Leitsatz (amtlich)

1. Stand jemand vor dem Erwerb von Grundpfandrechten i. S. des § 9 Abs. 4 GrEStG 1940 einem Grundpfandgläubiger gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 GrEStG 1940 gleich, so ist für die Prüfung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940 regelmäßig von dem Erwerb dieser Rechtsstellung auszugehen.

2. Soll ein Grundpfandrecht sowohl Ansprüche des ersten Sicherungsnehmers gegen den Inhaber des Grundpfandrechts als auch Ansprüche eines zweiten Sicherungsnehmers gegen den ersten Sicherungsnehmer sichern, so ist der erste Sicherungsnehmer auch dann einem Grundpfandgläubiger gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 GrEStG 1940 gleichgestellt, wenn die Sicherungsabreden dadurch erfüllt werden, daß der Inhaber des Grundpfandrechts das Grundpfandrecht unmittelbar an den zweiten Sicherungsnehmer abtritt und dieser verpflichtet ist, das Grundpfandrecht nach Erlöschen seiner Forderung gegen den ersten Sicherungsnehmer an diesen abzutreten.

2. Ein Gesamtschuldner steht einem Grundpfandgläubiger gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 GrEStG 1940 gleich, wenn im Verhältnis der Gesamtschuldner zueinander ein anderer Gesamtschuldner auf das Ganze verpflichtet ist und der von einem Gläubiger in Anspruch genommene Gesamtschuldner bei diesem anderen Gesamtschuldner in vollem Umfang Rückgriff nehmen kann.

 

Normenkette

GrEStG 1940 § 9 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 S. 2 Nrn. 1, 3

 

Tatbestand

In dem Verfahren zur Zwangsversteigerung mehrerer Grundstücke gab der Kläger am 9. August 1967 das Meistgebot ab.

Eigentümer der ersteigerten Grundstücke war der Kaufmann R gewesen, dem der Kläger in erheblichem Umfange Waren auf Kredit geliefert hatte. R hatte in entsprechender Höhe vom Kläger ausgestellte Wechsel angenommen, die der Kläger an eine Bank zur Diskontierung eingereicht hatte. Am 6. Juli 1965 hatte R Grundstückssicherheiten an den später versteigerten Grundstücken dadurch erbracht, daß er zwei am 29. April 1965 bestellte und nach Vorbelastungen von 213 000 DM eingetragene Eigentümergrundschulden von je 50 000 DM nebst Zinsen an die Bank abgetreten hatte. In der Abtretungsurkunde war vermerkt worden, daß die Abtretung zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen diente, die die Bank gegen den Kläger aus dessen Geschäftsverbindung mit R erwerbe. Die Bank sei verpflichtet, bei Beendigung der Geschäftsverbindung zwischen dem Kläger und R die Grundschulden an diesen zurückabzutreten, sobald er seine gesamten Verbindlichkeiten gegenüber dem Kläger beglichen habe.

Am Tage vor der Versteigerung, die am 11. Mai 1966 angeordnet worden war, trat die Bank die Grundschulden nebst Zinsen an den Kläger ab, wobei bemerkt wurde, daß es sich bei der Forderung und den dafür von R gegebenen Sicherheiten wirtschaftlich um Rechte des Klägers handle. Die Forderungen des Klägers gegen R betrugen zu diesem Zeitpunkt nach seinem Vortrag 124 129,74 DM, nach den vom FG eingesehenen Kontokarten 121 881,04 DM; die korrespondierende Schuld an die Bank betrug 121 634,04 DM. Bei der Verteilung des Erlöses fiel der Kläger hinsichtlich seiner Grundschulden mit 5 084,52 DM aus.

Das FA versagte die beantragte Steuervergünstigung gemäß § 9 Abs. 1 GrEStG 1940, weil es dem Kläger im wesentlichen darauf angekommen sei, den finanziellen Schaden aus den Geschäftsbeziehungen zu R möglichst klein zu halten. Hauptzweck des Grundstückserwerbs sei deshalb nicht die Rettung von Grundpfandrechten gewesen.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger vor allem geltend, daß die Grundschulden nicht nur die Bank, sondern auch ihn sichern sollten. Sie seien von R nur deshalb unmittelbar an die Bank abgetreten worden, um den mit Mehrkosten verbundenen Abtretungsweg über ihn zu vermeiden. Wirtschaftlich sei er deshalb immer Grundpfandgläubiger gewesen. Es sei ihm im übrigen nur auf die Rettung seiner Rechte angekommen, was seine Bemühungen bewiesen, vor der Versteigerung einen Käufer für das Grundstück zu finden.

Das FG hat die Klage abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Der vom FG ermittelte Sachverhalt läßt die von ihm gezogenen Schlußfolgerungen nicht zu, es bestehe i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940 ein Anhalt, daß der Kläger Grundpfandrechte zur Ersparung von Abgaben bei dem beabsichtigten Erwerb der Grundstücke erworben habe und daß der Erwerb der Grundstücke in der Zwangsversteigerung nicht in erster Linie zur Rettung seiner Grundpfandrechte geschehen sei. Es ist nach den bisherigen Feststellungen nicht auszuschließen, daß der Kläger bereits vor dem Erwerb der Grundschulden von der Bank eine Rechtsstellung i. S. des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bzw. 3 GrEStG 1940 innehatte und daß deshalb für die Prüfung des Falles unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940 auf den Erwerb dieser Rechtsstellung und nicht auf den Erwerb der Grundschulden abzustellen ist, wie dies das FG angenommen hat.

Für die Entscheidung der Frage, ob kein Anhalt i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940 besteht, kommt es zwar in aller Regel auf den Zeitpunkt an, in dem der spätere Grundstückserwerber durch Erwerb von Grundpfandrechten Grundpfandgläubiger i. S. des § 9 Abs. 5 Satz 1 GrEStG 1940 geworden ist. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn er bereits vorher einem Grundpfandgläubiger auf Grund des § 9 Abs. 5 Satz 2 GrEStG 1940 gleichstand. In einem solchen Falle ist für die Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEstG 1940 grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erwerbs dieser Rechtsstellung abzustellen, da bereits mit dem Erwerb dieser Rechtsstellung die - wenn auch noch entfernte - Möglichkeit eines späteren steuerbegünstigten Erwerbs in der Zwangsversteigerung geschaffen wurde.

Ist kein Anhalt vorhanden, daß jemand die Rechtsstellung gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 GrEStG 1940 zur Ersparung von Abgaben bei dem beabsichtigten Erwerb des Grundstücks erworben hat, so ist es danach nicht zulässig, eine entsprechende Schlußfolgerung aus der späteren Erlangung der Rechtsstellung gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 GrEStG 1940 zu ziehen. Dies gilt auch dann, wenn jemand irrigerweise annahm, daß er vor Erlangung der Rechtsstellung gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 GrEStG 1940 keine Rechtsstellung gemäß § 9 Abs. 5 Satz 2 GrEStG 1940 innehatte. In diesem Falle wäre der Erwerb der Grundpfandrechte im Rahmen der Prüfung zu würdigen, ob jemand i. S. des § 9 Abs. 1 GrEStG 1940 ein Grundstück in der Zwangsversteigerung zur Rettung seines Rechts erworben hat.

Ist der Vortrag des Klägers richtig, daß die Grundschulden der Sicherung der Forderungen des Klägers gegen R und ebenfalls der Sicherung der Forderungen der Bank gegen den Kläger (und R) dienen sollten, so kann es für die Anwendung des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 GrEStG 1940 auf den Kläger keinen Unterschied machen, ob die entsprechenden Sicherungsabreden dadurch realisiert wurden, daß die Grundschulden zunächst an den Kläger und sodann von diesem an die Bank oder von R sofort unmittelbar an die Bank abgetreten wurden, sofern Einigkeit darüber bestand, daß die Grundschulden nicht nur der Sicherung der Bank, sondern auch der Sicherung des Klägers hinsichtlich seiner Forderungen gegen R dienen sollten und der Kläger gegen die Bank einen ggf. zu realisierenden Rückabtretungsanspruch hatte. Tritt der Sicherungsgeber in einem solchen Falle die Grundschulden unter Anerkennung der entsprechenden Sicherungsabreden unmittelbar an den zweiten Sicherungsnehmer ab, so erfüllt er hierdurch seine Sicherungsabrede gegenüber dem ersten Sicherungsnehmer und zugleich die Sicherungsverpflichtung des ersten Sicherungsnehmers gegen den zweiten Sicherungsnehmer. Im Sinne des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 GrEStG 1940 ist eine derartige Abtretung so zu behandeln, als habe der erste Sicherungsnehmer, nachdem der Sicherungsgeber ihm die Grundschulden abgetreten habe, diese an den zweiten Sicherungsnehmer weiter abgetreten.

Ob die Voraussetzungen für die Anwendung des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 GrEStG 1940 vorlagen, hat das FG, da es von einer engeren Auslegung des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 GrEStG 1940 ausging, bisher nicht festgestellt. Es hat ihr Vorliegen auch nicht verneint. Wenn das FG in seinem Urteil ausgeführt hat, der Kläger habe jedenfalls solange, als er seinen Schuldsaldo bei der Bank nicht abgedeckt habe, von der Bank nicht einmal die Abtretung der Grundschulden verlangen können, zumal diese nach der Abtretungsurkunde nur zur Rückabtretung an R berechtigt gewesen sei, so wird damit nicht festgestellt, daß der Kläger gegen die Bank keinen Rückabtretungsanspruch gehabt habe. Wenn die Bank nach der Abtretungsurkunde verpflichtet war, die Grundschulden an R zurückabzutreten, sowie R seine gesamten Verbindlichkeiten gegenüber dem Kläger beglichen habe, so schließt dies nicht aus, daß sie zur Abtretung an den Kläger verpflichtet war, falls dieser seine Verpflichtungen gegenüber der Bank erfüllte, R aber nicht seine Verpflichtungen gegenüber dem Kläger. Es bedarf deshalb weiterer Feststellungen des FG zu dieser Frage.

Möglich ist auch, daß der Kläger vor dem Erwerb der Grundschulden von der Bank bereits Grundpfandgläubiger i. S. des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 GrEStG 1940 war. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift ist, daß die Grundschulden der Bank nicht nur zur Sicherung ihrer Forderungen gegen den Kläger, sondern vor allem zur Sicherung ihrer Wechselansprüche gegen R aus Art. 28 des Wechselgesetzes (WG) dienten, was bisher nicht eindeutig festgestellt worden ist. In einem solchen Falle würde der Kläger, der der Bank als Aussteller und Indossant haftete (Art. 9, 15 WG), i. S. des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 GrEStG 1940 einem Grundpfandgläubiger gleichgestanden haben, obwohl keine Bürgschaft vorgelegen hat, wie sie von dieser Vorschrift dem Wortlaut nach vorausgesetzt wird. Dieser Wortlaut ist jedoch zu eng gefaßt. Nach ihrem Sinn und Zweck muß sie auch in anderen Fällen angewendet werden, in denen eine Hauptschuld durch die zusätzliche Übernahme einer Schuld seitens eines Dritten gesichert wird, sofern der Dritte, wenn er in Anspruch genommen wird, auf das Grundpfandrecht zurückgreifen kann. Es kann hierbei nicht entscheidend sein, ob hierfür die Form der Bürgschaft, etwa unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage (vgl. § 771 BGB) oder der Schuldbeitritt gewählt wird, der den Beitretenden und den Hauptschuldner zu Gesamtschuldnern macht. Maßgebend muß vielmehr sein, ob jemand durch den Schuldbeitritt oder die Übernahme einer Bürgschaft eine fremde Hauptschuld sichert und bei seiner Inanspruchnahme auf den Hauptschuldner zurückgreifen kann. An der hiervon abweichenden Auffassung des RFH in seinem Urteil vom 3. November 1933 II A 443/33 (RStBl 1934, 351) hält der Senat nicht fest.

Nichts anderes kann gelten, wenn ein Aussteller oder Indossant eines Wechsels durch seine Wechselunterschrift seine Haftung für die Annahme und Zahlung durch den Bezogenen begründet. Gesichert wird durch diese Haftung die Hauptschuld des Annehmers, gegen den der vom Wechselgläubiger in Anspruch genommene Aussteller oder Indossant in vollem Umfang Rückgriff nehmen kann (vgl. Art. 28 Abs. 2 WG).

Sollten die Voraussetzungen des § 778 BGB vorgelegen haben, so wäre der Kläger sogar dem Wortlaut des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 GrEStG 1940 nach als Bürge einem Grundpfandgläubiger gleichgestellt gewesen.

Nach allem ist nicht auszuschließen, daß der Kläger bereits vor dem 9. August 1967 i. S. des § 9 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 bzw. 3 GrEStG 1940 einem Grundpfandgläubiger gleichstand und daß deshalb für die Anwendung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG 1940 nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Grundschulden abzustellen ist, wie dies das FG angenommen hat. In einem solchen Falle wäre auch die Ausgangslage für die Prüfung verändert, ob die Rettung des Grundpfandrechts des Klägers der Hauptzweck der Abgabe des Meistgebotes war. Schon deshalb ist die mit dem Erwerb der Grundschulden am Tage vor der Zwangsversteigerung begründete Schlußfolgerung des FG nicht haltbar, daß die Abgabe des Meistgebotes nicht zur Rettung des Grundpfandrechts erfolgte. Ob sich aus dem Erwerb der Grundpfandrechte am Tage vor der Versteigerung zusammen mit anderen bisher nicht festgestellten Tatsachen die Absicht des Klägers ergab, das Grundstück unter allen Umständen in seine Hand zu bekommen, ist eine andere Frage. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang jedoch auf sein Urteil vom 26. Februar 1975 II R 120/73 (BFHE 115, 185, 198, BStBl II 1975, 489).

Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück, damit dieses unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut prüft, ob die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 GrEStG 1940 sämtlich vorgelegen haben.

Zuzustimmen ist dem FG darin, daß die Frage einer eventuellen Nacherhebung der Grunderwerbsteuer nach § 9 Abs. 2 GrEStG 1940 in diesem Verfahren nicht zu prüfen ist. Es handelt sich hier um einen neuen Steuerfall (vgl. Urteil des Senats vom 14. August 1974 II R 73/68, BFHE 113, 573, BStBl II 1975, 219).

 

Fundstellen

BStBl II 1976, 467

BFHE 1976, 375

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