Leitsatz (amtlich)

Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kann nicht allein mit dem Abweichen des Betriebsergebnisses von amtlichen Richtsätzen der Finanzverwaltung begründet werden, wenn deren Anwendung auf wesentlich kleinere Betriebe als den des Steuerpflichtigen begrenzt ist.

 

Normenkette

AO § 217

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - Inhaberin eines Metzgereibetriebs - hatte für das Streitjahr 1970 keine Steuererklärungen abgegeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) schätzte den Gewinn auf 51 300 DM.

Die Einsprüche, die die Klägerin nicht näher begründet hatte, blieben ohne Erfolg.

Nach Klageerhebung reichte die Klägerin die Steuererklärungen ein und beantragte, die Einkommensteuer und den Gewerbesteuermeßbetrag entsprechend ihren Erklärungen, in denen der Gewinn mit 31 573 DM angegeben war, festzusetzen.

Die Klagen hatten nur zum Teil Erfolg.

Das FG führte aus: Die vom FA vorgenommene Schätzung des Gewinns mit 51 300 DM sei dem Grunde und der Höhe nach gerechtfertigt. Nach den amtlichen Richtsätzen betrage der für das Gewerbe der Klägerin maßgebliche Rohgewinnaufschlag 35 - 47 - 56 v. H., der Reingewinnsatz 6 - 10 - 14 v. H. Der vom FA geschätzte Reingewinnsatz von 9 v. H. liege unter dem Mittelwert von 10 v. H. der Richtsatzsammlung. Die Klägerin habe diese Schätzung nicht zu entkräften vermocht. Nach ihren Angaben betrage der Rohgewinnaufschlag 18,7 v. H., der Reingewinn mache 5,6 v. H. des Umsatzes von 566 315 DM aus. Diese Sätze lägen weit unter den Mittelwerten der angeführten Richtsätze. Die Klägerin hätte detaillierte Angaben machen müssen, aufgrund welcher Tatsachen der Gewinnaufschlagssatz gegenüber den Vorjahren noch weiter zurückgegangen sei.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 1 Abs. 2 und 3 StAnpG. Sie trägt vor, die Beweiskraft der Buchführung sei nicht erschüttert. Die Umsatzentwicklung gebe die Begründung dafür, daß unterdurchschnittliche Kalkulationen vorliegen müßten. Gegen die Anwendung der Richtsätze seien keine Argumente gehört worden, obwohl das lückenlose Rechenwerk einer EDV-Buchführung vorliege.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das FG hat von einer Schätzungsbefugnis nach § 96 FGO i. V. m. § 217 AO - § 162 AO 1977 - fehlerhaften Gebrauch gemacht.

Die Klägerin hat für das Streitjahr eine Anfangs- und Schlußbilanz nebst einer Gewinn- und Verlustrechnung eingereicht. In einem derartigen Fall sind nach dem Urteil des BFH vom 25. Juni 1970 IV 17/65 (BFHE 100, 159, BStBl II 1970, 838) an den Nachweis der sachlichen Unrichtigkeit des Buchführungsergebnisses wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als an die Begründung einer Schätzung des Umsatzes oder Gewinns bei festgestellten, zur Schätzung berechtigenden Mängeln der Buchführung. Die vom FG festgestellten Umstände, daß der Rohgewinnaufschlagssatz und der Rohgewinnsatz weit unter dem in der Richtsatzsammlung aufgeführten Mittelwert liegen, tragen nicht die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge.

Die amtlichen Richtsätze sind zwar keine Rechtsnormen, jedoch ein anerkanntes Hilfsmittel der Verprobung und Schätzung der Umsätze und Gewinne (BFH-Urteil vom 20. August 1964 IV 113/60, StRK, Reichsabgabenordnung, § 217, Rechtsspruch 67; HFR 1965, 472). Sie beruhen auf finanzamtlichen Prüfungen solcher Betriebe, die nach Art und Größe den Betrieben entsprechen, auf die sie angewendet werden sollen. Sie legen sich selbst einschränkende Bedeutung insofern bei, als ihre Anwendung nur bei Betrieben in Betracht kommt, die eine bestimmte Größenordnung nicht überschreiten. Nach der hier maßgeblichen Richtsatzsammlung für die Oberfinanzbezirke Düsseldorf, Köln, Münster (Westf.) gelten die Richtsätze für Betriebe bis zu 400 000 DM Umsatz und bis zu 40 000 DM Gewinn. Nur in Ausnahmefällen sind in der Richtsatzsammlung Betriebe mit einem Gewinn bis zu 50 000 DM berücksichtigt worden (vgl. Vorbemerkungen unter A Nr. 2 der Richtsatzsammlungen 1969 und 1971). Die Klägerin hat, was jedenfalls den Umsatz anbelangt, diese Grenze im Streitjahr wesentlich überschritten. Eine Schätzung kann daher nicht allein mit dem Abweichen von den für wesentlich kleinere Betriebe bestimmten Richtsätzen begründet werden.

Die Vorentscheidungen sind nach alledem aufzuheben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72699

BStBl II 1978, 278

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