Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Tarifvergünstigung bei der Hinzurechnung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG

 

Leitsatz (NV)

Der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG findet im Rahmen der Nachversteuerung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG, die sich infolge eines Gewinns aus der Veräußerung der ausländischen Betriebstätte ergibt, keine Anwendung (Anschluß an BFH-Urteil vom 2. März 1989 IV R 128 /86, BFHE 156, 187, BStBl II 1989, 543).

 

Normenkette

EStG §§ 16, 34 Abs. 1; AuslInvG § 2 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bis zum Streitjahr (1979) als Kommanditist an der . . . KG beteiligt. Die in den Jahren 1973 bis 1977 aus dieser Beteiligung angefallenen Verlustanteile in Höhe von insgesamt . . . DM, die entsprechend den Feststellungsbescheiden des für die KG zuständigen Finanzamts (FA) auf eine in Spanien belegene Betriebstätte der KG entfielen, zog der Beklagte und Revisionsbeklagten (das FA) auf Antrag des Klägers gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1211) bei den Veranlagungen dieser Jahre vom Gesamtbetrag der Einkünfte ab. Im Streitjahr ergab sich ein auf die ausländische Betriebstätte entfallender Veräußerungsgewinn von . . . DM, den das FA nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte dieses Jahres hinzurechnete und dem tariflichen Steuersatz unterwarf.

Der Kläger begehrte im Einspruchs- und Klageverfahren erfolglos die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes des § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf den Hinzurechnungsbetrag von . . . DM.

Mit seiner vom Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer des Streitjahres unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 3. August 1983 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 1987 auf . . . DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den im Streitjahr nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG hinzugerechneten Betrag zu Recht abgelehnt.

1. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG ist ein Verlust, der sich nach den Vorschriften des EStG bei den Einkünften ergibt, die ein unbeschränkt Steuerpflichtiger in einer ausländischen Betriebstätte erzielt und die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) von der Einkommensteuer zu befreien wären, unter bestimmten Voraussetzungen bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte insoweit abzuziehen, als er nach dem DBA zu befreiende positive Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit aus anderen in dem ausländischen Staat belegenen Betriebstätten übersteigt. Nach Satz 3 dieser Vorschrift ist der nach Satz 1 abgezogene Betrag jedoch, soweit sich in einem der folgenden Veranlagungszeiträume bei den nach dem DBA zu befreienden Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit aus in dem ausländischen Staat belegenen Betriebstätten insgesamt ein positiver Betrag ergibt, in dem betreffenden Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte wieder hinzuzurechnen.

2. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. März 1989 IV R 128 /86 (BFHE 156, 187, BStBl II 1989, 543) unterliegt der Hinzurechnungsbetrag nach Satz 3 des § 2 Abs. 1 AIG der Besteuerung nach dem Tarif auch dann, wenn er sich aus einem Gewinn aus der Veräußerung der ausländischen Betriebstätte ergibt.

Nach Auffassung des IV. Senats ist Gegenstand der Hinzurechnungsbesteuerung nicht der Gewinn aus der ausländischen Betriebstätte, da dessen Besteuerung mit dem DBA nicht vereinbar wäre; nach dem Wortlaut des Gesetzes werde vielmehr ein früherer Verlustabzug rückgängig gemacht, der die tarifbesteuerten Einkünfte gemindert habe. Es entspreche deshalb dem Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung, auch den hinzugerechneten Betrag der Tarifbesteuerung zu unterwerfen.

Der X. Senat des BFH hat im Urteil vom 8. März 1989 X R 181/87 (BFHE 156, 190, BStBl II 1989, 541) im Zusammenhang mit der Frage der Berücksichtigung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG bei der Ermittlung des nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG hinzuzurechnenden Betrags die Auffassung vertreten, daß zwar der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG abziehbare Betrag kein bloßer Korrekturposten sei, sondern gewerbliche Einkünfte beinhalte, nach Satz 3 dieser Vorschrift jedoch gleichwohl keine (im Ausland erzielten) Einkünfte hinzuzurechnen, sondern lediglich die zeitweilig steuerfrei gebliebenen Teilbeträge des Einkommens nachzuversteuern seien (unter 1 b aa). Auch nach dieser Auffassung wäre somit die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 1 EStG im Streitfall zu versagen.

3. Auch der erkennende Senat ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des IV. und X. Senats des BFH der Auffassung, daß der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG im Rahmen der Nachversteuerung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG keine Anwendung finden kann. Die in der Literatur hiergegen erhobenen Einwendungen (vgl. Eggesiecker, Betriebs-Berater - BB - 1987, 1008, mit weiteren Nachweisen) greifen nicht durch.

a) Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht eindeutig dafür, daß keine ausländischen Einkünfte (Gewinne) besteuert werden sollen, sondern allein der Abzug an sich nicht abziehbarer ausländischer Verluste in den Vorjahren rückgängig gemacht werden soll. Der im Ausland erzielte (Veräußerungs-) Gewinn ist nur der Anlaß für die Nachversteuerung, jedoch nicht deren Gegenstand. Insbesondere das Absehen von der Nachversteuerung in den Fällen des § 2 Abs. 1 Satz 4 AIG verdeutlicht die Absicht des Gesetzgebers, durch die Hinzurechnung nach Satz 3 lediglich zu verhindern, daß ein Verlust doppelt (im In- und Ausland) abgezogen wird.

Der Umstand, daß auch der Hinzurechnungsbetrag des § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG nach den Vorschriften des EStG zu ermitteln ist, die grundsätzlich zwischen laufendem Gewinn und Veräußerungsgewinn unterscheiden, zwingt entgegen der Auffassung der Revision zu keiner abweichenden Beurteilung. Hierbei handelt es sich lediglich um eine notwendige Folge der bereits für die Ermittlung des Abzugsbetrags nach Satz 1 vorgeschriebenen Anwendung der Vorschriften des deutschen Einkommensteuerrechts. Zwar könnte die vollständige Rückgängigmachung der steuerlichen Auswirkungen des Verlustabzugs nur durch eine Änderung der Veranlagung im Verlustabzugsjahr selbst erreicht werden. Der Gesetzgeber war jedoch im Rahmen des ihm eingeräumten Gestaltungsspielraums (vgl. hierzu Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 3 AO 1977 Tz. 32, mit Rechtsprechungsnachweisen) nicht gehindert, die - zeitlich unbefristete - Nachversteuerung schon aus Praktikabilitätsgründen auf spätere Gewinnjahre zu verlagern. Denn die Vorschrift des § 2 AIG ist als antragsabhängige Steuervergünstigung ausgestaltet und überläßt es damit der freien Entscheidung des Steuerpflichtigen, sich dem Risiko eines Steuersatzunterschieds zwischen Verlustabzugs- und Nachversteuerungsjahr auszusetzen.

b) Sieht man in der Nachversteuerung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG lediglich eine Korrektur des früheren Abzugs ausländischer Verluste, so stellt sich auch die Frage der Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit dem Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit dem spanischen Staat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom 5. Dezember 1966 - DBA-Spanien - (BGBl II 1968, 10) nicht.

Zwar hat nach der Rechtsprechung des BFH die Zuweisung des Besteuerungsrechts in einem DBA an den anderen Vertragsstaat zur Folge, daß auch die in dem anderen Staat erzielten negativen Einkünfte bei der deutschen Besteuerung nicht berücksichtigt werden dürfen (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 366, BStBl II 1983, 566). Die Durchbrechung dieses Grundsatzes durch § 2 AIG stellt jedoch keinen Verstoß gegen Abkommensrecht dar, weil sich aus der Freistellung von Einkünften kein Verbot des Verlustausgleichs im Wohnsitzstaat ergibt (vgl. Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, Art. 23 Rdnr. 74 ff.). Denn mangels Doppelbesteuerung werden die Interessen des anderen Vertragsstaates nicht berührt, wenn Verluste auch im Wohnsitzstaat berücksichtigt werden.

c) Soweit geltend gemacht wird, der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift des § 2 AIG die Nachteile ausgleichen wollen, die bei einem abkommenslosen Zustand bestünden (vgl. Eggesiecker, a.a.O., S. 1012), wird die Tragweite des Nachteilsausgleichs verkannt. Der Gesetzgeber wollte lediglich die Nachteile bei bestehendem Abkommen beseitigen. Hätte er bei seiner Regelung in § 2 AIG nämlich die einem abkommenslosen Zustand entsprechende Rechtslage herbeiführen wollen, so hätte er - unbeschadet der abkommensrechtlichen Zulässigkeit - die Versteuerung der ausländischen Gewinne in voller Höhe und nicht nur begrenzt auf die zuvor steuermindernd berücksichtigten Verluste anordnen müssen.

Schließlich spricht im Streitfall auch der Sinn und Zweck der Steuersatzvergünstigung des § 34 EStG nicht für die Anwendung dieser Vorschrift. Denn die Nachversteuerung nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG ist von vornherein auf den nach Satz 1 abgezogenen Betrag begrenzt und schon deshalb nicht auf die Erfassung der infolge eines Veräußerungsvorgangs zusammengeballten Einkünfte ausgerichtet.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416586

BFH/NV 1990, 282

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