Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Liegt der für die Ermittlung des Gewerbekapitals maßgebenden Einheitsbewertung des Betriebsvermögens ein vom Feststellungszeitpunkt abweichender Abschlußzeitpunkt zugrunde (§ 63 Abs. 2 bis 4 BewG), so sind auch für die Frage, ob eine bei der Einheitsbewertung abgezogene Schuld Dauerschuldcharakter hat, die Verhältnisse im Abschlußzeitpunkt entscheidend. Der in dem Urteil des Senats I 159/60 S vom 23. Januar 1962 (BStBl 1962 III S. 222, Slg. Bd. 74 S. 601) niedergelegte Rechtsgrundsatz ist deshalb dahin zu ergänzen, daß Dauerschulden gewordene Steuerschulden nicht schon einem Einheitswert zugerechnet werden dürfen, dem ein vor dem Zeitpunkt der Festsetzung der Steuerschuld liegender Abschlußzeitpunkt zugrunde liegt.

 

Normenkette

GewStG § 8 Ziff. 1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1; BewG § 63 Abs. 2-4, § 106/2, § 106/3, § 106/4

 

Tatbestand

Streitig ist unter anderem für den Erhebungszeitraum 1958, ob bei der Ermittlung des Gewerbekapitals der Bfin. die bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens abgezogene Körperschaftsteuerschuld für den Veranlagungszeitraum 1950 als Dauerschuld gemäß § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG dem Einheitswert hinzuzurechnen ist.

Die Körperschaftsteuer 1950 der Bfin. ist durch Steuerbescheid vom 26. Juli 1956 festgesetzt worden. Da infolge Rechtsmitteleinlegung die Vollziehung des Steuerbescheides ausgesetzt worden war - die Veranlagung ist erst im Jahre 1960 rechtskräftig geworden -, ist die Körperschaftsteuerschuld 1950 erst im Laufe des Jahres 1960 bezahlt worden. Die Bfin., deren Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, hat an den jeweiligen Bilanzstichtagen vom 30. Juni Rückstellungen für die Körperschaftsteuer 1950 gebildet. Die Rückstellungsbeträge sind bei den Einheitswertfeststellungen des Betriebsvermögens als Schulden abgezogen worden (§ 53 a der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz), so auch die zum 30. Juni 1956 gebildete Rückstellung bei der für den Erhebungszeitraum 1958 maßgebenden Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1957. Das Finanzamt hat bei der Ermittlung des Gewerbekapitals die abgezogenen Beträge als Dauerschulden gemäß § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG den Einheitswerten wieder hinzugerechnet.

Der Einspruch der Bfin. hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat der gegen die Einspruchsentscheidung vom Vorsteher des Finanzamts eingelegten Berufung stattgegeben. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 197/57 S vom 11. August 1959 (BStBl 1959 III S. 428, Slg. Bd. 69 S. 447) sei die Körperschaftsteuerschuld 1950 dadurch, daß sie nicht binnen 12 Monaten seit der Fälligkeit gezahlt worden sei, zur Dauerschuld geworden. In dem genannten Urteil vertrete der Bundesfinanzhof den Standpunkt, daß die in Dauerschulden umgewandelten Steuerschulden dem Einheitswert zuzurechnen seien, bei dessen Festsetzung sie erstmals abgezogen worden seien. Daraus folge für den Streitfall die Hinzurechnung zu den Einheitswerten ab 1. Januar 1952.

 

Entscheidungsgründe

Die von der Steuerpflichtigen gegen das Urteil des Finanzgerichts eingelegte Rb. ist begründet.

Der erkennende Senat hat inzwischen in dem Urteil I 159/60 S vom 23. Januar 1962 (BStBl 1962 III S. 222, Slg. Bd. 74 S. 601) ausgesprochen, daß Steuerschulden, die erst nach Ablauf von 12 Monaten seit der Festsetzung und Zahlungsaufforderung getilgt wurden und demgemäß Dauerschulden geworden sind, bei der Ermittlung des Gewerbekapitals nicht schon einem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzugerechnet werden dürfen, dessen Stichtag vor dem Zeitpunkt der Festsetzung der Steuerschuld liegt. Auf die Begründung des Urteils wird Bezug genommen. Der Senat hält an dieser Auffassung auch für den vorliegenden Fall fest.

Hiernach war die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Nach den vorstehenden Grundsätzen war die Körperschaftsteuerschuld 1950 der Bfin. an keinem der hier für die Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebsvermögens maßgebenden Stichtage zu einer Dauerschuld geworden. Dies gilt auch für die der Ermittlung des Gewerbekapitals für 1958 zugrunde liegende Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1957. Zwar liegt dieser Feststellungszeitpunkt nach dem 26. Juli 1956, dem Tag der Festsetzung der Körperschaftsteuer 1950. Jedoch ist der Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1957 entsprechend der Sachbehandlung bei den früheren Einheitsbewertungen gemäß § 63 Abs. 3 BewG der vom Schluß des Kalenderjahres abweichende Abschlußzeitpunkt, hier der 30. Juni 1956 zugrunde gelegt worden. An diesem Tage war die Körperschaftsteuer 1950 noch nicht festgesetzt. Nach § 63 Abs. 4 BewG gilt der auf den Abschlußzeitpunkt ermittelte Einheitswert als Einheitswert vom Feststellungszeitpunkt. Der Abschlußzeitpunkt ist insbesondere auch für die Ermittlung von Art und Menge des Betriebsvermögens (zum Beispiel unter anderem des Bestandes an Forderungen und Schulden) maßgebend (vgl. Krekeler, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 6. Aufl., S. 489). Er muß auch für die Frage, ob eine Schuld Dauerschuldencharakter hat, maßgebend sein. Dem steht das Urteil des Senats I 113/60 S vom 8. November 1960 (BStBl 1961 III S. 103, Slg. Bd. 72 S. 276) nicht entgegen, wonach bei vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr auch solche Dauerschulden dem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzuzurechnen sind, die im Rahmen der nach § 64 Ziff. 1 b Satz 2 BewG abzugsfähigen Aufwendungen auf Betriebsgrundstücke den Einheitswert gemindert haben. Denn dieser Entscheidung liegt die Vorschrift des § 64 BewG zugrunde, wonach in gewissen Fällen Vermögensänderungen berücksichtigt werden, die zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt eingetreten sind. Ein solcher Fall ist aber hier nicht gegeben.

Hiernach ist die vom Finanzgericht vorgenommene Hinzurechnung der bei den maßgebenden Einheitswertfeststellungen - unter anderem auch bei der für den Erhebungszeitraum 1958 in Betracht kommenden Einheitsbewertung auf den 1. Januar 1957 - abgezogenen Körperschaftsteuerrückstellungen rückgängig zu machen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410643

BStBl III 1963, 69

BFHE 1963, 193

BFHE 76, 193

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