Leitsatz (amtlich)

Ist bei der Verteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft auf die Gesellschafter der Anteil eines Mitgesellschafters nur deshalb negativ, weil der Minderbetrag des Einheitswerts gegenüber dem Handelsbilanzvermögen als fiktiver Auflösungsverlust auf die Gesellschafter verteilt wurde, so haben die anderen Gesellschafter keinen Ausgleichsanspruch gegen ihn, der bei ihrem sonstigen Vermögen als Kapitalforderung anzusetzen wäre.

 

Normenkette

BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 3; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 14 Abs. 2; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 56; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 67; StAnpG § 11 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger hat in seiner Vermögenserklärung zum 1. Januar 1960 die Beteiligung an zwei Kommanditgesellschaften angegeben. Nach den Mitteilungen der für diese Kommanditgesellschaften zuständigen Betriebsfinanzämter betrugen auf den 1. Januar 1960 der Einheitswert der einen KG 83 000 DM, der Einheitswert der zweiten KG 31 000 DM. Beide Einheitswerte entfielen in voller Höhe auf den Kläger. Außerdem hatte der Kläger nach diesen Mitteilungen Ausgleichsforderungen gegen den jeweiligen Mitgesellschafter in Höhe von 36 455 DM und 5 180 DM. Bei der nach § 92 Abs. 3 AO berichtigten Vermögensteuerveranlagung des Klägers auf den 1. Januar 1960 durch Bescheid vom 13. Mai 1962 setzte das FA im Betriebsvermögen die beiden Einheitswerte von zusammen 114 000 DM und außerdem im sonstigen Vermögen unter den Kapitalforderungen die beiden Ausgleichsforderungen mit zusammen 41 635 DM an. Es ergab sich ein steuerpflichtiges Vermögen von 449 000 DM und eine Jahressteuerschuld von 4 490 DM.

Mit dem Einspruch machte der Kläger geltend, die beiden Ausgleichsforderungen seien am 1. Januar 1960 wertlos gewesen. Beide Mitgesellschafter hätten am 1. Januar 1960 außer ihren Beteiligungen an der KG kein anderes Vermögen besessen, aus denen die Ausgleichsforderungen hätten befriedigt werden können. Das Kapitalkonto des einen habe am 1. Januar 1960 minus 5 590 DM betragen, das Kapitalkonto des anderen habe am 1. Januar 1960 zwar noch 2 053 DM betragen, am 31. Dezember 1960 sei es aber auch passiv gewesen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA war der Auffassung, daß die von ihm angestellten Ermittlungen eine Bewertung der beiden Ausgleichsforderungen mit Null DM nicht rechtfertigten.

Mit der Berufung erhob der Kläger zusätzlich grundsätzliche Einwendungen gegen den Ansatz der Ausgleichsforderungen. Er führte im wesentlichen aus: Die von den Betriebsfinanzämtern vorgenommene Aufteilung der Einheitswerte des Betriebsvermögens der beiden Kommanditgesellschaften entspreche den Grundsätzen des Urteils des RFH III 22/38 vom 28. Januar 1938 (RStBl 1938, 373). Dort habe der RFH ausgeführt, daß Ausgleichsforderungen nicht in die Einheitsbewertung einzubeziehen seien, sondern sonstiges Vermögen darstellten. Diese Auffassung sei falsch. Ausgleichsforderungen seien kein Vermögen im Sinne des BewG. Sie entstünden nur bei der Auflösung einer Personengesellschaft und ergäben sich erst bei Aufstellung der Liquidations-Schlußbilanz nach § 154 HGB und auch nur dann, wenn nach dieser Bilanz ein oder mehrere Gesellschafter im Minus stünden. Während des Bestehens einer Personengesellschaft existiere ein solches Schuldverhältnis nicht. Das gelte im Bewertungsrecht um so mehr, als das BewG vom Stichtagsprinzip beherrscht werde.

Die Berufung, die nach dem Inkrafttreten der FGO vom FG als Klage behandelt wurde, hatte keinen Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Das FG sei der Auffassung, daß dem Kläger aufgrund seiner Beteiligungen auf jeden Fall im Ergebnis Werte in Höhe der Summe der Einheitswerte und der Ausgleichsforderungen zuzurechnen seien. Denn wenn die beiden Unternehmen am Bewertungsstichtag zu den in der Vermögensaufstellung enthaltenen Werten liquidiert worden wären, dann hätte der Kläger für seine Beteiligungen diese Werte erhalten. Die Beteiligungen seien am Bewertungsstichtag gegenwärtig und nicht aufschiebend bedingt gewesen. Es könne in diesem Verfahren nicht entschieden werden, ob es zutreffender gewesen wäre, bei der Berechnung des Anteils an den Einheitswerten für den Kläger die Ausgleichsforderungen einzubeziehen und dafür bei den Mitgesellschaftern negative Anteile anzusetzen. Denn die Einheitswertfestellungen seien für die Vermögensteuerveranlagung bindend. Das gelte auch für die Feststellung, was zum Betriebsvermögen zu rechnen sei. Im Einheitswertverfahren sei - für den Kläger erkennbar - die Entscheidung getroffen worden, von den sich aus den Beteiligungen des Klägers ergebenden Vermögenswerten nur Teilbeträge in Höhe der Einheitswerte als Betriebsvermögen zu behandeln. Aus dieser für die Vermögensteuerveranlagung bindenden Entscheidung folge, daß die darüber hinausgehenden Werte Privatvermögen, und zwar private Kapitalforderungen sein müßten. Die Ausgleichsforderungen könnten nur dann unter dem Nennwert angesetzt werden, wenn sie im Fall einer Liquidation zum 1. Januar 1960 uneinbringlich gewesen wären. Das könne im vorliegenden Fall nicht angenommen werden. Die eine Gesellschaft habe sich dank der persönlichen Arbeitsleistung des Mitgesellschafters außerordentlich günstig entwickelt und deshalb müsse davon ausgegangen werden, daß dieser Mitgesellschafter Schulden in der Größenordnung von etwa 5 000 DM in aller Regel zurückzahlen könne. Der Kläger habe offenbar auch volles Vertrauen in die persönliche Tüchtigkeit seines Mitgesellschafters gehabt, sonst hätte er ihm nicht seine Kommanditeinlage anvertraut. Bei der anderen Gesellschaft hätte sich bei einer Liquidation auf den 1. Januar 1960 für den Mitgesellschafter ein Liquidationsguthaben ergeben. Die Ausgleichsschuld sei rechnerisch nur dadurch entstanden, daß das Betriebsgrundstück mit dem weit unter seinen Anschaffungskosten liegenden Einheitswert angesetzt worden sei.

Mit der Revision wird beantragt, die beiden Ausgleichsforderungen außer Ansatz zu lassen. Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, daß es sich bei diesen Ausgleichsforderungen nicht um bewertbare Wirtschaftsgüter im Sinne des BewG handele. Selbst wenn man dies jedoch bejahe, könnten sie nur mit Null DM bewertet werden.

Das FA beantragt, die Revision kostenpflichtig als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Das FG ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht zutreffend davon ausgegangen, daß es zu der Frage, ob die Zurechnung der anteiligen Einheitswerte der beiden Kommanditgesellschaften an die beiden Gesellschafter richtig vorgenommen wurde, nicht Stellung nehmen konnte. Es ist dem FG darin zuzustimmen, daß insoweit für das Wohnsitzfinanzamt des Klägers eine Bindung an die in den Einheitswertbescheiden der Betriebsfinanzämter getroffene Feststellung besteht. Diese Bindungswirkung erstreckt sich jedoch nicht darauf, ob und in welcher Höhe zwischen den Gesellschaftern Ausgleichsansprüche und -schulden bestehen. Denn darüber sind in den Einheitswertbescheiden keine Feststellungen getroffen worden. Die Mitteilung des Betriebsfinanzamts an das Veranlagungsfinanzamt über das Bestehen solcher Ausgleichsansprüche und -schulden bindet das Veranlagungsfinanzamt nicht. Sie wird allerdings das Veranlagungsfinanzamt dazu veranlassen, von sich aus das Bestehen derartiger Ansprüche und Verbindlichkeiten zu prüfen. Zeigt sich, daß tatsächlich Ausgleichsansprüche bestehen, so ist damit erwiesen, daß das Betriebsfinanzamt nach dem RFH-Urteil III 22/38 (a. a. O.) und den auf diesem Urteil beruhenden Anweisungen in Abschn. 18 Abs. 3 VStR 1960 verfahren ist. Das bedeutet, daß das Betriebsfinanzamt den Teil der dem Steuerpflichtigen aus seiner Beteiligung zustehenden Ansprüche, die er bei einer Liquidation nicht aus dem Liquidationsendvermögen erhalten kann, sondern nach Beendigung der Liquidation gegen seinen oder seine Mitgesellschafter persönlich geltend machen muß, nicht als Betriebsvermögen behandelt hat. Es ist dem FG darin zuzustimmen, daß damit auch insoweit eine Bindung besteht, daß solche Ansprüche, wenn sie überhaupt bestehen, nicht mehr Betriebsvermögen, sondern sonstiges Vermögen des Gesellschafters sind. Es kann deshalb im vorliegenden Verfahren nicht dazu Stellung genommen werden, ob das in dem RFH-Urteil III 22/38 (a. a. O.) entwickelte Verfahren richtig ist.

2. Der Kläger ist der Auffassung, daß Ausgleichsansprüche deshalb nicht beim sonstigen Vermögen angesetzt werden könnten, weil sie am Bewertungsstichtag noch gar nicht bestanden hätten oder zumindest aufschiebend bedingt gewesen seien; denn sie entständen erst, wenn eine Liquidation stattfinde und sich nach Abschluß dieser Liquidation herausstelle, daß ein oder mehrere Gesellschafter keinen Anteil an dem nach Berichtigung der Schulden verbleibenden Vermögen der Gesellschaft hätten oder noch eine Zahlung an die anderen Gesellschafter zu leisten hätten. Es trifft zwar zu, daß Ausgleichsansprüche und -schulden effektiv erst bei Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen entstehen. Trotzdem kann der Kläger mit diesem Einwand nicht durchdringen. Er übersieht, daß bei der Aufteilung des Vermögens einer Gesamthandsgemeinschaft nach § 11 Nr. 5 StAnpG die Wirtschaftsgüter den Beteiligten so zuzurechnen sind, als wären sie nach Bruchteilen berechtigt, und daß dabei die Bruchteile nach den Anteilen zu bestimmen sind, zu denen die Beteiligten an dem Vermögen zur gesamten Hand berechtigt sind, oder nach dem Verhältnis dessen, was ihnen bei Auflösung der Gemeinschaft zufallen würde. Nach dem Urteil des Senats III 54/58 U vom 19. Dezember 1958 (BFH 68, 188, BStBl III 1959, 74) ist Maßstab für die Bemessung der Bruchteile damit in erster Linie die Beteiligungsquote des Gesellschafters am Gesamthandsvermögen, die Beteiligung am Liquidationserlös ist Hilfsmaßstab. Dieser Hilfsmaßstab wird aber benötigt, wenn sich nach den Beteiligungsquoten ein höheres anteiliges Vermögen eines oder mehrerer Gesellschafter ergibt, als tatsächlich am Stichtag an Betriebsvermögen vorhanden ist, oder wenn sich nach den Beteiligungsquoten ergibt, daß das anteilige Vermögen eines oder mehrerer Gesellschafter negativ ist. In diesen Fällen sind die Anteile nach dem Verhältnis zu bestimmen, was dem einzelnen Gesellschafter bei einer Auflösung der Gesamthandsgemeinschaft zufallen würde. Es wird also fingiert, daß am Bewertungsstichtag eine Liquidation stattfinde. Die danach errechneten Ansprüche und Schulden der einzelnen Gesellschafter untereinander sind zwar auch "fiktive" Ansprüche. Das bedeutet jedoch nicht, daß sie deswegen nicht bewertbare Wirtschaftsgüter seien. Ihre Bewertbarkeit ergibt sich daraus, daß die Fiktion der Liquidation gesetzlich vorgeschrieben ist. Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß diese Ansprüche, wenn für sie mit Bindungswirkung feststeht, daß sie nicht zum Betriebsvermögen gehören, als Kapitalforderungen beim sonstigen Vermögen angesetzt werden. Denn sie sind auf Geld gerichtet.

3. Wendet man die vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall an, so besteht in dem einen der beiden umstrittenen Fälle, in dem das Kapitalkonto des Mitgesellschafters in der Handelsbilanz positiv gewesen ist und sein Anteil erst dadurch negativ wurde, daß das Betriebsvermögen in der Vermögensaufstellung wegen der Bewertung des Betriebsgrundstücks mit dem Einheitswert wesentlich niedriger war als die Summe der Kapitalkonten in der Handelsbilanz, kein Ausgleichsanspruch des Klägers gegen seinen Mitgesellschafter. Denn bei einer fiktiven Liquidation zum Bewertungsstichtag wäre das Betriebsgrundstück nicht mit seinem Einheitswert, sondern mit seinem viel höheren Verkehrswert anzusetzen, so daß das Kapitalkonto des Mitgesellschafters tatsächlich nicht negativ wäre. In dem zweiten Fall, in dem das Kapitalkonto des Mitgesellschafters schon in der Handelsbilanz negativ war, besteht dagegen dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch des Klägers gegen seinen Mitgesellschafter.

Da das FG hinsichtlich des ersten Ausgleichsanspruchs von einer anderen Rechtsauffassung ausging, war die Vorentscheidung aufzuheben.

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Aus der oben unter 2. dargelegten Behandlung der Ausgleichsansprüche als Kapitalforderungen hat das FG mit Recht gefolgert, daß sie nicht anzusetzen sind, wenn sie am Bewertungsstichtag uneinbringlich sind (vgl. § 14 Abs. 2 BewG). Das hat bereits der RFH in den Urteilen III 22/38 (a. a. O.) und III 101/37 vom 28. Januar 1938 (RFH 43, 208) anerkannt. Es bestehen jedoch Bedenken dagegen, daß das FG bei der KG, bei der nach den Ausführungen zu 3. ein Ausgleichsanspruch des Klägers dem Grunde nach besteht, die Uneinbringlichkeit der Ausgleichsforderung deswegen verneint hat, weil der Mitgesellschafter durch seine persönliche Arbeitsleistung eine günstige Betriebsentwicklung herbeigeführt und der Kläger volles Vertrauen in die persönliche Tüchtigkeit seines Mitgesellschafters gehabt habe. Diese Erwägungen sind für die Entscheidung darüber, ob die Ausgleichsforderung am Bewertungsstichtag uneinbringlich war, nicht geeignet. Diese Frage kann nur danach entschieden werden, ob der Mitgesellschafter am Bewertungsstichtag die Ausgleichsforderung erfüllen konnte oder nicht. Auch das ist eine Folge der Fiktion einer Liquidation am Bewertungsstichtag.

Die Sache wird nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückverwiesen. Dieses wird noch festzustellen haben, ob und in welcher Höhe der Mitgesellschafter am 1. Januar 1960 die Ausgleichsforderung des Klägers gegen ihn in Höhe von 5 180 DM erfüllen konnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69060

BStBl II 1970, 608

BFHE 1970, 203

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