Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenbegründende Zuwiderhandlung im versandrechtlichen Rahmen

 

Leitsatz (NV)

1. Die versandrechtliche Eingangsbescheinigung liefert zwar noch keinen vollgültigen Beweis für die dem Hauptverpflichteten obliegende Gestellung, ist aber als Anzeichen der erfolgten Gestellung anzusehen (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Zur Zuständigkeit für die Erhebung von Eingangsabgaben bei einer Zuwiderhandlung im Rahmen des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens sowie zur Entstehung der Abgabenschuld in der Person des Hauptverpflichteten (1.) bei Nichtgestellung.

3. Ist die Auslegung einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift "offenkundig", so bedarf es nicht der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH.

 

Normenkette

EWGV 222/77 Art. 36 Abs. 1; EWGV 222/77 Art. 36 Abs. 3; EWGV 222/77 Art. 13; Zollschuld-VO Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, d; Zollschuldner-VO Art. 5, 4 Abs. 2; Versand-DVO (1987) Art. 1 Abs. 4; Versand-DVO (1987) Art. 11a; AZO § 87 Abs. 3 Nr. 2; EGVtr Art. 177 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine belgische Spedition, ist Hauptverpflichtete für mehrere beim Zollamt G/Belgien in der Zeit vom 31. Juli 1991 bis 22. Januar 1992 eröffnete externe gemeinschaftliche Versandverfahren für Alkohol der Firma K, der von Belgien nach Deutschland zu befördern und für die im Beitrittsgebiet stationierten sowjetischen/russischen Streitkräfte in W/L bestimmt war. Nach Erkenntnissen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Hauptzollamt -- HZA --), zu dessen Bezirk W/L gehört, wurden die gemeinschaftlichen Versandverfahren nicht durch Gestellung bei der jeweiligen Bestimmungszollstelle beendet. Weder gingen die Rückscheine bei der Abgangszollstelle ein noch befinden sich verfahrensbezügliche Eintragungen im Gestellungsbuch. Der Alkohol wurde von den Fahrern, die jeweils Erklärungen über die Verpflichtung zur Gestellung gegeben hatten, nicht zu einer Zollstelle, sondern zu einem Treffpunkt in B gebracht, wobei teilweise Zollpapiere übergeben wurden. Anschließend gelangte der Alkohol -- mit letztlich unbekanntem Verbleib -- in den räumlichen Bereich der Streitkräfte.

Das HZA, das die von der Klägerin vorgelegten Eingangsbescheinigungen ("Zollamt L") für gefälscht hält, nahm die Klägerin wegen seiner Meinung nach nicht feststellbarer Gestellung mit Steuerbescheiden vom 3. und 10. Dezember 1992 (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 29. November 1994) für Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Branntweinabgaben in Höhe von insgesamt rd. ... Mio. DM in Anspruch.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte die deutsche Erhebungszuständigkeit gemäß Art. 36 Abs. 1 der damals geltenden Verordnung (EWG) Nr. 222/77 des Rates vom 13. Dezember 1976 -- Versand-VO -- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- 1977 L 38) und führte dazu aus, zum "Bruch" des Versandverfahrens sei es erst in Deutschland gekommen (Entfernung der Zollplomben usw.), nicht schon in Belgien durch Übergabe der Waren oder der Versandpapiere durch den zum Entziehen entschlossenen Mitarbeiter C der Firma K an die -- gutgläubigen -- Fahrer. Die angefochtenen Bescheide seien auch materiell rechtmäßig (Art. 2 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987, ABlEG L 201/5 -- Zollschuld-VO --, Art. 5 der Verordnung (EWG) Nr. 1031/88 des Rates vom 18. April 1988, ABlEG L 102/5 -- Zollschuldner-VO --, Art. 13 Versand-VO; §21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes; §§84, 151, 154 Abs. 1 des Gesetzes über das Branntweinmonopol), denn die Waren seien nicht gestellt worden. Die Verpflichtung des Hauptverpflichteten zur Entrichtung fälliger Zölle hätte schon nach früherem Versandrecht gegolten. Entziehungshandlungen (Art. 2 Abs. 1 Buchst. c Zollschuld-VO) hätten die Zollschuldentstehung nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Zollschuld-VO, hier in der Person des Hauptverpflichteten, nicht ausgeschlossen. Die vorgelegten Eingangsbescheinigungen (Art. 1 Abs. 4 der -- damaligen -- Verordnung (EWG) Nr. 1062/87 der Kommission vom 27. März 1987, ABlEG L 107/1 -- Versand-DVO --) bewiesen die Gestellung nicht; sie hätten lediglich Unterrichtungsfunktion, aber keine haftungsbefreiende Wirkung. Auf Art. 11 a Versand-DVO -- Frist für die Mitteilung der Abgangszollstelle an den Hauptverpflichteten -- könne die Klägerin sich nicht berufen. Unabhängig davon, daß rechtzeitige Mitteilungen des HZA erfolgt seien, handele es sich insoweit nicht um eine Frist, die eine spätere Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten ausschlösse. Auch Art. 2 Abs. 1 Buchst. d, letzter Teilsatz Zollschuld-VO ("es sei denn") greife nicht ein. Die truppenzollrechtlichen Voraussetzungen für abgabenfreie Lieferungen (Abwicklungsschein) lägen nicht vor. Die Inanspruchnahme der Klägerin -- als Hauptverpflichtete Garant des Verfahrens -- sei in jedem Falle ermessensgerecht. Auf die Frage der Kenntnis oberster Bundesbehörden über den Mißbrauch von Versandverfahren im Beitrittsgebiet komme es nicht an.

Mit der vom FG zugelassenen Revision erhebt die Klägerin Verfahrens- und Sachrügen, letztere insbesondere wegen Verletzung versand- und zollschuldrechtlicher Vorschriften. Hinsichtlich der Erhebungszuständigkeit habe das FG zu Unrecht Gutgläubigkeit der Fahrer unterstellt, die entgegen ihren schriftlichen Verpflichtungserklärungen nicht zu einer Bestimmungszollstelle, sondern zu einem Treffpunkt gefahren seien. "Gebrochen" worden sei das Versandverfahren bereits in Belgien durch C; eine weitere Zollschuldentstehung, hier in Deutschland, sei ausgeschlossen. Mit einem nationalen Haftungsverständnis dürfe sie nicht bejaht werden. Eine ausdrückliche Zahlungsverpflichtung des Hauptverpflichteten sehe erst Art. 11 Abs. 1 Buchst. c der -- späteren, hier noch nicht anwendbaren -- Verordnung (EWG) Nr. 2726/90 des Rates vom 27. September 1990 (ABlEG L 262/1) -- Versand-VO 1990 -- vor. Auf Vorschriften der Zollschuld-VO habe im Streitzeitraum wegen des spezialgesetzlichen Charakters des Versandrechts (Art. 13 Versand-VO) nicht zurückgegriffen werden dürfen. Im übrigen trete Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Zollschuld-VO hinter den Tatbestand in Buchst. c, a. a. O., zurück. Zollschuldbegründend seien somit durch Dritte verursachte Entziehungsvorgänge innerhalb der Wiedergestellungsfrist. Selbst wenn jedoch Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Zollschuld-VO auf den Hauptverpflichteten anwendbar sei, so sei eine Zollschuld wegen Zweckerreichung, unbeschadet etwaiger Nichtbeachtung truppenzollrechtlicher Erfordernisse, nicht entstanden. Die vorgelegten Eingangsbescheinigungen, die die Vorlage des Versandscheins und die Gestellung der Ware nachwiesen, habe das FG nicht in der gebotenen Weise beachtet. Es habe auch verkannt, daß ohne Einhaltung der in Art. 11 a Versand-DVO vorgeschriebenen Schrittabfolge und der darin bestimmten Ausschlußfrist eine Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten nicht möglich sei.

Schließlich sei die Vorinstanz zu Unrecht dem Klagevorbringen über die behördliche Kenntnis "mafioso-ähnlicher Strukturen im Versorgungsbereich der russischen Truppeneinheiten" nicht nachgegangen. Wegen Verletzung der sich für die Verwaltung ergebenden Warnpflicht sei die Abgabenerhebung unbillig.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihr Vorbringen vertieft, vor allem in bezug auf Art. 11 a Versand-DVO.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die angefochtenen Verwaltungsakte aufzuheben.

Sie regt die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Fragen der Auslegung von Art. 13, Art. 36 Versand-VO, Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Zollschuld-VO und Art. 11 a Versand-DVO an.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (§126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Vorentscheidung kann wegen fehlender Feststellungen bzw. nicht ausreichender Begründung keinen Bestand behalten. Eine abschließende Entscheidung ist jedoch nicht möglich. Vielmehr bedarf es einer weiteren tatsächlichen Würdigung, die der Senat als Revisionsgericht nicht vornehmen kann (vgl. §118 Abs. 2 FGO), und der Darstellung der entsprechenden Gründe.

1. Als durchgreifend erweist sich die Sachrüge, soweit sie gegen die über die Bedeutung der versandrechtlichen Eingangs bescheinigung getroffene Entscheidung gerichtet ist. Der Senat hat in einem gleichgelagerten Fall entschieden (Urteil vom 24. September 1996 VII R 107/95, BFH/NV 1997, 452; vgl. auch den im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung der im Streitfall angefochtenen Bescheide ergangenen Senatsbeschluß vom 4. Februar 1997 VII S 29/96, BFH/NV 1997, 588), daß die Eingangsbescheinigung, wiewohl noch kein vollgültiger Beweis für die dem Hauptverpflichteten obliegende Gestellung, eine diese bestätigende Wirkung hat und, falls echt, als Anzeichen der erfolgten Gestellung gewertet werden muß; soll diese trotz einwandfreier Eingangsbescheinigung als nicht nachgewiesen erachtet werden -- etwa bei Fehlen des Rückscheins und entsprechender Eintragungen im Gestellungsbuch --, so bedarf es dafür der Darstellung nachvollziehbarer Gründe. Von diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall auszugehen. Ihnen zufolge bedarf es entweder der Feststellung der Fälschung der vorliegenden Bescheinigungen oder aber einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage, ob der durch sie erzeugte Anschein nach den gegebenen Umständen entkräftet ist. Diese Feststellungen bzw. Bewertungen wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen und das gefundene Ergebnis zu begründen haben.

2. Für den Fall, daß es nach dem Ergebnis der erneuten Verhandlung darauf ankommen sollte, werden die durch das Revisionsvorbringen veranlaßten nachstehenden rechtlichen Hinweise zu beachten sein:

a) Bedenken gegen die auf entsprechende Feststellungen gestützte Annahme, daß die abgabenrechtlich erhebliche Zuwiderhandlung im Rahmen der externen gemeinschaftlichen Versandverfahren jeweils in Deutschland stattgefunden hat, womit die hiesige Erhebungszuständigkeit begründet ist (Art. 36 Abs. 1 Versand-VO), sieht der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Revision nicht. Zu einer in Belgien "tatsächlich" begangenen Zuwiderhandlung (vgl. Art. 36 Abs. 3, erster Unterabsatz Versand-VO) ist es nach den bisherigen Feststellungen weder durch das Handeln des C noch durch das Verhalten der Fahrer gekommen; auf Einzelheiten dieses Handelns (Steuerung durch C?) kommt es nicht an. Maßgebend ist, daß eine abgabenbegründende Zuwiderhandlung mangels einer entsprechenden Tatbestandsverwirklichung in Belgien nicht in Betracht kommt. Für den Ausschluß von Art. 36 Abs. 3 (die Anwendung von Abs. 1) Versand-VO genügt es, daß -- wie hier -- die Tatbestandsverwirklichung in einem Mitgliedstaat (Deutschland) feststeht; ohne Bedeutung ist, an welchem Ort innerhalb dieses Mitgliedstaates eine Zuwiderhandlung stattgefunden hat (so schon Friedl, Zollgutversand, 1985, Anm. 328). Der Streitfall unterscheidet sich von den Fällen einer in einem anderen Mitgliedstaat bereits verwirklichten abgabenbegründenden Zuwiderhandlung, welche die Abgabenentstehung für Versandgut im Mitgliedstaat der Bestimmung ausschließt (vgl. EuGH, Urteil vom 20. September 1988 Rs. 252/87, EuGHE 1988, 4762, 4766 -- Erlangung eines Versandscheins T 2 --; vgl. auch Urteil vom 27. September 1984 Rs. 99/83, EuGHE 1984, 3939, 3957). Auch der von der Klägerin angeführten niederländischen Gerichtsentscheidung scheint lediglich der Fall einer (durch "unregelmäßigen Empfang" der Ware) bereits verwirklichten Zuwiderhandlung zugrunde zu liegen.

Die innerstaatliche (örtliche) Zuständigkeit für eine abgabenrechtliche Inanspruchnahme der Klägerin bestimmt sich nach innerstaatlichem Recht (Art. 36 Abs. 1 Versand- VO), hier nach §87 Abs. 3 Nr. 2 der Allgemeinen Zollordnung; zuständig ist somit das HZA als Zollstelle, in deren Bezirk der Empfänger seinen Sitz hat. Dies hat das FG richtig entschieden.

b) Wird Versandgut (Zollgut) nicht gestellt, so entsteht in der Person des Hauptverpflichteten die Abgabenschuld, und zwar die Zollschuld nach den maßgebenden Vorschriften des seit 1989 unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrechts (vgl. Hohrmann in Bail/Schädel/Hutter, Zollrecht, B/41 Rz. 87 a; Senat, Beschluß vom 13. März 1997 VII R 65/96, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1997, 236); die frühere Haftung nach innerstaatlichem Zollrecht (zu ihr und ihrem im übrigen besonderen Charakter: Senat, Urteil vom 29. Januar 1985 VII R 115/82, BFHE 143, 187, 189) ist entfallen. Art. 11 Abs. 1 Buchst. c Versand-VO 1990 -- im Streitfall noch nicht anwendbar -- rechtfertigt nicht den von der Klägerin gezogenen Schluß, daß es vor 1993 noch keine Zollschuldnerschaft des Hauptverpflichteten gegeben habe. Diese Vorschrift hatte rein klarstellenden Charakter und entsprach der sich bereits aus dem Zollschuldrecht ergebenden Rechtslage. Die Verpflichtung des Hauptverpflichteten zur Entrichtung von Abgaben aufgrund einer Zuwiderhandlung im Rahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens ist demgemäß nunmehr wieder im allgemeinen Zollschuldrecht aufgegangen (Hohrmann in Dorsch, Zollrecht, B I/96 Rz. 10). Ermessensgesichtspunkte spielen bei der Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten keine Rolle.

Wegen des in Betracht kommenden Zollschuldtatbestandes verweist der Senat auf sein Urteil vom 16. Juli 1996 VII R 97/94 (BFH/NV 1997, 79). Aus diesem ergibt sich auch, daß eine Nichtgestellung nicht schon deshalb ohne Auswirkung auf die Abwicklung des Versandverfahrens bleibt (i. S. von Art. 2 Abs. 1 Buchst. d Zollschuld-VO, falls dieser Tatbestand anwendbar ist), weil für die Stationierungsstreitkräfte bestimmte Waren das Truppengelände erreichen, die truppenzollrechtlichen Befreiungserfordernisse aber nicht erfüllt sind.

Vorangehende Entziehungshandlungen Dritter hinsichtlich des Versandguts stehen der Inanspruchnahme des Hauptverpflichteten nicht entgegen (vgl. Art. 4 Abs. 2 Zollschuldner-VO).

Nicht entscheidungserheblich erscheint das Vorbringen über organisiertes kriminelles Vorgehen im Truppenbereich (vgl. auch Senatsurteil VII R 107/95 a. E.) und darüber vorhandene Erkenntnisse bei Leitungsbehörden. Billigkeitsgesichtspunkte sind im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.

c) Art. 11 a Versand-DVO dient lediglich der Durchführung von Art. 36 Abs. 3, erster Unterabsatz Versand-VO. Sie gilt, wie ihr Wortlaut zeigt, für den Fall, daß bei unterbliebener Gestellung der Versandsendung der Ort der Zuwiderhandlung nicht ermittelt werden kann. Dann hat der Hauptverpflichtete die Möglichkeit, die ordnungsmäßige Erledigung des Versandverfahrens oder den tatsächlichen Ort der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Ob die Nichtbeachtung von Art. 11 a Versand-DVO durch die Abgangszollstelle dazu führen kann, daß der nach Art. 36 Abs. 3, erster Unterabsatz Versand- VO zuständige Mitgliedstaat Abgaben nicht mehr erheben kann, ist im vorliegenden Verfahren, in dem von Zuwiderhandlungen in Deutschland auszugehen ist, ohne Bedeutung (vorstehend Buchst. a).

3. Die Auslegung der hier angewandten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften hält der Senat für offenkundig. Der Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bedarf es nicht (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430). Dies gilt auch im Hinblick auf das Verständnis des Art. 11 a Versand-VO im Sinne der Vorentscheidung (keine Ausschlußfrist), falls es auf die Anwendung dieser Vorschrift ankäme (vgl. aber vorstehend Nr. 2 c).

Sollten -- mit Rücksicht auf die von der Klägerin angeführten Materialien (parlamentarische Anfrage, Erörterungen im Rahmen der Kommission zum Zwischenbericht zum Versandverfahren) -- insoweit je Zweifel bestanden haben, so sind sie durch die definitiven Antworten der Kommission (vgl. insbesondere ABlEG C 83/52 vom 14. März 1997 -- zu Art. 379 Zollkodex-DVO, der Nachfolgevorschrift zu Art. 11 a Versand- DVO) behoben. Wenn die Kommission mehr Klarheit im Versandrecht anstrebt und das "Mitteilungsverfahren an den Hauptverpflichteten" für überprüfungsbedürftig hält, so läßt dies die Auslegung der bezeichneten Vorschrift nicht zweifelhaft erscheinen. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist nicht ersichtlich, daß eine Nichtbeachtung der Mitteilungsregelung ("Verletzung der Pflichten aus den Gemeinschaftsvorschriften") zollschuldhindernde oder -erlöschende Wirkung haben könnte. Eine derartige Wirkung bedürfte einer ausdrücklichen Regelung im zutreffenden (zollschuldrechtlichen) Rahmen.

Dem FG obliegt die weitere Entscheidung über die Frage der Aussetzung der Vollziehung der angegriffenen Bescheide (vgl. Gräber/Koch, FGO, 4. Aufl. 1997, §69 Anm. 141).

 

Fundstellen

BFH/NV 1998, 236

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