Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ersatzleistungen des Eigentümers an den abziehenden Pächter für die stehende Ernte auf Grund einer sogenannten Halmtaxe sind keine Aufwendungen auf den Grund und Boden (ß 4 Abs. 1 letzter Satz EStG), sondern abzugsfähige Betriebsausgaben. 2. Die in Abschnitt 131 EStR 1955 in der Fassung der EStR 1956/57 in Verbindung mit dem Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1938 - S 2141 - 70 III (RStBl 1938 S. 721) getroffene Verwaltungsanweisung stellt keine die Steuergerichte bindende Anpassungsregelung im Sinne von § 131 Abs. 2 AO dar.

 

Normenkette

AO § 131 Abs. 2; EStG § 4 Abs. 1, § 13/1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die von dem Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes an den abziehenden Pächter auf Grund einer sogenannten Halmtaxe gezahlte Entschädigung für die stehende Ernte den Gewinn mindert.

Der steuerpflichtige Ehemann, den den Hof seiner Ehefrau bewirtschaftet und mit der Ehefrau zusammen veranlagt wird, ist buchführender Landwirt. Die steuerpflichtige Ehefrau hatte im Jahre 1950 zwei damals noch verpachtete Flurstücke von rund 4,9 ha zugekauft und war als Verpächter in den Pachtvertrag eingetreten. Das Pachtverhältnis endete am 30. Juni 1957. Die Steuerpflichtigen übernahmen die beiden Flurstücke am 1. Juli 1957 in Eigenbewirtschaftung. Der Pächter, der bei Pachtbeginn im Juli 1939 dem damaligen Eigentümer die Ernte nach Maßgabe einer sogenannten Halmtaxe abgelöst hatte, erhielt bei Pachtende auf Grund einer Halmtaxe von den Steuerpflichtigen eine Entschädigung von 10 316 DM für den Bestand an Sommerweizen und Zuckerrüben. Die Steuerpflichtigen behandelten diese Zahlung als Betriebsausgaben des Wirtschaftsjahres 1957/58. Auf Grund einer im Jahre 1960 durchgeführten Betriebsprüfung wurden die den Steuererklärungen entsprechenden Veranlagungen berichtigt. Dabei behandelte das Finanzamt den Betrag von 10 316 DM als Privatentnahme und rechnete ihn je zur Hälfte dem Gewinn des Streitjahres und dem des Jahres 1958 zu.

Der Einspruch blieb erfolglos. Der Steuerausschuß war der Auffassung, daß die Zahlung im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grund und Bodens geleistet worden und daher nicht zu berücksichtigen sei (ß 4 Abs. 1 letzter Satz EStG).

Die Berufung der Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Das Finanzgericht ging davon aus, daß § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG nicht anwendbar sei, da die Ernte des Landwirts nicht zum Anlagevermögen, sondern zum Umlaufvermögen gehöre. Der von den Steuerpflichtigen gezahlte Betrag von 10 316 DM stelle keinen Gegenwert für den Grund und Boden dar; es handle sich um Anschaffungskosten der Ernte. Das Finanzgericht stellte fest, daß bei der Veranlagung des Pächters entgegen der Verwaltungsanordnung in Abschn. 131 Abs. 7 EStR 1958 der Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1938 - S 2141 - 70 III - (RStBl 1938 S. 721), wonach die Einnahmen beim Pächter nicht zu erfassen waren, nicht mehr angewendet und die gezahlte Entschädigung als Betriebseinnahme zur Einkommensteuer herangezogen wurden. Das Finanzamt hatte die dem Pächter gezahlte Halmtaxe um den Betrag gekürzt, den er bei Pachtantritt seinerzeit als Halmtaxe hatte zahlen müssen. Die Vorinstanz kam zu dem Ergebnis, daß die gezahlte Ernteentschädigung betriebswirtschaftlich und steuerlich beim Pächter Betriebseinnahmen und beim Eigentümer Betriebsausgaben darstellten. Eine Aktivierung bedürfe es in diesen Fällen nicht, weil sich diese Aufwendungen und Erträge nicht über das laufende Kalenderjahr hinaus auswirkten.

Hiergegen richtet sich die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, mit der unter Hinweis auf die Rechtsprechung, die ihren Niederschlag in dem genannten Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1938 und in Abschn. 131 EStR 1955 in der Fassung der EStER 1956/57 gefunden habe, geltend gemacht wird, daß die stehende Ernte bürgerlich-rechtlich und steuerlich einen Bestandteil des Grund und Bodens bilde und Entschädigungszahlungen für sie mithin gewinneutral zu behandeln seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Bundesfinanzhof entschied im Urteil I 331/56 U vom 16. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 323, Slg. Bd. 65 S. 231), das sich mit der Ersatzleistung für Bodenbestellungskosten bei der übernahme des verpachteten Betriebes durch den Verpächter vom Pächter befaßte, daß wirtschaftlich gleicher Aufwand auch steuerlich gleichbehandelt werden muß und deshalb der ersetzte Aufwand beim Verpächter abzugsfähige Betriebsausgabe und beim bisherigen Pächter steuerpflichtige Betriebseinnahme darstellt. Diese Grundsätze, denen der Senat zustimmt, gelten für die Behandlung von Ernteentschädigungen entsprechend. Bei der Entschädigung für Bodenbestellungskosten handelt es sich um den Ersatz von Aufwendungen, die dem Pächter tatsächlich entstanden sind, die ihm aber vom Verpächter erstattet werden müssen, weil sie allein dem Verpächter in der künftigen Ernte zugute kommen. Die Ernteentschädigung umfaßt nun neben den Bestellungskosten auch den sich aus dem Zusammenwirken von Grund und Boden, Naturkräften und Bestellungsaufwand ergebenden Zuwachs an landwirtschaftlichen Erzeugnissen bis zur übernahme durch den Verpächter. Da der Ausgleich in beiden Fällen auf den gleichen wirtschaftlichen Erwägungen beruht, besteht keine Veranlassung, sie steuerlich unterschiedlich zu behandeln.

Bei Anwendung der Grundsätze des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1938, auf die in Abschn. 131 EStR 1955 in der Fassung der EStER 1956/57 Bezug genommen ist, würde eine wirtschaftlich gleiche Ertragsminderung steuerlich ungleich behandelt, je nachdem, ob der abziehende Pächter oder der übernehmende Landwirt geerntet hat. Hätte der abziehende Pächter die Ernte noch selbst eingebracht, so wären die Ernteeinnahmen nicht dem Verpächter, sondern dem Pächter zugeflossen und hätten nicht den Gewinn des Verpächters, sondern den des Pächters erhöht. Der Verpächter (Eigentümer) erzielt aber nicht einen höheren Gewinn, wenn er an Stelle der überlassung der Ernte in Natur den Pächter in Geld abfindet.

Die vom Finanzamt vertretene Auffassung, wonach eine Entschädigung für den Ernteertrag steuerlich anders zu beurteilen sei als eine Ersatzleistung für Bodenbestellungskosten, weil sie nicht nach tatsächlich entstandenen Ausgaben, sondern nach dem zu erwartenden Ertrage bemessen sei, berücksichtigt nicht ausreichend den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen diesen Ausgaben, die den Gewinn des Pächters gemindert haben, und der Entschädigung. Zwar bilden nicht die Kosten, sondern der voraussichtliche Ertrag die Bemessungsgrundlage der Ernteentschädigung. Aber die Entschädigung dient wirtschaftlich gesehen dem Pächter doch in erster Linie zur Deckung der ihm entstandenen Ausgaben für das sogenannte Feldinventar (Ausgaben für Acker- und Bestellungsarbeiten, für Dünger und Saatgut). Denn die Summe der je nach Fruchtart mehr oder weniger erheblichen Kosten des Feldinventars, die den aufeinanderfolgenden Anbauperioden eines Wirtschaftsjahres entstehen, erreicht regelmäßig in dem Zeitpunkt den höchsten Stand, in dem das Feldinventar einen solchen Wachstumsgrad aufweist, daß bereits von einer stehenden Ernte gesprochen werden kann (vgl. Förster, Der Wert des Feldinventars, S. 63 ff., 74 ff.). Die landwirtschaftliche Betriebslehre bezeichnet deshalb als Feldinventar die gemachten Aufwendungen und die noch nicht bezogenen Nutzungen (vgl. Hagenguth in Handbuch der Landwirtschaft Bd. 5 S. 680). Es würde zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen, bei der Entschädigung gerade dann, wenn die Summe der Ausgaben den höchsten Stand erreicht hat, den Gesichtspunkt der Deckung dieses Aufwands nur deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die Berechnung des Deckungsbetrages auch noch den natürlichen Zuwachs berücksichtigt.

Die Verpflichtung zur Leistung der Ernteentschädigung beruht im Streitfalle auf dem Pachtvertrag (anders § 591 BGB). Es handelt sich daher wie auch in dem im Urteil I 331/56 U entschiedenen Fall um den Ausgleich von Forderungen und Gegenforderungen, die nicht den Ansatz des Wertes von Grund und Boden (ß 4 Abs. 1 letzter Satz EStG) betreffen, sondern die in dem Verhältnis zwischen Verpächter und Pächter begründet sind. Die geleistete Ernteentschädigung von 10 316 DM ist somit bei den Steuerpflichtigen abzugsfähige Betriebsausgabe und bei dem bisherigen Pächter in voller Höhe steuerpflichtige Betriebseinnahme.

Die vorstehenden Grundsätze widersprechen zum Teil der in Abschn. 131 EStR 1955 in der Fassung der EStER 1956/57 enthaltenen und von den EStR 1958 in Abschn. 131 Abs. 7 für die Zeit bis zum Wirtschaftsjahr 1957/58 bestätigten Regelung, die auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1938 Bezug nimmt. Der Erlaß des Reichsministers der Finanzen bindet die Steuergerichte nicht. Er enthält eine Milderung nur für Steuerpflichtige, die eine Entschädigung empfangen, nicht jedoch für diejenigen, die sie entrichten. Die genannte Verwaltungsregelung ist daher von den Steuergerichten nicht zu beachten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 39/57 U vom 14. August 1958, BStBl 1958 III S. 409, Slg. Bd. 67 S. 354). Soweit in der nicht amtlich veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 150/61 vom 19. Juni 1962 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 60) eine andere Auffassung vertreten ist, tritt ihr der Senat nicht bei.

 

Fundstellen

BStBl III 1964, 62

BFHE 1964, 159

BFHE 78, 159

BB 1964, 118

DB 1964, 246

DStR 1964, 171

StRK, EStG:4 R 610

BFH-N, (K) Nr. 867

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