Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Kosten des Zivilprozesses, die einem Steuerbevollmächtigten auf Grund einer gegen ihn erhobenen Klage wegen Geldveruntreuung erwachsen, können Betriebsausgaben sein, für die der Steuerbevollmächtigte am Bilanzstichtag auch eine Rückstellung bilden kann, wenn der Rechtsstreit dann noch anhängig ist.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist in der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde, ob der Revisionskläger (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) für die Jahre 1957 und 1958 Prozeßkostenrückstellungen in Höhe von 3500 DM und 4000 DM bilden und außerdem im Jahr 1957 einen Betrag von 548,65 DM Prozeßkosten als Betriebsausgaben verbuchen konnte.

Der Stpfl. erledigte zunächst als Buchhalter, ab 1951 bis zum Jahre 1954 als Steuerbevollmächtigter die steuerlichen Angelegenheiten des Bauunternehmers X. Er erledigte die Buchführung und die wöchentlichen Lohnzahlungen für diese Firma. Im Jahre 1954 endete das Mandatsverhältnis, weil X behauptete, der Stpfl. habe sein Vertrauen mißbraucht und erhebliche Gelder dadurch veruntreut, daß er an den Lohnzahlungstagen mehr Geld als erforderlich von der Bank abgehoben habe. In einem Zivilprozeß klagte X gegen den Stpfl. einen Betrag von 35 775 DM unter diesem Gesichtspunkt ein. Das Landgericht wies die Klage ab, da die behaupteten Unterschlagungen des Stpfl. nicht nachgewiesen werden könnten. In der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht klagte X noch 12 000 DM ein. Auf Anraten des Gerichts kam es am 8. Juli 1959 zu einem Vergleich wonach X seine Klage zurückzog und der Stpfl. die Kosten des Prozesses übernahm. Um die Bildung einer Rückstellung wegen dieser Prozeßkosten und um den Abzug eines Teilbetrags der Prozeßkosten als Betriebsausgaben geht der Streit.

Finanzamt (FA) und Steuerausschuss lehnten den Abzug als Betriebsausgaben und die Bildung der Rückstellung ab. Auch die Berufung des Stpfl. blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Zwar habe der Stpfl. an den Bilanzstichtagen mit dem Verlust des Prozesses und mit dem Tragen der Prozeßkosten rechnen dürfen. Eine Rückstellung könne er gleichwohl nicht bilden, da die Prozeßkosten nicht durch den Betrieb veranlaßt seien, sondern Aufwendungen für die Lebensführung darstellten, die gemäß § 12 Nr. 1 EStG weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürften. In dem Prozeß sei es um die Frage gegangen, ob der Stpfl. Gelder unterschlagen habe. Die Klageanträge, den Stpfl. auf Zahlung von 35 775 DM (1. Instanz) und 12 000 DM (2. Instanz) zu verurteilen, seien damit begründet worden, der Stpfl. habe in dieser Höhe Gelder seines Auftraggebers rechtswidrig an sich gebracht. Die außerdem von X vorgebrachte Behauptung, der Stpfl. habe seinen Auftrag, die Bücher zu führen, nicht auftragsgemäss erfüllt, habe nur untergeordnete Bedeutung und im Berufungsantrag keinen zahlenmäßigen Ausdruck gefunden. Die Auffassung des Stpfl., die ihm zur Last gelegten Veruntreuungen stellten typische berufsbedingte Verfehlungen dar, gehe fehl. Unterschlagungen seien in allen Lebensbereichen (beruflicher oder privater Natur) denkbar. Von einer typischen Berufshandlung könne daher nicht die Rede sein. Die dem Stpfl. vorgeworfene Handlung sei nur gelegentlich der beruflichen Tätigkeit erfolgt, nicht aber durch diese veranlaßt worden. Hätte der Stpfl. die ihm unterstellten Taten tatsächlich begangen, dann hätten sich diese auch nicht gewinnerhöhend in seinem eigenen Betrieb bemerkbar gemacht, da nicht anzunehmen sei, daß er diese Gelder als Betriebseinnahmen ausgewiesen haben würde.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Stpfl. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung. Dem FA werden die Steuerfestsetzung, Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung übertragen.

Dem FG ist darin zuzustimmen, daß Prozeßkosten, die einem im Zivilprozeß zur Schadensersatzleistung verurteilten Steuerpflichtigen erwachsen, Lebenshaltungskosten sind, wenn sich der gegen den Steuerpflichtigen erhobene Vorwurf bestätigt, er habe, wenn auch in äußerem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit, mindestens grob fahrlässig eine den Kläger schädigende Handlung, z. B. einen Diebstahl oder eine Unterschlagung, begangen. Durch das schuldhafte Verhalten eines Steuerpflichtigen, wie es im Zivilprozeßurteil festgestellt wurde, wird der Kausalzusammenhang zwischen seiner beruflichen Tätigkeit und den Abwehrkosten im allgemeinen durchbrochen, so daß eine Veranlassung durch den Betrieb im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG für diese Kosten nicht bejaht werden kann. Ist ein solcher Sachverhalt durch ein Zivilgerichtsurteil festgestellt, so kann es im allgemeinen auch nicht Aufgabe der Steuerbehörde und der Steuergerichte sein, die Richtigkeit des zivilprozessualen Urteils nachzuprüfen.

Diese Beurteilung gilt jedoch nicht, solange der Prozeß noch schwebt. Ein Steuerpflichtiger, dem der Vorwurf einer Geldveruntreuung gemacht wird, muß sich gegen diesen Vorwurf zur Wehr setzen. Das um so mehr, wenn bereits Klage gegen ihn auf Herausgabe des veruntreuten Geldes erhoben wurde. Wird ein solcher Vorwurf erhoben, weil der Steuerpflichtige die Geldveruntreuung in Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit begangen habe, so müssen die hierdurch dem Steuerpflichtigen erwachsenen Abwehrkosten solange als durch den Betrieb veranlaßt im Sinne des § 4 Abs. 4 EStG angesehen werden, solange durch ein dem Klageantrag stattgebendes Zivilprozeßurteil nicht eindeutig festgestellt ist, daß der gegen ihn erhobene Vorwurf zu Recht bestand.

Das gilt sowohl für solche Kosten, die der Steuerpflichtige während des Schwebens des Prozesses tatsächlich bereits bezahlt hat als auch für solche, mit deren Drohen er ernsthaft rechnen muß. Für letztere kann er eine Rückstellung bilden. Hiergegen kann man nicht einwenden, mit einem Drohen der Kosten habe der Steuerpflichtige ernsthaft nur zu rechnen, wenn er den Prozeß verliere. In diesem Falle lägen aber in den ihn treffenden Prozeßkosten nichtabzugsfähige Lebenshaltungskosten vor, für die nach allgemeinen Grundsätzen Rückstellungen nicht gebildet werden könnten. Die Möglichkeiten eines den Prozeß beendenden Vergleichs, bei dem der Steuerpflichtige die Kosten des Prozesses ganz oder teilweise übernimmt, sind im Zivilprozeß besonders gegeben. Bei einem Vergleich bleibt im allgemeinen ungewiß, ob der Steuerpflichtige die ihm vorgeworfene Veruntreuung tatsächlich begangen hat. Auch in diesem Falle sind daher die vom Steuerpflichtigen übernommenen Prozeßkosten Betriebsausgaben, sofern sich der Vorwurf des Klägers auf ein Verhalten des Steuerpflichtigen stützte, das in engem Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit stand. Er kann hierfür eine Rückstellung bilden.

Nach diesen Grundsätzen sind die von dem Stpfl. im Jahr 1957 bezahlten 548,65 DM als Betriebsausgaben und die Rückstellungsbildungen für die Streitjahre 1957 und 1958 anzuerkennen. Hierbei ist nicht entscheidend, daß im Jahre 1959 der Prozeß tatsächlich durch einen Vergleich endete, bei dem der Kläger seine Klage zurücknahm und der Stpfl. die Prozeßkosten übernahm. Immerhin kann diese Entwicklung der Dinge nach dem Bilanzstichtag als Bestätigung für die Richtigkeit der Rückstellungsbildung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach gewürdigt werden. Entscheidend ist, daß der Prozeß am Bilanztag noch lief und daß sich der Vorwurf gegen den Stpfl. durch seinen Mandanten X auf eine Geldveruntreuung stützte, die jener in unmittelbarem Zusammenhang mit Aufträgen des X begangen haben sollte, durch die er in seiner Eigenschaft als Steuerbevollmächtigter in die Lage versetzt wurde, über erhebliche Geldmittel zu verfügen. Bei dieser Sachlage kann die betriebliche Veranlassung des Vorwurfs des X und damit der hierdurch dem Stpfl. aufgezwungenen Abwehrkosten nicht verneint werden.

 

Fundstellen

BStBl III 1966, 590

BFHE 1966, 582

BFHE 86, 582

BB 1966, 1179

DB 1966, 1632

DStR 1966, 737

StRK, EStG:4 BetrAusg R 6

NJW 1967, 175

NWB, F. 17A S.1051 Nr. 9

BFH-N, Nr. 10 zu

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