Leitsatz (amtlich)

Die Vergünstigung für die Verpachtung landwirtschaftlicher Betriebe nach § 53 Abs. 1 BVFG ist, wenn der Einheitswert des verpachteten Betriebs oder Betriebsteils den in § 47 Abs. 1 BVFG genannten Betrag von 80 000 DM übersteigt, in der Weise zu berechnen, daß nach § 50 Abs. 2 Satz 2 BVFG von diesem Betrag die anteilig auf ihn entfallenden Verbindlichkeiten, die nach dem Stand vom 21. Juni 1948 mit dem landwirtschaftlichen Betrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, in ihrer Höhe vom 21. Juni 1948 abgezogen werden.

 

Normenkette

BVFG i.d.F. vom 14. August 1957 § 47 Abs. 1; BVFG i.d.F. vom 14. August 1957 § 50 Abs. 2; BVFG i.d.F. vom 14. August 1957 § 53 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger ist durch unanfechtbar gewordenen Bescheid vom 26. April 1956 zur Vermögensabgabe (VA) veranlagt worden. In dem abgabepflichtigen Vermögen von 203 100 DM war ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb mit einem Einheitswert (nach Abzug eines Pächteranteils) von 249 641 DM enthalten. Schulden wurden in Höhe von 46 511 DM abgezogen. Die verbleibende Abgabeschuld wurde auf 97 020 DM und der ursprüngliche Vierteljahrsbetrag auf 1 067,20 DM festgesetzt.

Den landwirtschaftlichen Teil des Betriebs in einer Größe von 123,8096 ha (landwirtschaftliche Nutzfläche 119,9602 ha) mit einem Einheitswert von 175 616 DM (für die landwirtschaftliche Nutzfläche von 152 350 DM) verpachtete der Kläger am 12. Dezember 1961 mit Wirkung vom 1. April 1962. Die zuständige Siedlungsbehörde bescheinigte am 10. April 1962, daß der Pächter Sowjetzonenflüchtling nach den §§ 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) sei, daß die Voraussetzungen der §§ 35 bis 37 und des § 44 Abs. 1 BVFG erfüllt seien und daß es sich um einen Pachtvertrag nach § 42 BVFG handele. In der Bescheinigung wurde darauf hingewiesen, daß nach § 47 Abs. 1 BVFG in der Fassung des 2. Änderungsgesetzes (ÄndG) - BGBl I 1957, 1207 - die Jergünstigungen auf dem Gebiet des Steuer- und Abgabenrechts nur für einen Einheitswert bis zu 80 000 DM gewährt werden können.

Der Kläger beantragte am 7. August 1962, den auf die verpachtete landwirtschaftliche Nutzfläche entfallenden VA-Vierteljahresbetrag mit Wirkung ab 1. April 1962 für die Dauer des Pachtvertrages "außer Hebung zu setzen". Das FA erließ durch Bescheid vom 15. März 1963 von den während der Dauer des Pachtvertrages fällig werdenden Vierteljahrsbeträgen je 0,55 v. H. von 65 096 DM = 358 DM. Den Betrag von 65 096 DM berechnete es in der Weise, daß es von dem Höchstbetrag nach § 47 Abs. 1 BVFG von 80 000 DM anteilige Schulden nach dem Stand vom 21. Juni 1948 mit 80 000 x 46 511 = 14 904 DM abzog.

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Mit dem Einspruch beantragte der Kläger, die Vergünstigung nach dem Höchstbetrag von 80 000 DM ohne Abzug der anteiligen Schulden zu berechnen, also mit 0,55 v. H. von 80 000 DM =440 DM vierteljährlich.

Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das FG führt im wesentlichen aus: Im vorliegenden Falle übersteige der Einheitswert die Höchstgrenze von 80 000 DM. In einem solchen Falle trete an die Stelle des für den 21. Juni 1948 geltenden Einheitswerts (§ 50 Abs. 2 Satz 2 BVFG) als Höchstbetrag ein Einheitswert von 80 000 DM als Ausgangswert. Dieser Ausgangswert sei Bemessungsgrundlage für die VA-Vergünstigung, wenn mit dem Betrieb am 21. Juni 1948 keine Verbindlichkeiten in wirtschaftlichem Zusammenhang gestanden hätten. In diesem Fall betrage die Vergünstigung stets - ohne Rücksicht auf die Höhe des Einheitswerts des verpachteten Betriebs - 0,55 v. H. von 80 000 DM = 440 DM. Ständen jedoch wie hier mit dem verpachteten Betrieb am 21. Juni 1948 Verbindlichkeiten in wirtschaftlichem Zusammenhang, so seien sie nach § 50 Abs. 2 Satz 2 BVFG vom Einheitswert abzusetzen. Bemessungsgrundlage für die Vergünstigung sei dann der noch verbleibende Wert. Das FA habe die Vergünstigung richtig mit 0,55 v. H. von 65 096 DM berechnet. Diese Auslegung des § 47 Abs. 1 BVFG erscheine der Kammer sowohl ihrem Wortlaut als auch ihrem Sinn und Zweck nach als die einzig richtige. Die vom Kläger vertretene Auslegung - Vergünstigung in Höhe von 440 DM in den Fällen, in denen trotz Abzugs der Verbindlichkeiten noch ein höherer Betrag als 80 000 DM verbleibe - lasse sich weder mit dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 BVFG noch mit dem Wortlaut des § 50 Abs. 2 BVFG vereinbaren. Es könne keine weitergehende Vergünstigung gewährt werden, als der Betrieb tatsächlich mit VA belastet sei. Auch bei der VA-Veranlagung sei der um die Verbindlichkeiten gekürzte Einheitswert der Abgabepflicht unterworfen worden. Deshalb widerspreche das Verlangen des Klägers auch dem Sinn und Zweck der §§ 47 Abs. 1 und 50 Abs. 2 BVFG. Auch der Hinweis auf § 6 Abs. 2 der 13. AbgabenDV-LA vom 28. Juni 1954, der für die Verpachtung eines gewerblichen Betriebes gelte, gehe fehl. Bei der Einheitswertfeststellung für einen gewerblichen Betrieb müßten - anders als bei der Einheitswertfeststellung für einen landwirtschaftlichen Betrieb - Schulden ohnehin zum Abzug zugelassen werden. Außerdem sei bei beiden Vermögensarten für die Bemessung der Vergünstigung von verschiedenen Stichtagen auszugehen. Bei gewerblichen Betrieben sei nach § 5 Abs. 1 und 2 der 13. AbgabenDV-LA der Zeitpunkt der Übergabe des Betriebs maßgebend, während für landwirtschaftliche Betriebe der tatsächliche Wert des Vermögens am 21. Juni 1948 maßgebend sei.

Mit der RB rügt der Kläger Nichtanwendung oder unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Er führt im wesentlichen aus: Die Auffassung des FG werde vom Wortlaut des § 47 Abs. 1 BVFG nicht getragen. Bei wortgetreuer Auslegung handele es sich bei der Begrenzung auf 80 000 DM lediglich um eine Wertgrenze und nicht, wie das FG meine, um einen fiktiven Einheitswert. Das FG hätte auf Grund seiner Auslegung folgerichtig bei Anwendung des § 50 Abs. 2 BVFG vom fiktiven Einheitswert die Schulden nach dem Stand vom 21. Juni 1948 in voller Höhe abziehen müssen. Offenbar habe das FG selbst erkannt, daß dieses Ergebnis unhaltbar sei und habe deshalb, ohne sich auf eine entsprechende gesetzliche Regelung stützen zu können, die Verbindlichkeiten auf einen Betrag gekürzt, der auf den fiktiven Einheitswert von 80 000 DM entfalle. Im übrigen seien das FA und das FG von einem unrichtigen Einheitswert ausgegangen. Verpachtet seien nur 119,9602 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Das ergebe bei einem ha-Satz von 1 270 DM einen Einheitswert von 152 350 DM. Darauf entfielen von den Schulden 152 350 x 46 511 = 28 385 DM.

249 641

Da der Betrag von 152 350 DM ./. 28 385 DM = 123 965 DM über 80 000 DM liege, sei der Höchstbetrag von 80 000 DM die Bemessungsgrundlage für die Vergünstigung. Diese Auslegung entspreche entgegen der Auffassung des FG auch dem Sinn und Zweck der §§ 47 Abs. 1 und 50 Abs. 2 BVFG. Es werde durch sie keine weitergehende Vergünstigung gewährt, als der Betrieb tatsächlich mit VA belastet sei. Wenn trotz des Abzugs der Verbindlichkeiten das mit der VA belastete Vermögen 80 000 DM übersteige, solle die Vergünstigung nur bis zur Wertgrenze von 80 000 DM gewährt werden. Es werde letztlich das gleiche Ergebnis erreicht, wie nach § 6 Abs. 2 der 13. AbgabenDV-LA bei der Verpachtung gewerblicher Betriebe. Die Auslegung durch das FG würde zu einer ungleichmäßigen Behandlung innerhalb der Verpächter landwirtschaftlicher Betriebe führen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, ist unbegründet.

1. Die Vergünstigung, die nach § 53 Abs. 1 BVFG bei der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebs oder Betriebsteils für die VA zu gewähren ist, besteht nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BVFG darin, daß von dem gesamten von dem Verpächter zu leistenden Vierteljahrsbetrag ein Betrag von 0,55 v. H. des für den 21. Juni 1948 geltenden Einheitswerts (Einheitswert-Anteils) des verpachteten Betriebs oder Betriebsteils als abgegolten gilt. Dabei sind nach § 50 Abs. 2 Satz 2 BVFG vom Einheitswert (Einheitswert-Anteil) die mit dem verpachteten Betrieb oder Betriebsteil nach dem Stande vom 21. Juni 1948 in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten in ihrer Höhe vom 21. Juni 1948 abzusetzen. Diese Vorschriften waren schon in § 50 Abs. 2 BVFG in der Fassung vom 19. Mai 1953 (BGBl I 1953, 201, BStBl I 1953, 157) enthalten und sind in § 50 Abs. 2 BVFG in der Fassung vom 14. August 1957 (BGBl I 1957, 1215, BStBl I 1957, 432) unverändert geblieben. Mit dieser Vergünstigung wird erreicht ,daß der Pächter von der auf dem verpachteten Betrieb oder Betriebsteil lastenden VA befreit wird. Der Abzug von Verbindlichkeiten ist erforderlich, weil diese auch die VA-Belastung gemindert haben. Deshalb müssen auch bei der Verpachtung eines Betriebsteils die Verbindlichkeiten auf den verpachteten und den nicht verpachteten Teil des Betriebs aufgeteilt werden, weil sonst die Vergünstigung für den verpachteten Teil des Betriebs zu hoch sein würde.

2. Nach § 36 Nr. 3 BVFG in der Fassung vom 19. Mai 1953 kam eine Vergünstigung nicht in Betracht, wenn der Einheitswert des verpachteten Betriebs oder Betriebsteils 60 000 DM, in Ausnahmefällen 80 000 DM, überstieg. Diese Vorschrift ist in § 36 BVFG in der Fassung vom 14. August 1957 nicht mehr enthalten. Statt dessen ist in § 47 Abs. 1 BVFG in der Fassung vom 14. August 1957 eine Einschränkung für die Vergünstigungen auf dem Gebiet des Steuer- und Abgabenrechts eingefügt worden. Diese Vergünstigungen werden danach nur insoweit gewährt, als der Einheitswert des verpachteten Betriebs oder Betriebsteils 80 000 DM nicht übersteigt. Durch diese Vorschrift soll erreicht werden, daß bei der Verpachtung großer Betriebe oder Betreibsteile zwar die Vergünstigungen nicht mehr ganz entfallen, daß aber doch in diesen Fällen ein Teil der VA-Belastung beim Verpächter verbleibt.

3. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß § 47 Abs. 1 BVFG nur im Zusammenhang mit § 50 Abs. 2 BVFG gesehen werden kann. Das ergibt sich nicht nur durch die Verweisung auf die §§ 48 bis 56 BVFG in § 47 Abs. 1 BVFG, sondern auch daraus, daß die Höhe der zu gewährenden Vergünstigung für die VA sich nur nach § 50 Abs. 2 BVFG bestimmt. Nach § 50 Abs. 2 BVFG ist Bemessungsgrundlage für die Vergünstigung der Einheitswert vom 21. Juni 1948 nur in den Fällen, in denen am 21. Juni 1948 keine mit dem landwirtschaftlichen Betrieb wirtschaftlich zusammenhängenden Verbindlichkeiten vorhanden sind. Deshalb kann, auch darin ist dem FG zuzustimmen, wenn in § 47 Abs. 1 BVFG von einem "Einheitswert von 80 000 DM" die Rede ist, dieser Einheitswert auch nur in diesen Fällen Bemessungsgrundlage sein. Waren dagegen am 21. Juni 1948 Verbindlichkeiten vorhanden, die mit dem Betrieb wirtschaftlich zusammenhängen, so sind diese nach § 50 Abs. 2 Satz 2 BVFG von dem Einheitswert von 80 000 DM abzuziehen. Diese Auslegung ist nach dem Wortsinn der §§ 47 Abs. 1 und 50 Abs. 2 BVFG zwingend (so auch Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Bd. II Anhang I zu § 202 des Lastenausgleichsgesetzes, BVFG § 50, Anm. 8 I a, I b, II und III).

4. Die nach dem Wortlaut zwingende Auslegung ver stößt auch nicht gegen den Sinn und Zweck der Vergünstigungsvorschriften und führt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu sinnwidrigen oder ungleichmäßigen Ergebnissen. Wie oben zu 2. dargelegt wurde, besteht der Zweck des § 47 Abs. 1 BVFG in der Fassung vom 14. August 1957 darin, bei der Verpachtung großer Betriebe oder Betriebsteile einen Teil der VA-Belastung beim Verpächter zu belassen, und zwar den Teil, der auf den über 80 000 DM hinausgehenden Teil des Einheitswerts entfällt, Dieser Zweck wird aber nur dann erreicht, wenn man auch von dem anteiligen Einheitswert von 80 000 DM die anteiligen Schulden abzieht.

Hatte z. B. ein Landwirt am 21. Juni 1948 als abgabepflichtiges Vermögen nur einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von 200 000 DM, der mit 100 000 DM Verbindlichkeiten belastet war, so betrug die VA-Belastung 1,1 v. H. von 1/2 von 100 000 DM (= 50 000 DM) = 550 DM. Würde man bei einer Verpachtung des Betriebs an einen Vertriebenen die Vergünstigung in Höhe von 0,55 v. H. von 80 000 DM = 440 DM gewähren, so würde die ihm verbleibende VA-Belastung nur 110 DM betragen. Das würde aber nicht der Belastung entsprechen, die ihm nach § 47 Abs. 1 BVFG verbleiben soll. Denn diese beträgt 330 DM. Zu diesem vom Gesetzgeber gewollten Ergebnis kommt man nur dann, wenn man von 80 000 DM die anteiligen Schulden von 80 000x 100 000/200 000 = 40 000 DM abzieht. Dann beträgt die Vergünstigung 0,55 v. H. von 40 000 DM = 220 DM und die beim Verpächter verbleibende Belastung 330 DM.

5. Das FG hat auch mit Recht eine Anwendung des für die Verpachtung gewerblicher Betriebe geltenden § 6 Abs. 2 der 13. AbgabenDV-LA oder eine Heranziehung dieser Bestimmung für die Auslegung des § 47 Abs. 1 BVFG abgelehnt.

6. Ob das FA bei der Berechnung von einem falschen Einheitswert ausgegangen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn man bei der Berechnung der Vergünstigung von den Angaben des Klägers ausgeht, kommt man zu demselben Ergebnis wie das FA. Nach der Berechnung des Klägers entfallen auf die verpachtete Fläche mit einem Einheitswertanteil von 152 350 DM Verbindlichkeiten in Höhe von 28 385 DM. Dann entfallen auf den Einheitswert von 80 000 DM Verbindlichkeiten in Höhe von 80 000x 28 385/152 350 = 14 905 DM. Die Vergünstigung beträgt dann 0,55 v. H. von 80 000 DM ./. 14 905 DM = 0,55 v. H. von 65 095 DM = 358 DM. In dieser Höhe hat auch das FA die Vergünstigung gewährt.

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 599

BFHE 1968, 366

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