Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner jetzt auch vom V. Senat geteilten Ansicht fest, daß die freiberufliche Tätigkeit eines Künstlers nicht dadurch zu einer gewerblichen wird, daß das Geschaffene zu gewerblichen Zwecken verwendet werden soll.

Das Entwerfen von Stickmustern als gewerbliche und nicht künstlerische Tätigkeit.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15; GewStG § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzamt behandelte den Bf. bei der endgültigen Veranlagung 1953 bis 1957 als Gewerbetreibenden und versagte ihm den Freibetrag für freie Berufe.

Der Bf. ist der Ansicht, seine Tätigkeit als Kunstmaler und Zeichner auf dem Gebiet der angewandten Kunst stelle eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG dar. Er behauptete, er stelle Muster für Gardinen, Teppiche, Tapeten, Stoffe usw. her. Seine Ideen halte er mittels einer Kohlezeichnung fest. Hieraus entwickle er einen Entwurf, der in seiner Farbzusammenstellung und Darstellung eine fertige Schöpfung sei. Diesen Entwurf biete er Industriellen an, welche Kissenbezüge usw. mit den aufgepausten Mustern herstellten, denen eine Stickanweisung in farbiger Ausführung beigefügt sei. Er, der Bf., fertige nur den Entwurf und die bildmäßige Anweisung für die Stickerin. Seine Arbeit sei handwerksmäßig nicht erlernbar. Seine Entwürfe enthielten folgenden Stempelaufdruck (Auszug):

"Dieser Originalentwurf ist durch Fotokopie hinterlegt und nach § 2 des Kunstschutzgesetzes geschützt. Er darf weder nachgeahmt, vervielfältigt, fotografiert noch dritten Personen oder Konkurrenzfirmen zugängig gemacht werden".

Daß er Künstler sei, werde durch das an seinen Prozeßbevollmächtigten gerichtete Schreiben einer Werkkunstschule bestätigt.

Der Einspruch des Bf. gegen die Versagung des Freibetrages für die Veranlagungszeiträume 1953 und 1955 bis 1957 blieb erfolglos. Auch die dagegen eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht führte aus, es liege in der Anfertigung von Entwürfen für die Produktionsgestaltung der Industrie jeglicher Art ohne Rücksicht darauf, ob der Anfertiger der Entwürfe sich auf die Herstellung des ersten Entwurfes beschränke oder sich darüber hinaus in die Produktionsanfertigung selbst einschalte, eine Eingliederung in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr, die über die Ausübung eines freien Berufes hinausgehe und sich als gewerbliche Betätigung darstelle. Zwar habe der IV. Senat des Bundesfinanzhofs in dem Urteil IV 560/56 U vom 20. Februar 1958, BStBl 1958 III S. 182, Slg. Bd. 66 S. 471, nur darauf abgestellt, ob es sich bei dem geschaffenen Werk um ein Erzeugnis eigenschöpferischen Denkens handle, wohingegen die endgültige Verwendung des Geschaffenen nicht als maßgebend angesehen werden dürfe. Die Kammer vermöge sich aber dieser Rechtsansicht, die auch vom V. Senat des Bundesfinanzhofs in dem Urteil V 134/56 S vom 15. November 1956, BStBl 1957 III S. 60, Slg. Bd. 64 S. 158, nicht geteilt werde, nicht anzuschließen. Im übrigen habe sich die Kammer auch nicht davon überzeugen können, daß der Bf. als Künstler anzusprechen sei. Sie stimme mit dem Sachverständigen A., der in dem die Umsatzsteuer betreffenden Parallelverfahren ein Gutachten erstattet habe, auch auf Grund ihres eigenen unmittelbaren Eindrucks von den Entwürfen des Bf. überein, daß die Arbeiten zwar einen recht geschmackvollen Farbensinn erkennen ließen, jedoch über eine kunsthandwerkliche Betätigung nicht hinausgingen und insbesondere nicht als eigenschöpferische künstlerische Leistungen zu betrachten seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Der Hauptbegründung, die das Finanzgericht seiner Entscheidung gegeben hat, kann allerdings nicht zugestimmt werden. Seit dem vom Finanzgericht erwähnten Urteil des Senats IV 560/56 U hat der Senat auch weiterhin in ständiger Rechtsprechung die Ansicht vertreten, eine freiberufliche Tätigkeit werde nicht schon deshalb zu gewerblichen, weil das Geschaffene zu gewerblichen Zwecken verwendet werden soll (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs IV 96/57 vom 17. Juli 1958, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 96; IV 78/58 vom 2. Juni 1960, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 115; IV 105/58 vom 10. März 1960, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 111; IV 60/58 vom 20. Oktober 1960, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1 Rechtsspruch 126; IV 234/58 vom 2. Februar 1961, StRK, Gewerbesteuergesetz, § 2 Abs. 1, Rechtsspruch 131; IV 321/61 U vom 24. Januar 1963, BStBl 1963 III S. 216, Slg. Bd. 76 S. 592). Diese Ansicht wird jetzt auch vom V. Senat des Bundesfinanzhofs vertreten, der in der Entscheidung V 96/59 S vom 11. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 453, Slg. Bd. 71 S. 549, seine frühere, vom Finanzgericht erwähnte abweichende Ansicht aufgegeben hat. Der Senat sieht keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Der Hilfsbegründung, die das Finanzgericht seiner Entscheidung beigefügt hat, ist dagegen zuzustimmen. Es hat mit eingehender Begründung verneint, daß die Arbeiten des Bf. als künstlerisch im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1 EStG anzusehen seien. Diese auf dem Gebiete der Tatsachenwürdigung liegende Feststellung des Finanzgerichts ist vom Senat nur dahin nachprüfbar, ob sie gegen den klaren Akteninhalt oder die Denkgesetze verstößt oder ob die Feststellung dieser Tatsache auf einem wesentlichen Verfahrensmangel beruht. Das ist zu verneinen.

Künstlerisch ist eine Tätigkeit dann, wenn sie auf Grund einer persönlichen, nicht erlernbaren Begabung Gegenstände oder Gestaltungen (nicht notwendigerweise körperlicher Art) hervorbringt. Das Finanzgericht hat sich für die Verneinung der Künstlereigenschaft des Bf. auf das bereits erwähnte Gutachten des Sachverständigen A. gestützt. Es hat dieses Gutachten eingehend gewürdigt.

Dem Bf. kann auch nicht zugestanden werden, daß der Sachverständige vom Finanzgericht falsch ausgewählt worden sei, weil er Spezialkenner alter Kunst sei, der mit den äußerungen und Grundbegriffen neuer oder angewandter Kunst nicht hinlänglich vertraut sei. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß auch ein Kenner der alten Kunst zu beurteilen vermag, ob das zu Gebrauchszwecken Hergestellte als künstlerisch zu betrachten ist. Außerdem zeigt das Gutachten, daß sich der Sachverständige eingehend und mit Verständnis für den besonderen Verwendungszweck der Entwürfe des Bf. mit diesen Entwürfen befaßt hat. So beurteilt er zunächst die zeichnerischen Entwürfe, die den eigentlichen Stickmustern später zugrunde gelegt sind, und dann die Herstellung der Stickmuster selbst. Es sieht dabei weder in den Entwürfen noch in der Umsetzung dieser Entwürfe in die Muster eine künstlerische Tätigkeit. Die Tatsache, daß er u. a. in dem Gutachten schreibt, die ihm vorliegende Kohlezeichnung lasse "besondere" künstlerische Qualitäten nicht erkennen, und an anderer Stelle, die Kohlezeichnung sei nicht als künstlerisch "wertvoll" zu bezeichnen, läßt nicht darauf schließen, daß der Sachverständige etwa aus der Sicht eines hauptsächlich Werke der freien Kunst beurteilenden Menschen zu hohe Maßstäbe angelegt hätte. Diese Worte sind nur in Verbindung mit dem Gesamtgutachten zu würdigen. In diesem ist aber klar zum Ausdruck gekommen, daß der Bf. zwar eine große Handfertigkeit im Zeichnen und einen geschmackvollen Sinn für Farben besitzt, daß aber seine Entwürfe in der Motivwahl eng an Vorbilder angelehnt sind, und die Fertigkeiten des Bf. bei einer gewissen zeichnerischen Begabung erlernbar sind. Von diesem Urteil durfte die Vorinstanz ohne Rechtsverstoß um so eher ausgehen, als die vorgelegten Muster auch nach Ansicht des Senats die Auffassung des Gutachters bestätigen. Die vom Bf. selbst vorgelegte schriftliche äußerung des Leiters der Werkkunstschule, der den Bf. offenbar nicht verletzen wollte, ist zu allgemein gehalten, als daß sie dem Finanzgericht angesichts der wohlbegründeten Ausführungen des Sachverständigen A. Anlaß zur Einholung eines weiteren Gutachtens hätten geben müssen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411015

BStBl III 1964, 45

BFHE 1964, 112

BFHE 78, 112

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