Leitsatz (amtlich)

1. Ausnutzen der Steuervergünstigung des § 7b Abs. 1 EStG erfolgt in der Regel durch Ansetzen von Werbungskosten in einer Steuererklärung, die erhöhte Absetzungen für Abnutzung ausweist.

2. Sind derartige Absetzungen als Werbungskosten in einem einheitlichen Feststellungsbescheid nach § 215 Abs. 2 Nr. 4 AO rechtskräftig für einen Beteiligten festgestellt worden, so kann ein Rechtsnachfolger dieses Beteiligten diese Absetzungen nicht im Wege der Nachholung nach § 7b Abs. 5 Satz 1 EStG 1961 für sich in Anspruch nehmen, soweit die erhöhten Absetzungen sich bei dem Rechtsvorgänger nicht steuermindernd ausgewirkt haben.

 

Normenkette

EStG 1961 §§ 7b, 9 Nr. 6, § 21; AO § 213 Abs. 2, § 215 Abs. 2 Nr. 4

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige und sein Vater errichteten im Jahre 1961 auf einem ihnen gemeinsam gehörigen Grundstück ein Zweifamilienhaus, das ihnen je zur ideellen Hälfte gehörte. Für die Jahre 1961 bis 1963 wurden die Einkünfte aus diesem Grundstück aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 215 Abs. 2 Nr. 4 AO vom FA einheitlich festgestellt und dabei die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG erklärungsgemäß berücksichtigt; die sich dabei ergebenden negativen Einkünfte wurden dem Steuerpflichtigen und seinem Vater je zur Hälfte zugerechnet. Durch notariellen Vertrag vom 8. Februar 1964 übertrug der Vater auf den Steuerpflichtigen das Eigentum an seiner Grundstückshälfte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Steuerpflichtige übernahm die auf dem Grundstück ruhenden Lasten als Alleinschuldner und räumte seinem Vater ein unentgeltliches lebenslängliches Wohnrecht in dem Grundstück ein. Dieser vom FG festgestellte Sachverhalt wird von dem Steuerpflichtigen nicht bestritten.

Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1964 begehrte der Steuerpflichtige, daß bei der Ermittlung der ihm nun allein zustehenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung neben den Absetzungen nach § 7 und § 7b EStG gemäß § 7b Abs. 5 EStG im Wege der Nachholung die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG des Vaters für die Jahre 1961 bis 1963 in Höhe von insgesamt 8 291 DM abgesetzt werden müßten. Bei dem Vater hätten sich die Absetzungen nicht ausgewirkt, da dieser als Invalidenrentner der Einkommensteuer nicht unterworfen worden sei.

Das FA lehnte die Nachholung der Absetzungen ab. Auch der Einspruch hatte insoweit keinen Erfolg. Die Klage des Steuerpflichtigen beim FG hatte dagegen Erfolg. Das FG ließ die Nachholung der streitigen erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG in Höhe von 8 291 DM mit der Maßgabe zu, daß es diesen Betrag um die normale AfA nach § 7 EStG in Höhe von 1 v. H. jährlich, insgesamt um 1 081 DM kürzte.

Das FG führte in seinem in EFG 1967, 448 veröffentlichten Urteil aus: Der Nachholung der auf den Vater entfallenden AfA-Beträge stehe nicht entgegen, daß sie in Bescheiden über die einheitliche Feststellung berücksichtigt worden seien. Es entspreche dem Sinn und Zweck der Steuervergünstigung des § 7b EStG, daß die Steuerpflichtigen die erhöhten Absetzungen innerhalb der ersten vier Jahre nach Bezugsfertigkeit dergestalt ausnützen könnten, daß sie sich nach Möglichkeit einkommensteuerlich auswirkten. Nach diesem Zweck des Gesetzes aber könne es keinen Unterschied machen, ob die 7 b-Absetzungen unmittelbar Gegenstand eines Veranlagungsverfahrens oder eines gesonderten Verfahrens zur Feststellung bestimmter Einkünfte seien. Insbesondere könne ein Unterschied nicht darin gesehen werden, daß bei der einheitlichen Feststellung der Einkünfte im Gegensatz zur unmittelbaren Veranlagung auch die festgestellten Besteuerungsgrundlagen in Rechtskraft erwüchsen. In Rechtskraft erwachse jedenfalls nicht die für die Nachholung allein erhebliche 7 b-Absetzung, weil sie lediglich ein Rechnungsposten bei der Einkünfteermittlung sei. Im übrigen werde der in den einheitlich festgestellten Einkünften enthaltene AfA-Betrag seiner Höhe nach von der Nachholung überhaupt nicht betroffen; diese solle vielmehr ermöglichen, den AfA-Betrag ganz oder teilweise bei späteren Veranlagungen zu berücksichtigen. Dies könne aber durch die Rechtskraft der einheitlich festgestellten Einkünfte nicht verwehrt werden.

Die Steuervergünstigung des § 7b EStG stehe dem Steuerpflichtigen als dem unentgeltlichen Erwerber des Grundstücksteils seines Vaters zu. Außer dem Hersteller eines begünstigten Wohngebäudes und dem Gesamtrechtsnachfolger könne auch der unentgeltlich erwerbende Einzelrechtsnachfolger die Vergünstigung beanspruchen (so Urteil des BFH VI 206/59 U vom 19. Dezember 1960, BFH 72, 97, BStBl III 1961, 37). Bei der Übertragung eines begünstigten Grundstückes auf einen unentgeltlichen Erwerber gehe mit der § 7 b-Berechtigung grundsätzlich auch das Nachholungsrecht des § 7b Abs. 5 EStG auf den Rechtsnachfolger über.

Die Revision des FA rügt Verletzung geltenden Rechts. Das Urteil des FG verstoße gegen §§ 215 Abs. 2, 232 Abs. 2 AO. Die Höhe des Verlustes aus Vermietung und Verpachtung und die anteilige Zurechnung seien bindend durch den Feststellungsbescheid festgestellt worden. Der festgestellte Gesamtverlust und seine Verteilung auf die Beteiligten erwachse in Rechtskraft; die in einem Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen könnten nach § 232 Abs. 2 AO nur durch Anfechtung dieses Grundlagenbescheides geändert werden. Das FG hätte sich über diese Vorschriften nicht hinwegsetzen dürfen.

In seiner Stellungnahme zur Revision meint der Steuerpflichtige, die Steuervergünstigung des § 7b EStG sei objektbezogen. Deshalb könnte auch der Ersterwerber eines Gebäudes die vom Bauherrn nicht ausgenutzten erhöhten Absetzungen nachholen. Auf das von ihm und seinem Vater gemeinsam errichtete Wohngebäude bezogen bedeute die angefochtene Entscheidung des FG seine Gleichstellung mit allen anderen Bauherren oder Ersterwerbern von Wohngebäuden, deren Errichtung nach dem Gesetz steuerbegünstigt ist. Nach der Auffassung des FA würde ihm diese Gleichmäßigkeit der Besteuerung verwehrt. Dieser Grundsatz müsse auch hinsichtlich des § 215 Abs. 2 AO durchgreifen, weil die festgestellten negativen Einkünfte der Jahre 1961 bis 1963 lediglich Rechnungsposten darstellten. Die Durchbrechung der Bindungswirkungen eines rechtskräftigen Feststellungsbescheids habe auch der BFH im Urteil I 27/61 U vom 4. Januar 1962 (BFH 75, 544, BStBl III 1962, 202) anerkannt. Nach dem Urteil des BFH VI 20/62 S vom 11. Januar 1963 (BFH 76, 646, BStBl III 1963, 236) würde es dem Sinn und Zweck der Vergünstigung des § 7b EStG mehr gerecht, wenn diese für den Steuerpflichtigen Vorrang erlange. Der BFH habe deshalb auch unterschiedliche erhöhte Absetzungen zugelassen. Deshalb könne auch hier die Nachholung der nicht ausgenutzten erhöhten Absetzungen nicht durch § 215 Abs. 2 Nr. 4 AO versagt werden. § 215 Abs. 2 AO sei eine typische Zweckmäßigkeitsvorschrift.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des FA ist begründet.

Das FG hat die rechtliche Bedeutung der Vorschrift des § 215 Abs. 2 Nr. 4 AO verkannt. Die Vorschriften der AO über das Ermittlungs- und Festsetzungsverfahren in den §§ 204 ff. sind zwingendes geltendes Recht. Das Einzelbesteuerungsverfahren findet nach § 210 AO seinen Abschluß mit dem Erlaß eines Steuerbescheides; die diesem zugrunde gelegte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen bildet nach § 213 Abs. 1 AO regelmäßig einen unselbständigen, mit Rechtsmitteln nicht selbständig anfechtbaren Teil des Steuerbescheides. In Rechtskraft erwächst hier nur die festgesetzte Steuer. Eine andere Rechtslage gilt nach § 213 Abs. 2 AO für die Feststellungsverfahren der §§ 214 und 215 AO. Diese Verfahren enden mit der Erteilung eines schriftlichen Feststellungsbescheides. Die gesonderte Feststellung bildet dann, auch wenn sie mit der Steuerfestsetzung in einem Bescheid vereinigt ist, eine selbständige (mit Rechtsmittel selbständig anfechtbare) Entscheidung. Im Streitfall sind gemäß § 215 Abs. 2 Nr. 4 AO für das nach § 7b EStG begünstigte Grundstück die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einheitlich festgestellt worden, weil an diesen Einkünften mehrere beteiligt waren, nämlich der Steuerpflichtige und sein Vater. Diese Feststellungsbescheide sind rechtskräftig. Gegenstand dieser Bescheide war die Feststellung der Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1961 bis 1963. Nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 EStG bestehen diese Einkünfte in dem Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten. Übersteigen die Werbungskosten die Einnahmen, so spricht man von negativen Einkünften. Zu den nach § 215 Abs. 2 AO einheitlich festzustellenden Werbungskosten gehören nach § 9 Nr. 6 EStG 1961 auch die AfA gemäß den §§ 7 und 7b EStG. Nach den rechtskräftigen Feststellungsbescheiden für die Jahre 1961 bis 1963 sind die erhöhten Absetzungen des § 7b EStG für diese Jahre auch für den Vater des Steuerpflichtigen als seinem Rechtsvorgänger in Anspruch genommen worden. Ihm wurde der sich dadurch ergebende Verlust steuerlich zugerechnet.

Das FG ist bei seiner Entscheidung auch von einer rechtsirrigen Auslegung des § 7b Abs. 5 Satz 1 EStG 1961 ausgegangen, wenn es - wie auch der Steuerpflichtige - meint, der Vater habe als Rechtsvorgänger des Steuerpflichtigen die ihm nach Abs. 1 zustehenden erhöhten Absetzungen nicht ausgenutzt. Das trifft aber nach den rechtskräftigen Feststellungsbescheiden 1961 bis 1963 nicht zu. Zu Unrecht sieht das FG in solchen erhöhten Absetzungen, die zwar in einer Steuererklärung geltend gemacht waren, die sich aber bei der Festsetzung der Steuer nicht steuermindernd ausgewirkt haben, "nicht ausgenutzte erhöhte Absetzungen". Die Rechtsgehalte der Begriffe "nicht ausgenutzt" und "nicht ausgewirkt" decken sich nicht. Im Gegensatz zu den gesetzlich vorgeschriebenen Absetzungen gemäß § 7 EStG, die vorgenommen werden müssen, kann ein Steuerpflichtiger beim Vorliegen der Voraussetzungen nach § 7b EStG erhöhte Absetzungen vornehmen. Die Inanspruchnahme dieser Steuervergünstigung, also ihre Ausnutzung, geschieht in der Regel in der Steuererklärung für die persönliche Veranlagung oder, wie hier im Streitfall, in der Erklärung zur einheitlichen Feststellung von Einkünften im Sinn des § 215 AO. Hat ein Steuerpflichtiger von dem Recht zur Geltendmachung erhöhter Absetzungen Gebrauch gemacht, so hat er das Recht zu erhöhten Absetzungen ausgenutzt. Ob dies geschehen ist, wird durch den Steuerbescheid festgestellt. Dabei kann sich herausstellen, daß sich die erhöhten Absetzungen nur zum Teil oder gar nicht steuermindernd ausgewirkt haben. Der Senat hat hier nicht zu entscheiden, ob ein Steuerpflichtiger solche erhöhten Absetzungen, die sich nicht steuermindernd ausgewirkt haben, nach § 7b Abs. 5 EStG noch nachholen kann, weil er sie im wirtschaftlichen Ergebnis nicht "ausgenutzt" habe und die für einen früheren Veranlagungszeitraum festgestellte erhöhte Absetzung nicht in Rechtskraft erwachsen sei.

Ist diese Feststellung in einem einheitlichen Feststellungsbescheid nach § 215 Abs. 2 AO getroffen worden, so erwachsen diese Feststellungen nach der zwingenden Vorschrift des § 213 Abs. 2 AO in Rechtskraft, wenn dieser Bescheid nicht fristgerecht durch Rechtsmittel angefochten worden ist. Die durch einen Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen können nach § 232 Abs. 2 AO nicht durch Anfechtung eines Steuerbescheides, dessen Grundlage sie waren, angefochten werden. Da die nach § 215 Abs. 2 AO getroffenen Feststellungen bindend sind, kann es auch nicht darauf ankommen, ob sie dann auch einem Steuerbescheid tatsächlich zugrunde gelegt worden sind. Auch wenn ein gesonderter Einkommensteuerbescheid nicht ergangen ist und nicht zu ergehen brauchte, weil der beteiligte Steuerpflichtige kein steuerbares oder ein die Freigrenzen übersteigendes Einkommen gehabt hatte, bleiben die Bindungswirkungen des einheitlichen Feststellungsbescheides bestehen.

Die Vorentscheidung war deshalb wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Der Senat ist in der Lage, selbst zu entscheiden. Dem Steuerpflichtigen stehen die mit der Klage begehrten erhöhten Absetzungen des § 7b EStG nicht zu. Er kann die erhöhten Absetzungen, die sich bei seinem Vater steuerlich nicht ausgewirkt haben, nicht nachholen. Seine Klage gegen die Einspruchsentscheidung des FA war deshalb abzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl II 1970, 63

BFHE 1970, 186

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