Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitgliedschaft eines Architekten in einem Hausbauverein; Anteilscheine; notwendiges Betriebsvermögen; Zahlungen aus dem Vereinsvermögen

 

Leitsatz (NV)

1. Gründet ein Architekt zusammen mit anderen Architekten einen Hausbauverein, um den Mitgliedern eine Stätte der Begegnung und Versammlung zu schaffen, so können sog. "Anteilscheine", die er als Schuldurkunden zum Nachweis der Gewährung von Darlehen an den Verein und als Honorar für Architektenleistungen bei der Errichtung des Vereinsgebäudes erhalten hat, zu seinem notwendigen Betriebsvermögen gehören.

2. Wird der Verein durch den Verkauf des Vereinsgrundstücks aufgelöst und bezieht der Architekt entsprechend der Zahl seiner Anteilscheine aus dem Vereinsvermögen einen Geldbetrag, so kann diese Zahlung bei den Einkünften des Architekten aus selbständiger Tätigkeit zu erfassen sein.

3. Je nach den Umständen der Ausgabe und Einlösung der Anteilscheine können bei dem Architekten auch Einkünfte aus Kapitalvermögen vorliegen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3, § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger ist als Architekt freiberuflich tätig. Er ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmeüberschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). 1972 gründeten der Kläger und weitere Architekten den "Hausbauverein A" (Verein). Mitglied des Vereins konnte jeder Architekt werden, der bereits Mitglied der "BDA Betriebsgruppe B" war. Zweck des (eingetragenen) Vereins war der Erwerb des Grundstücks ... sowie der Ausbau des auf diesem Grundstück befindlichen Gebäudes, um den Mitgliedern eine ständige, eigene Stätte der Begegnung und Versammlung zu schaffen. Zur Finanzierung dieses Vorhabens gewährten die Mitglieder dem Verein unkündbare und grundsätzlich unverzinsliche Darlehen (Mindestbetrag 1 000 DM). Von der vorgesehenen Möglichkeit, eine angemessene Verzinsung von Jahr zu Jahr zu beschließen, hat die Mitgliederversammlung nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) keinen Gebrauch gemacht. Die Darlehensgeber erhielten vom Verein entsprechende "Anteilscheine", die als Schuldurkunden i. S. des § 371 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) galten, keinen Miteigentumsanteil am Grundstück verbrieften und nicht übertragbar waren. In den fortlaufend numerierten Anteilscheinen war der jeweilige Darlehensgeber namentlich bezeichnet. Nach der Vereinssatzung hatte jedes Mitglied "je 1 000 DM Anteilschein" eine Stimme. Bei Auflösung des Vereins waren die Darlehensgeber vor Verteilung des Vereinsvermögens zu befriedigen. Das verbleibende Vereinsvermögen war an die Inhaber der Anteilscheine "anteilmäßig" zu verteilen.

Der Kläger zeichnete zunächst ... Anteilscheine. Weitere ... Anteilscheine über je ... DM erhielt er in den Jahren ... als Honorar für die von ihm übernommene Bauleitung beim Ausbau des Vereinsgebäudes. Nach dem Erwerb eines weiteren Anteilscheins über ... DM im Jahre ... besaß der Kläger ... Anteilscheine mit einem "Nennwert" von insgesamt ... DM.

Nach Fertigstellung des Ausbaus wurde nur ein kleiner Teil des Hauses für Vereinszwecke genutzt; der bei weitem überwiegende Teil und später das ganze Haus wurde fremdvermietet. Im Jahre ... (Streitjahr) wurde der Verein durch den Verkauf des Grundstücks ... aufgelöst. Hierbei wurde ein Verkaufserlös von ... DM erzielt. Der Kläger bezog entsprechend der Zahl seiner Anteilscheine aus dem Vereinsvermögen einen Betrag von ... DM (= ... DM pro Anteilschein). Diesen Vorgang behandelte er in der Einkommensteuererklärung 1986 als steuerfrei.

Im Anschluß an eine Außenprüfung stellte sich der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) in dem nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Einkommensteuerbescheid 1986 auf den Standpunkt, daß die Beteiligung des Klägers an dem Verein notwendiges Betriebsvermögen darstelle mit der Folge, daß der Veräußerungsgewinn im Rahmen des § 18 EStG zu erfassen sei. In der Einspruchsentscheidung, mit der der Einspruch gegen diesen Bescheid zurückgewiesen wurde, vertrat das FA die Auffassung, es handle sich nicht um Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, sondern um solche aus Kapitalvermögen. Daher sei der Nettoerlös zu Recht steuerlich erfaßt worden.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Es führte zur Begründung aus, der Nettoerlös des Klägers aus der Beteiligung an der Liquidation des Vereins gehöre weder zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit gemäß § 18 EStG noch zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Auffassung, die Einnahmen des Klägers seien grundsätzlich gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Soweit die Einnahmen des Klägers in der Honorarforderung für Architektenleistungen begründet seien, seien diese als Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 EStG zu erfassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Die Vorentscheidung enthält keine ausreichenden Feststellungen, die dem Senat die revisionsrechtliche Überprüfung erlauben, ob das FG die dem Kläger im Streitjahr zugeflossene Zahlung aus dem Vereinsvermögen zu Recht nicht als steuerbare Einkünfte beurteilt hat. Dies ist ein materiell-rechtlicher Fehler, der auch ohne Rüge vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 28. Januar 1987 I R 85/80, BFHE 150, 120, BStBl II 1987, 616, und vom 10. Mai 1994 IX R 75/90, BFH/NV 1995, 213).

1. Das FG hat seine Entscheidung, die an den Besitz der Anteilscheine geknüpfte Zahlung sei nicht betrieblich veranlaßt gewesen, weil die Anteilscheine ebenso wie die Vereinsmitgliedschaft nicht zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers gehört hätten, auf eine unzureichende Tatsachengrundlage gestützt.

Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören Wirtschaftsgüter, die ausschließlich und unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke des Steuerpflichtigen genutzt werden (vgl. BFH-Urteile vom 6. März 1991 X R 57/88, BFHE 164, 246, BStBl II 1991, 829, und vom 8. Dezember 1993 XI R 18/93, BFHE 173, 137, BStBl II 1994, 296). Das kann nach der Rechtsprechung des BFH auch auf die Beteiligung eines Angehörigen eines freien Berufs (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) an einer Kapitalgesellschaft und auf ein dieser gewährtes Darlehen zutreffen. Voraussetzung ist, daß Beteiligung und Darlehensgewährung in engem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit stehen (vgl. BFH-Urteile vom 14. Januar 1982 IV R 168/78, BFHE 135, 188, BStBl II 1982, 345, unter 1.; vom 24. August 1989 IV R 80/88, BFHE 158, 254, BStBl II 1990, 17; Senatsurteil in BFHE 173, 137, BStBl II 1994, 296, m. w. N.).

Das FG hat zwar den Begriff des notwendigen Betriebsvermögens nicht verkannt; es hätte aber zur Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers als Architekt und seiner Mitgliedschaft in dem Verein weitere Tatsachen feststellen müssen. Das FG hat hierzu lediglich ausgeführt, der (satzungsmäßige) Gegenstand der Vereinstätigkeit sei der Architektentätigkeit wesensfremd gewesen; der Kläger habe auch nicht darauf hoffen können, aufgrund der Mitgliedschaft wiederholt Aufträge für sein Architekturbüro zu erhalten. Es fehlen daneben aber Feststellungen zu den konkreten Aktivitäten des Vereins. Da nach der Satzung nur Mitglieder der "BDA Bezirksgruppe B" aufgenommen werden konnten, könnte es sich bei dem Verein um eine Art Berufsverband gehandelt haben. In diesem Fall hätte eine enge Beziehung zwischen der Mitgliedschaft und der Berufstätigkeit vorgelegen. In diesem Zusammenhang wird das FG auch zu prüfen haben, ob der Kläger die in der Satzung vorgesehene Aufnahmegebühr und die Mitgliedsbeiträge als Betriebsausgaben behandelt hat.

Darüber hinaus hätte das FG nähere Feststellungen (etwa durch Vernehmung von Vereinsmitgliedern als Zeugen) zum Zweck der (jeweiligen) Ausgabe der Anteilscheine und zu den tatsächlichen Umständen der Auszahlung treffen müssen. Die in der Vorentscheidung ausschließlich gewürdigten schriftlichen Unterlagen (Satzung, Bedingungen der Anteilscheine) sind insoweit nicht ausreichend. Unklar ist etwa, warum die Höhe der Zahlung an die Anzahl der vom Kläger gehaltenen Anteilscheine ( ... ) -- nicht an deren Nennwert -- ( ... DM) -- anknüpfte und warum die Darlehensgeber entgegen den Ausgabebedingungen der Anteilscheine nicht bei Auflösung des Vereins vor Verteilung des Vereinsvermögens befriedigt worden sind.

Schließlich könnte aufschlußreich sein, wie der Verein körperschaftsteuerrechtlich behandelt worden ist, insbesondere im Jahr der Liquidation (Streitjahr).

2. Aufgrund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen zu den Umständen der Ausgabe und Einlösung der Anteilscheine kann der Senat ebenfalls nicht entscheiden, ob der Kläger im Streitfall Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 1 EStG) bezogen hat, weil er Kapitalvermögen gegen Entgelt zur Nutzung überlassen hat (vgl. dazu BFH-Urteile vom 13. Oktober 1987 VIII R 156/84, BFHE 151, 512, BStBl II 1988, 252 unter III.2., und vom 8. Oktober 1991 VIII R 48/88, BFHE 166, 64, BStBl II 1992, 174, unter 1.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420899

BFH/NV 1996, 300

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