Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Nach § 34 Abs. 4 EStG 1953 (ß 34 Abs. 3 EStG 1958) können Einkünfte, die die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt, auf die Jahre verteilt werden, in deren Verlauf sie erzielt wurden, vorausgesetzt, daß die Gesamtverteilung drei Jahre nicht überschreitet. Diese Vorschrift ist jedoch dann nicht anzuwenden, wenn ein Steuerpflichtiger die Verteilung einer an ihn im voraus geleisteten Zahlung auf Jahre beantragt, die auf das Jahr folgen, in dem die Zahlung dem Steuerpflichtigen zufließt.
Normenkette
EStG §§ 11, 34 Abs. 4, 3
Tatbestand
In der Rb. besteht nur noch Streit darüber, ob Einkünfte, die die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit darstellen (ß 34 Abs. 4 EStG 1953, § 34 Abs. 3 EStG 1958) und im voraus bezahlt wurden, auf das Zuflußjahr und diesem nachfolgende Jahre verteilt werden können - im Streitfall auf die Jahre 1953, 1954 und 1955 -.
Der Bg., ein beratender Volkswirt, erhielt für eine Tätigkeit, die das Finanzamt als selbständige Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG ansah, in drei im Streitjahr 1953 gezahlten Teilbeträgen insgesamt 5.500 DM.
Eine Verteilung der 5.500 DM auf die Jahre 1953 bis 1954 ließ das Finanzamt entgegen dem Antrag des Bg. nicht zu.
Mit seinem Einspruch wiederholte der Bg. unter anderem seinen Antrag auf Verteilung. Er dehnte ihn zusätzlich auf das Jahr 1955 aus. Hierbei machte er geltend, bei den "sonstigen Einkünften" handle es sich um eine sich auf mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die noch andauere.
Der Einspruch hatte im Streitpunkte keinen Erfolg. Mit der Berufung vertrat der Bg. die Ansicht, daß ihm die Vergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 (Verteilung auf die Jahre 1953 bis 1955) für den Betrag von 5.500 DM zustehe, weil dieser zu den im Rahmen seiner Tätigkeit als beratender Volkswirt erzielten Einkünften aus freier Berufstätigkeit gehöre.
Die Berufung hatte vollen Erfolg. Das FG kam zu der überzeugung, daß die Einnahme aus der hier in Betracht kommenden Tätigkeit zu den Einkünften aus freier Berufstätigkeit gehöre. Es war der Auffassung, daß die Tätigkeit des Bg., für die dieser die Vergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 begehrt, als die eines Sachverständigen eigener Art anzusehen sei, die, für sich allein gesehen, zu den Einkünften aus freier Berufstätigkeit gehöre da sie aber sachgebietsmäßig mit seiner sonstigen Tätigkeit, die mit Recht als freiberuflich betrachtet worden sei, eng zusammenhänge, sei das Honorar in jedem Falle den freiberuflichen Einkünften zuzurechnen. Unter Bejahung der Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 EStG 1953 berechnete das FG die Einkommensteuer für das Streitjahr 1953 wie folgt: Von dem Betrage von 5.500 DM unterwarf es lediglich 1/3 1.833,33 DM der Einkommensteuer. Den Pauschbetrag für Betriebsausgaben gemäß der Verordnung berechnete es nach dem Gesamtbetrag der Einnahmen aus freier Berufstätigkeit, in dem ebenfalls das Honorar aus der überwachungstätigkeit mit 1/3 von 5.500 DM enthalten war.
Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der er unrichtige Anwendung materiellen Rechts (ß 288 Ziff. 1 AO) rügt. Zur Begründung trägt der Bf. unter anderem vor: § 34 Abs. 4 EStG 1953 sei nicht anwendbar, da es sich bei dem Betrag von 5.500 DM um eine im voraus bezahlte Vergütung und nicht um eine nachträgliche Entlohnung gehandelt habe. Eine Verteilung von Einkünften, die, vom Jahre des Zufließens dieser Einkünfte aus gesehen, in der Zukunft liegen, sei aber nicht möglich. Das ergebe sich schon aus der grammatikalischen Fassung des § 34 Abs. 4 EStG. Zur Begründung seiner Auffassung berufe er sich auf den Kommentar zum Einkommensteuergesetz von Blümich-Falk, 6. Auflage, § 34 Anmerkung 5 b. Es sei überdies kein Fall in der Praxis bekannt, in dem die Einkünfte für eine mehrjährige Tätigkeit auf Veranlagungszeiträume verteilt worden seien, die in der Zukunft liegen. Bei Abgabe einer Steuererklärung lasse sich gar nicht übersehen, ob der Steuerpflichtige überhaupt in der Zukunft steuerpflichtig bleibe. Wenn der Bg. sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 426/53 U vom 25. August 1955 (BStBl 1955 III S. 378, Slg. Bd. 61 S. 462) berufe, so spreche dieses Urteil gerade für die Ansicht des Finanzamts. Hiernach sei die Verteilung im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG 1953 nur eine gedachte. Der Zufluß (ß 11 EStG) der Einnahmen im Streitjahr werde dadurch nicht berührt. Das FG habe jedoch demgegenüber eine tatsächliche Verteilung vorgenommen und dabei gegen § 11 EStG verstoßen.
Der Bg. ist der Meinung, es komme bei Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 lediglich darauf an, daß eine einheitliche Tätigkeit, die sich über mehrere Jahre erstrecke, einheitlich abgegolten werde. Das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 426/53 U vom 25. August 1955 spreche nicht gegen seine Ansicht. Auch die Berufung auf die Kommentarstelle von Blümich-Falk sei irrig, da § 34 Abs. 4 EStG 1953 inhaltlich § 58 EStG 1925 entspreche. Nach dem Kommentar von Hollaender zum Einkommensteuergesetz 1925 verlange auch die Fassung des § 58 EStG 1925 keine Verteilung auf Zeiträume, die in der Vergangenheit liegen. Der Gesetzgeber habe bezüglich der Verteilung sowohl an die Zukunft wie auch an die Vergangenheit gedacht.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Das FG konnte auf Grund der Beweisaufnahme zutreffend zu dem Ergebnis kommen, daß die Tätigkeit, für die der Bg. den Betrag von 5.500 DM erhalten hat, zu dessen freier Berufstätigkeit als beratender Volkswirt zu rechnen ist und die Einkünfte hieraus unter § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG einzuordnen sind. Die Feststellungen des FG sind insoweit frei von Rechtsirrtum.
Was jedoch die Gewährung der Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 für das Honorar von 5.500 DM angeht, so vermag der Senat der Auffassung des FG nicht beizutreten.
Bedenken bestehen gegen die Ausführungen des FG zunächst deshalb, weil dieses sich mit der Vorfrage, ob die überwachungstätigkeit des Bg. eine ausreichend abgrenzbare Sondertätigkeit bzw. ausschließliche Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs darstellte (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs IV 341/39 vom 1. Februar 1940, RStBl 1940 S. 601, und VI 264/41 vom 19. November 1941, RStBl 1942 S. 19), weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht auseinandergesetzt hat. Die Entscheidung dieser Vorfrage kann jedoch im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil nach Auffassung des Senats eine Verteilung des im voraus bezahlten Honorars nach § 34 Abs. 4 EStG 1953 auf Jahre, die auf das Zuflußjahr = Veranlagungsjahr folgen (künftige Jahre), nicht zulässig ist, wie in den weiteren Ausführungen noch im einzelnen dargetan wird.
Vorweg sei jedoch noch folgendes bemerkt: Wie der erkennende Senat im Urteil IV 426/53 U vom 25. August 1955 (a. a. O.) und der VI. Senat des Bundesfinanzhofs in seinen Entscheidungen VI 32/56 U vom 8. März 1957 (BStBl 1957 III S. 185, Slg. Bd. 64 S. 496) und VI 9/58 U vom 6. November 1959 (BStBl 1960 III S. 47, Slg. Bd. 70 S. 126) ausgeführt haben, dient § 34 Abs. 4 EStG 1953 (ß 34 Abs. 3 EStG 1958) als Tarifvorschrift lediglich der Errechnung des Steuersatzes, ohne die gesetzlichen Vorschriften über die Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte der einzelnen Veranlagungszeiträume zu verändern. So wird insbesondere die Vorschrift des § 11 EStG nicht berührt, wonach Einnahmen im Jahre des Zuflusses bezogen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 9/58 U vom 6. November 1959, a. a. O.). Das FG hat, wie der Bf. mit Recht hervorhebt, schon dadurch gegen § 11 EStG verstoßen, daß es von dem im Streitjahre 1953 zugeflossenen Honorar von insgesamt 5.500 DM lediglich 1/3 = 1.833,33 DM in die Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte einbezogen und den Pauschbetrag für Betriebsausgaben auch nur von den "Gesamteinnahmen" aus freier Berufstätigkeit gewährt hat, in denen das Honorar von 5.500 DM ebenfalls nur mit 1/3 dieses Betrages enthalten war. Hierin liegt eine Verletzung einkommensteuerlicher Ermittlungsvorschriften. Auch wenn - wie im Streitfall - das Honorar als Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit im voraus geleistet worden ist, ist es dennoch im Streitjahr zugeflossen. Dies gilt auch dann, wenn man in dem Betrag von 5.500 DM zum Teil einen Vorschuß erblicken sollte (vgl. Bescheid und Urteil des erkennenden Senats IV 159/53 U vom 20. Mai 1954 / 2. September 1954, BStBl 1954 III S. 314, Slg. Bd. 59 S. 266). Wenn aber feststeht, daß das Honorar von 5.500 DM im Streitjahr zugeflossen ist, so ergibt sich daraus, daß es Besteuerungsgrundlage dieses Jahres ist.
Prüft man nunmehr die Frage, ob § 34 Abs. 4 EStG 1953 auch dann anwendbar ist, wenn ein Gesamtentgelt für eine Tätigkeit gezahlt wird, die im Veranlagungszeitraum erst begonnen hat und in die Zukunft fortdauern soll, so ergeben sich gegen die Anwendung der oben genannten Vorschrift in einem solchen Falle Bedenken nach dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und nach dem Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift gestellt ist. Was den Wortlaut der Vorschrift angeht, so weist der Vorsteher des Finanzamtes nicht mit Unrecht darauf hin, daß es im Gesetz heißt " ... in denen die Einkünfte erzielt wurden ..." (nicht etwa erzielt werden). Soweit die Entstehungsgeschichte der Vorschrift in Frage kommt, ist davon auszugehen, daß die Besteuerung von Einnahmen (Einkünften), die die Entlohnung für eine sich über mehrere Jahre erstreckende Tätigkeit darstellen, bereits seit dem EStG 1920 (ß 23) steuerlich begünstigt ist. Die Begünstigung hat weiterhin ihren Niederschlag sowohl in § 58 EStG 1925 wie auch in § 34 EStG 1934 und 1939 gefunden. Während § 23 EStG 1920 eine gleichmäßige Verteilung der Einnahmen auf die vollen Jahre der Tätigkeit, höchstens auf fünf Jahre, zur Berechnung des damals geltenden Staffeltarifs vorsah, wobei der Steuerpflichtige, wie Strutz in seinem Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1920, § 23 Anmerkung 5, bemerkt, für die Dauer (Beginn und Beendigung) der Tätigkeit beweispflichtig war, gewährten die §§ 58 EStG 1925 und 34 EStG 1934 und 1939 lediglich einen ermäßigten Steuersatz im Jahr des Zuflusses. Wenn auch die Fälle der mehrjährigen Tätigkeit sich nicht erschöpfend aufzählen lassen, so war doch z. B. an Künstler und Schriftsteller gedacht, die an einem großen Werk jahrelang allein gearbeitet haben und das Honorar dann in einer Summe erhielten (vgl. Begründung zu § 58 EStG 1925, zitiert bei Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Bd. II S. 947 ff. und S. 951/52, sowie Begründung zu § 34 EStG 1934, RStBl 1935 S. 52). Auch die umfangreiche Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat im Laufe der Jahrzehnte diesen überlegungen Rechnung getragen. Man wollte nur solche Zahlungen begünstigen, die als nachträgliche Entlohnung für mehrjährige Arbeit an einem Werk dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind und ihn infolge der Zusammenballung in einem Jahr steuerlich besonders belasteten. In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Ansicht Glasers Bedeutung, der in seinem Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1920, Anmerkungen 3 und 4 zu § 23, zur Entstehungsgeschichte und zum Zweck der Bestimmung folgendes schreibt: "... Es handelt sich vielmehr um einen gesetzgeberischen Gedanken von allgemeiner Bedeutung: Die Einkommensteuer wird periodisch veranlagt und erhoben. Das besagt, daß im Grundsatz die wirtschaftlichen Maßnahmen der Steuerpflichtigen in ihren wirtschaftlichen Folgen periodisch für den Staat nutzbar gemacht werden sollen. Die normale Dauer der Periode ist ein Kalenderjahr. Es wird also allgemein davon ausgegangen, daß die Steuer erhoben wird von den Erfolgen der wirtschaftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen während eines Jahres, wie auch die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen des Steuerpflichtigen in gleicher Weise begrenzt ist. Die vorliegende Stelle handelt nun von wirtschaftlichen Maßnahmen, die mehrere Jahre brauchen, ehe sie sich in einer steuerpflichtigen Einnahme auswirken. Die Gerechtigkeit würde eigentlich fordern, daß diese Einnahme auf die entsprechende Anzahl von Steuerjahren nach rückwärts verteilt würde ..."
Schon aus dem Wortlaut und der geschichtlichen Entwicklung der Vorschrift des § 34 EStG gewinnt der Senat die überzeugung, daß eine Verteilung nur auf rückliegende Jahre in Betracht kommen kann. Diese Auslegung wird auch dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung insofern gerecht, als die Entlohnung wirtschaftlich und rechnerisch nur auf solche Jahre verteilt werden kann, in deren Verlauf die Einkünfte erzielt wurden, mithin sich als Ergebnis tatsächlich erbrachter Leistungen darstellen. Die Frage aber, in welchen Jahren die Einkünfte erzielt wurden, muß stets aus der Sicht des Veranlagungs- = Zuflußjahres beantwortet werden. Es kann nach überzeugung des Senats dabei nicht auf einen Zeitpunkt in der Zukunft, etwa nach Beendigung der mehrjährigen Tätigkeit, abgestellt werden.
Zieht man die Stellung des § 34 im EStG in Betracht, so ist zu beachten, daß § 34 zu den Tarifvorschriften gehört, wie bereits hervorgehoben wurde. § 34 Abs. 4 Satz 2 EStG 1953 wurde erst durch das Kontrollratgesetz Nr. 12 in das heutige Einkommensteuerrecht ab 1. Januar 1946 eingefügt. Die Vorschrift galt auch für die Jahre nach der Währungsreform auf Grund des Militärregierungsgesetzes Nr. 64 weiter. Die Gesetzesänderung hatte lediglich zur Folge, daß an Stelle des Sondertarifs die gewöhnlichen Steuersätze traten, eine Tatsache, die aus der damaligen Zeit, in der besonders hohe Steuersätze galten, zu erklären ist. Aus der Stellung des § 34 innerhalb der Tarifvorschriften folgt, wie der Senat im Urteil IV 426/53 U (a. a. O.) und der VI. Senat im Urteil VI 155/56 U vom 28. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 169, Slg. Bd. 66 S. 435) ausgesprochen haben, daß die Einkommensteuer rechnerisch in der Weise zu ermitteln ist, daß der Betrag festgestellt wird, um den die Einkommensteuer für die Jahre, in die die erzielten Einkünfte gehören, höher gewesen wäre, wenn sie im Laufe dieser Jahre dem Steuerpflichtigen zugeflossen und bei den Einkünften dieser Jahre mit erfaßt worden wäre. Um aber diese Berechnung durchführen zu können, muß der Veranlagungsbeamte bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Zufluß- = Veranlagungsjahres eine Sonderberechnung der Mehrsteuer unter Verwertung der Besteuerungsgrundlagen der Jahre, die nach dem oben Gesagten in die Berechnung einzubeziehen sind, vornehmen. Bei einer Einbeziehung künftiger Jahre in die Berechnung müßten noch nicht bekannte Besteuerungsgrundlagen berücksichtigt werden. Auch die überlegung, etwa eine vorläufige Steuerfestsetzung bis zur Gewißheit über diese Besteuerungsgrundlagen durchzuführen, kann hier nicht weiterführen. Die Tarif- und Steuerfestsetzung ist notwendiger Bestandteil jedes Steuerbescheides (ß 211 Abs. 1 AO). Sie baut auf den Besteuerungsgrundlagen des Veranlagungszeitraums auf. Nur diese sind Voraussetzungen für die Entstehung der Steuerschuld. Sind diese Besteuerungsgrundlagen ungewiß und können sie auch nicht schätzungsweise festgestellt werden, so ist zwar die Veranlagung gemäß § 100 Abs. 1 AO vorläufig durchzuführen. Im Streitfall stehen die Besteuerungsgrundlagen des Veranlagungszeitraums aber eindeutig fest. Der Gesamtbetrag von 5.500 DM ist Besteuerungsgrundlage des Veranlagungszeitraums 1953, weil er in diesem Jahr zugeflossen ist (ß 11 EStG). Damit sind die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuerschuld dieses Jahres unbedingt und mit voller Gewißheit eingetreten. Eine Ungewißheit besteht nur hinsichtlich des anzuwendenden Steuertarifs. Im Ergebnis würde also eine vorläufige Veranlagung auf eine Schätzung der Einkommensteuer hinauslaufen. Eine Schätzung der Steuer ist aber nach allgemeiner Auffassung unzulässig (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 399/26 vom 5. Oktober 1926, Mrozek-Kartei, Reichsabgabenordnung, § 210 Abs. 1 und 2, Rechtsspruch 18). Hiervon abgesehen können der Steuerpflichtige und das Finanzamt auch im voraus nicht mit Sicherheit beurteilen, ob die Vergünstigungsvorschrift des § 34 Abs. 4 EStG sich tatsächlich zu seinen Gunsten auswirkt. Hinzu kommt, daß die gesetzlichen Tarifsätze für eine zurückliegende Zeit eindeutig feststehen, während für die Zukunft Gesetzes- und Tarifänderungen möglich sind. Nach Ansicht des Senats bezweckt § 34 Abs. 4 EStG 1953 nur eine Besteuerung des Steuerpflichtigen nach dem Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung wirtschaftlich gleichgelagerter Steuerfälle für die Vergangenheit, nicht aber für die Zukunft, für die der Steuerpflichtige in seinen Dispositionen völlig frei ist und mit der Besteuerung der Einkünfte im Jahre des Zufließens rechnen muß (vgl. auch hierzu Urteil des Reichsfinanzhofs IV 130/40 vom 31. Oktober 1940, RStBl 1941 S. 100). Auch die Finanzverwaltung und das steuerliche Schrifttum haben überwiegend nur eine Verteilung auf die Vorjahre in Betracht gezogen (vgl. EStR 1953, Abschnitt 161 (221), Abs. 1, und Folgejahre; Kapp-Brockhoff, Die Besteuerung außerordentlicher Einkünfte nach § 34 EStG, S. 85; die Kommentare zum Einkommensteuergesetz von Herrmann-Heuer, § 34 Anmerkung 30, Blümich-Falk, 8. Auflage § 34 Anmerkung 9 e, Lademann-Lenski-Brockhoff, § 34 Anmerkung 13 Nr. 1; Bühler, Kommentar zum Einkommensteuergesetz und Körperschaftsteuergesetz, § 34 Anmerkung 5).
Zu beachten ist auch noch folgendes: Der Veranlagungsbeamte ist nur dann in der Lage, das Vorliegen einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Tätigkeit zu prüfen, wenn dafür objektive Merkmale gegeben sind, das heißt wenn zumindest der Zeitraum abgelaufen ist, auf den die Entlohnung entfällt und für den die Verteilung beantragt wird. Das können aber vom Standpunkt des Veranlagungszeitraums aus immer nur Jahre sein, die der Zahlung vorhergehen, denn nur insoweit gründen sich die Feststellungen des Veranlagungsbeamten auf objektive Merkmale. Handelt es sich dagegen um eine Tätigkeit, die im Veranlagungszeitraum erst beginnt und in die Zukunft fortdauern soll, so ist der Veranlagungsbeamte gehalten, sich entweder auf vertragliche Vereinbarungen oder Behauptungen des Steuerpflichtigen zu verlassen. Ob diese Abmachungen tatsächlich vollzogen werden, ob also der Ablauf der Ereignisse den Behauptungen entspricht, kann der Veranlagungsbeamte jedoch erst nach Ablauf (Beendigung der mehrjährigen Tätigkeit) beurteilen. Er kann überdies auch dann erst feststellen, ob die Tätigkeit wirklich einheitlich ist und durch einen Betrag oder gegebenenfalls mehrere Zahlungen entlohnt wurde. Im Zeitpunkt der Veranlagung kann er jedoch seine Steuerberechnung bezüglich des Tatbestandes der "mehrjährigen Tätigkeit" nur auf Vermutungen stützen. Es ist durchaus möglich, daß entgegen der Vermutung und entgegen den Absichten des Steuerpflichtigen die Tätigkeit durch den Steuerpflichtigen aus Gründen, die in seiner Person liegen (Tod, Krankheit, Auswanderung und anderes mehr), gar nicht mehr ausgeführt werden kann, so daß, rückwirkend betrachtet, die Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 EStG 1953 entfallen. Wie unsicher selbst der Bg. hinsichtlich der Einschätzung der Dauer seiner Tätigkeit war, beweist die Tatsache, daß er in seiner Erklärung lediglich eine Verteilung auf die Jahre 1953 und 1954 beantragt hatte, im Rechtsmittelverfahren den Antrag aber dann noch auf das Jahr 1955 erweiterte, obwohl auch in diesem Jahr die Tätigkeit noch nicht beendet war.
Bei dieser Rechtslage vermag der Senat den Einwendungen des Bg. nicht zu folgen. Der Hinweis des Bg. auf Hollaender geht schon deshalb fehl, weil die Vorschrift des § 58 EStG 1925 inhaltlich, wie dargestellt, nicht mit der Vorschrift des § 34 Abs. 4 EStG 1953 übereinstimmte. § 58 EStG 1925 sah keine Verteilung, sondern nur günstigere Steuersätze vor. Auch der Vergleich mit entgehenden Einkünften greift nicht durch. Einmal handelt es sich im Streitfall nicht um Entschädigungen für entgehende Einnahmen, sondern um eine Vergütung für geleistete und noch zu leistende Dienste. Aus der steuerlichen Begünstigung von Entschädigungen können hiernach keine Rückschlüsse auf die Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG 1953 gezogen werden, weil es sich hier um andere Tatbestände handelt. Auch die wirtschaftliche Betrachtungsweise zwingt nicht zu der vom Bg. vertretenen Rechtsansicht. Sie kann dort nicht Platz greifen, wo das Gesetz, wie im Falle des § 34 Abs. 4 EStG 1953, eine sinnvolle Regelung getroffen hat, die im Ergebnis wirtschaftlichen überlegungen nicht widerspricht. Auch der Hinweis auf die Steuerzahlungspflicht der Erben im Falle des Todes des Steuerpflichtigen vermag die Auffassung des Steuerpflichtigen nicht entscheidend zu stützen.
Nach alledem ist die Rb. des Vorstehers des Finanzamts begründet. Der Betrag von 5.500 DM ist im Jahre 1953 voll steuerpflichtig. Die Vorentscheidung hat diese Rechtsgrundsätze verkannt. Aus diesen Gründen muß sie aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410016 |
BStBl III 1961, 530 |
BFHE 1962, 722 |
BFHE 73, 722 |