - und darin sieht der Senat einen entscheidenden Gesichtspunkt - im Rahmen der vom Gesetz in Abs. 8 des § 32b EStG erteilten Durchführungsermächtigung. Der Gesetzgeber war sich der Schwierigkeiten, die sich bei der Anwendung einer so komplizierten Vorschrift für die Beteiligten, insbesondere auch für die Verwaltung, ergeben würden, bewußt. Der Senat trägt keine Bedenken gegen die Annahme, daß die vom Gesetz erteilte Ermächtigung sich auch auf die Beseitigung derartiger Schwierigkeiten durch den Verordnungsgeber bezieht. Die Vorschrift ist mithin rechtsgültig und daher auch für die Steuergerichte verbindlich.

Die vom Bg. begehrte Einlagenverrechnung ist deshalb nicht zulässig. Auch seinem für diesen Fall hilfsweise gestellten Antrag, die Einkommensteuer 1952 ausschließlich nach der Tarifvorschrift des § 32 EStG zu berechnen, kann nicht entsprochen werden. Der Antrag nach § 32 b EStG ist unwiderruflich für 1951 bis 1953 gestellt. Er hat sich für das Jahr 1951 bereits sehr erheblich zum Vorteil des Bg. ausgewirkt. Es ist nicht angängig, die Vorteile der Vorschrift für 1951 in Anspruch zu nehmen und ihren nachteiligen Auswirkungen für 1952 durch Wahl eines günstigeren Tarifes auszuweichen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408981

BStBl III 1958, 327

BFHE 1959, 141

BFHE 67, 141

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