Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bilanzbuchhalterprüfung reicht anstelle der Kaufmannsgehilfenprüfung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG aus.

 

Normenkette

StBerG § 6 Abs. 1 Nrn. 2-3

 

Tatbestand

Der Kläger, der das Zeugnis der mittleren Reife besitzt, ist am 1. September 1949 als kaufmännischer Lehrling in das Geschäft des Vaters eingetreten, hat nach Abschluß der Lehrzeit aber nicht die Gehilfenprüfung abgelegt. Er ist im Betrieb seines Vaters als Kaufmann, seit über zehn Jahren als Prokurist tätig. Nach fachlicher Schulung hat er im März 1962 die Bilanzbuchhalterprüfung mit gutem Erfolg abgelegt und ist noch zwei weitere Arbeitsverhältnisse als Bilanzbuchhalter eingegangen.

Der Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der Oberfinanzdirektion (OFD) lehnte den Antrag des Klägers vom 31. Mai 1965 auf Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung ab. Er führte in seiner Entscheidung unter Hinweis auf das Urteil des BFH VII 239/63 U vom 26. November 1963 (BFH 78, 64, BStBl III 1964, 23) aus, daß die Bilanzbuchhalterprüfung die fehlende Gehilfenprüfung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 des Steuerberatungsgesetzes - StBerG -) nicht ersetzen könne. Ob der Bewerber als Prokurist der väterlichen Firma und als Bilanzbuchhalter weiterer Auftraggeber eine hauptberufliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerwesens ausübe, sei zweifelhaft. Die Beurteilung dieser Frage könne jedoch deshalb dahingestellt bleiben, weil seine Tätigkeit infolge der fehlenden Gehilfenprüfung nicht nach der Erfüllung der Voraussetzung zu Nr. 2 der Vorschrift ausgeübt sei (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG).

Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sieht die Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung bei dem Kläger nicht als gegeben an, weil er zwar die kaufmännische Lehre absolviert, nicht aber die Gehilfenprüfung aufzuweisen habe.

Der Kläger hat gegen die Vorentscheidung Rb. eingelegt, die nunmehr als Revision zu behandeln ist. Der Kläger hat eine Stellungnahme des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer über den Wert der Bilanzbuchhalterprüfung gegenüber der Kaufmannsgehilfenprüfung eingereicht. Er hält die Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG durch die Vorinstanz nicht für richtig, er betrachtet die Bilanzbuchhalterprüfung als "Mehr" gegenüber der Kaufmannsgehilfenprüfung. Er sieht es ferner als "Verfahrensmangel" an, daß die Vorinstanz nicht klargestellt habe, ob die Bilanzbuchhalterprüfung nach den Prüfungsordnungen und nach den allgemeinen Auffassungen der Industrie- und Handelskammern "den Kaufmannsgehilfenbrief beinhaltet". Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben sowie "die nachgewiesene Lehrzeit mit Bilanzbuchhalterprüfung zumindest vom Zeitpunkt der Ablegung der Prüfung an als abgeschlossene Ausbildung zu betrachten und damit als Erfüllung der Voraussetzung zu § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG zu werten". Mit Schriftsatz vom 22. April 1966, eingegangen am 25. April 1966, hat der Kläger dem BFH mitgeteilt, daß er sich nun auch noch der Kaufmannsgehilfenprüfung unterzogen habe; den Gehilfenbrief vom 31. Januar 1966 hat er in Ablichtung beigefügt.

Die OFD beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Es sind nur zwei Fragen zu prüfen: ob der Kläger die Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG und ob er diejenige des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG für die Zulassung zur Steuerbevollmächtigtenprüfung erfüllt.

Zu der fachlichen Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG ist der Senat abweichend vom Zulassungsausschuß und vom FG der Auffassung, daß der Kläger die vom Gesetz geforderte Voraussetzung erfüllt. Er hat unstreitig eine ordnungsmäßige Lehrzeit im kaufmännischen Beruf absolviert. Der erst während des Revisionsverfahrens erworbene Kaufmannsgehilfenbrief kann allerdings verfahrensrechtlich in diesem Rechtsstreit für seinen Antrag vom 31. Mai 1965 nicht berücksichtigt werden. Der Kläger hat auch nicht eine Verwaltungsakademie oder gleichwertige Lehranstalt vier Semester lang besucht. Er hat jedoch unstreitig im März 1962 die Bilanzbuchhalterprüfung (mit Note 2 = gut) bestanden. Diese Prüfung ist, wie der Kläger zutreffend dargelegt hat, der Kaufmannsgehilfenprüfung mehr als gleichwertig. Die Bilanzbuchhalterprüfung ist gegenüber der Kaufmannsgehilfenprüfung die speziellere; sie erfordert weit höhere Voraussetzungen. Was die Kaufmannsgehilfenprüfung mehr erfordert (Deutscher Aufsatz, Gemeinschaftskunde) betrifft Fragen der Allgemeinbildung, die nicht unter § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG fallen. Die Voraussetzung der Allgemeinbildung (Nr. 1 a. a. O.) ist bei dem Kläger unstreitig gegeben. Der erkennende Senat hat eine solche dem Sinn des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StBerG Rechnung tragende Auslegung auch bereits im Fall VII 141/65, Urteil vom 8. März 1966, BFH 85, 61, 62, BStBl III 1966, 234, vorgenommen. Die Bilanzbuchhalterprüfung hat gegenüber der Kaufmannsgehilfenprüfung in fachlicher Hinsicht auch noch den Vorteil, daß in ihr Dinge geprüft werden, die gerade für das Steuerrecht von Bedeutung sind; auch Steuerrecht selbst wird geprüft.

Zu der fachlichen Voraussetzung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 StBerG: Das Gesetz verlangt ausdrücklich, daß der Bewerber nach Erfüllung der Voraussetzung zu Nr. 2 a. a. O. vier Jahre lang auf dem Gebiet des Steuerwesens hauptberuflich tätig gewesen ist. Diese Voraussetzung war bei dem Kläger zur Zeit der Entscheidung des Zulassungsausschusses, d. h. am 8. Juni 1965, nicht erfüllt. Der Kläger hatte die Bilanzbuchhalterprüfung am 17. März 1962 abgelegt. Seine Revision gegen das Urteil des FG kann daher in diesem Rechtsstreit im Ergebnis nicht Erfolg haben. Dadurch wird es ihm aber keineswegs verwehrt, ggf. einen neuen Antrag bei dem Zulassungsausschuß für Steuerbevollmächtigte bei der OFD zu stellen.

 

Fundstellen

BStBl III 1967, 437

BFHE 1967, 481

BFHE 88, 481

StRK, StBG:6 R 18

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