Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Der Bundesfinanzhof hält an dem Urteil III 78/54 S vom 10. Dezember 1954 (BStBl 1955 III S. 63, Slg. Bd. 60 S. 165) fest, nach dem Verwaltungsräume einer gemeinnützigen Körperschaft usw., die der Verwaltung von steuerpflichtigem Grundbesitz, insbesondere von Wohngrundstücken dienen, zu keinem grundsteuerbegünstigten Zweck benutzt werden und deshalb nicht von der Grundsteuer befreit sind.

Der Wohnzweck ist kein nach § 4 Ziff. 1 bis 8 GrStG begünstigter Zweck. Deshalb kann ein Grundstücksteil, der von einem gemeinnützigen Wohnungsunternehmen für die Verwaltung von Wohnungen (auch von grundsteuerbegünstigten) benutzt wird, nicht wegen unmittelbarer Benutzung für gemeinnützige Zwecke von der Grundsteuer freigestellt werden.

 

Normenkette

GrEStG § 4/3/b, §§ 5-6

 

Tatbestand

Die Bgin. ist eine AG, deren Gegenstand und Zweck nach ihrer Satzung der Bau und die Betreuung von Kleinwohnungen ist. Die Gesellschaft ist durch Beschluß des Regierungspräsidenten als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen anerkannt worden. Im Jahre 1954 errichtete sie einen Neubau, in dem sich eine größere Anzahl von Wohnungen sowie gewerbliche Räume und Verwaltungsräume befinden. Ein Raum wird von der Bgin. für die Verwaltung von Wohnungen, und zwar in der Hauptsache von grundsteuerbegünstigten Wohnungen, benutzt. Die Mieter zahlen dort ihre Mieten und melden kleinere Reparaturwünsche an. Das Hauptbüro der Bgin., in dem die Planungen für die Neubauten vorgenommen werden, ist in einem anderen Gebäude der Bgin. untergebracht.

Das Finanzamt hat für das Grundstück auf den 1. Januar 1955 eine Nachfeststellung des Einheitswertes und eine Nachveranlagung des Steuermeßbetrages durchgeführt. Bei der Festsetzung des Steuermeßbetrages ist für die Wohnungen eine Grundsteuervergünstigung nach § 7 des Ersten Wohnungsbaugesetzes in der Fassung vom 25. August 1953 (I. WoBauG) - BGBl 1953 I S. 1047 - gewährt worden. Den Antrag der Bgin., den Grundstücksteil, der für die Verwaltung der Wohnungen benutzt wird, gemäß § 4 Ziff. 3 Buchst. b, § 6 GrStG wegen unmittelbarer Benutzung für gemeinnützige Zwecke von der Grundsteuer freizustellen, hat das Finanzamt unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 78/54 S vom 10. Dezember 1954 (BStBl 1955 III S. 63, Slg. Bd. 60 S. 165) außerhalb des Bescheides über die Festsetzung des Grundsteuermeßbetrages durch ein besonderes Schreiben abgelehnt. Die Bgin. hat hiergegen mit Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts Sprungberufung eingelegt.

Die Vorinstanz hat die Berufung als Rechtsmittel gegen den Grundsteuermeßbescheid behandelt. Der "Ablehnungsbescheid" des Finanzamts sei lediglich als eine Ergänzung des Einheitswertbescheides und des Grundsteuermeßbescheides anzusehen. In sachlicher Hinsicht hat die Vorinstanz der Berufung stattgegeben. Sowohl die subjektiven als auch die objektiven Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 4 Ziff. 3 Buchst. b GrStG seien erfüllt. Der zu Verwaltungszwecken verwendete Grundbesitz diene zwar nicht unmittelbar gemeinnützigen Zwecken. Der Bundesfinanzhof habe aber im Urteil vom 10. Dezember 1954 (a. a. O.) auch solche Räume, die die Körperschaft zur Erfüllung ihrer gemeinnützigen Zwecke benötige, als unmittelbar für diesen Zweck benutzt angesehen. Zu diesem Zweck gehöre nach der Satzung der Bgin. nicht nur die Errichtung von Wohnungen, sondern auch deren Verwaltung. Die Tatsache, daß der verwaltete Grundbesitz selbst nicht befreit sei, stehe dem nicht entgegen. Die Vorinstanz stellte schließlich ausdrücklich fest, daß sie der vom Bundesfinanzhof im Urteil vom 10. Dezember 1954 (a. a. O.) vertretenen Auffassung, diese Verwaltungsräume seien grundsteuerpflichtig, nicht zu folgen vermag.

In der Rb. wird vom Vorsteher des Finanzamtes Nichtanwendung bzw. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes geltend gemacht. Das Finanzgericht versuche, über das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Dezember 1954 (a. a. O.) hinaus, die Gemeinnützigkeit der Verwaltung der von der Gesellschaft selbst erstellten oder erworbenen Grundstücke nachzuweisen oder als feststehend hinzustellen. Das Finanzgericht gehe hier jedoch fehl, weil es sich ausschließlich auf die Statuten stütze, ohne auf das maßgebliche Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen vom 29. Februar 1940 (WGG) mit seinen änderungen zurückzugreifen. In § 6 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes sei die Tätigkeit, die als gemeinnütziger Zweck anzusehen ist, abschließend angeführt.

Die Bgin. wendet sich gegen diese Auffassung des Vorstehers des Finanzamts und weist vor allem auf die Vorschriften des § 6 Abs. 2 und 3 WGG und des § 9 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen - WGGDV - in der Fassung vom 25. April 1957 (BGBl 1957 I S. 406) hin. In diesen Vorschriften sei die Benutzung von Räumen für die eigene Geschäftstätigkeit eindeutig als zulässiger Aufgabenkreis eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens festgelegt und bestimmt, daß die Verwaltung der Wohnungen in den Rahmen der gemeinnützigen Tätigkeit falle. Bei der Verwaltung der Wohnungen handle es sich um eine ureigene Aufgabe des gemeinnützigen Wohnungsunternehmens als zwingende Folge der Bautätigkeit. Die Verwaltung der vermieteten Wohnungen sei unmittelbare Verwirklichung einer den gemeinnützigen Wohnungsunternehmen durch Gesetz und Satzung auferlegten wesentlichen und nicht hinwegzudenkenden Teilaufgabe. Die gesamte verwaltende Tätigkeit eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens diene ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken. Deshalb könne auch die verwaltende Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der überlassung (Vermietung) von Wohnraum stehe, von der Befreiung nach § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG nicht ausgeschlossen werden. § 5 GrStG stehe dem nicht entgegen; denn es handle sich nicht darum, ob die Benutzung der Wohnungen durch die Mieter eine unmittelbare Benutzung zur Verwirklichung des steuerbegünstigten Zweckes darstelle, sondern entscheidend sei, daß die Verwaltung, auch soweit sie die vermieteten Wohnungen zum Gegenstande habe, bei einem gemeinnützigen Wohnungsunternehmen unmittelbare Erfüllung der gemeinnützigen Zwecke sei. Im übrigen betreffe § 5 GrStG nach Entstehungsgeschichte, Sinnzusammenhang und Wortlaut nur die unmittelbare Benutzung zu Wohnzwecken.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

I. - Die Befreiung von Grundbesitz von der Grundsteuer wegen Benutzung für gemeinnützige Zwecke setzt nach § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG voraus,

daß der Grundbesitz einer nach Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienenden inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse gehört (subjektive Voraussetzung), und

daß der Grundbesitz von dem Eigentümer unmittelbar für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird (objektive Voraussetzung).

Daneben besteht noch die Koppelungsvorschrift des § 4 Ziff. 6 GrStG; sie ist jedoch im Streitfalle ohne Einfluß.

Die subjektive Voraussetzung ist unstreitig erfüllt. Zur objektiven Voraussetzung hat der Senat im Urteil vom 10. Dezember 1954 (a. a. O.) entschieden, daß Verwaltungsräume einer gemeinnützigen Körperschaft usw., die zur Erfüllung ihrer steuerbegünstigten Zwecke unentbehrlich sind, als für die steuerbegünstigten Zwecke (denen die Verwaltung gilt) unmittelbar benutzt gelten. Ebenso müßten Verwaltungsräume, die zur Verwaltung von steuerbefreitem Grundbesitz unentbehrlich seien, als den begünstigten Zwecken unmittelbar gewidmet angesehen werden. Verwaltungsräume indessen, die der Verwaltung von steuerpflichtigem Grundbesitz, insbesondere von Wohngrundstücken dienten, würden zu keinem steuerbegünstigten Zweck benutzt und seien daher nicht von der Grundsteuer befreit. Der Senat hält an dieser Auffassung fest.

II. - Wie die Bgin. zutreffend ausgeführt hat, gehört nach dem WGG nicht nur die Errichtung von Kleinwohnungen, sondern auch deren Verwaltung zur gemeinnützigen Tätigkeit der als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmen (vgl. § 6 Abs. 2 und 3 WGG und § 9 Abs. 2 WGGDV). Diese gemeinnützige Tätigkeit umfaßt auch die Geschäfte, die der Vermietung und Verwaltung der im eigenen Namen errichteten oder auf andere Weise verschafften Wohnungen dienen (ß 7 Abs. 1 Buchstabe a WGGDV). Dies wirkt sich z. B. auf die Behandlung der Körperschaftsteuer aus. Für die grundsteuerliche Behandlung der Verwaltungsräume eines gemeinnützigen Wohnungsunternehmens sind aber die Sonderbestimmungen des GrStG zu beachten. Daher ist es in objektiver Hinsicht nicht ausreichend, wenn die Verwaltungstätigkeit nach dem WGG und seiner Durchführungsverordnung einen gemeinnützigen Zweck darstellt. Die Freistellung von der Grundsteuer setzt vielmehr voraus, daß der Steuergegenstand (hier der Verwaltungsraum) unmittelbar für steuerbegünstigte Zwecke im Sinne des Grundsteuerrechtes benutzt wird (ß 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG). Hierbei ist, worauf der Bundesfinanzhof bereits in der Entscheidung vom 10. Dezember 1954 (a. a. O.) hingewiesen hat, davon auszugehen, daß die Verwendung eines Grundstückes (Grundstücksteiles) für Verwaltungszwecke an sich keine unmittelbare Benutzung für einen steuerbegünstigten Zweck darstellt. Da jedoch eine Körperschaftsteuer usw., die steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, zur Erfüllung dieser Zwecke auch Verwaltungsräume braucht, und diese Räume deshalb meist unentbehrlich sind, müssen in diesen Fällen derartige Räume als für die steuerbegünstigten Zwecke unmittelbar benutzt angesehen werden (unentbehrliche Hilfstätigkeit). Wird aber ein Steuergegenstand im Sinne des Grundsteuerrechtes in einem Grundstücksteil verwaltet, so kann die Frage der Grundsteuer für diesen Grundstücksteil nicht losgelöst von der grundsteuerlichen Behandlung des Steuergegenstandes, der verwaltet wird, beurteilt werden.

III. - Für den Streitfall bildet § 5 GrStG den Kernpunkt. Diese Vorschrift enthält eine einschneidende Einschränkung gegenüber den Befreiungsvorschriften in § 4 GrStG. Sie bestimmt, daß Grundbesitz, der Wohnzwecken dient, nicht als für einen der nach § 4 Ziff. 1 bis 8 GrStG begünstigten Zwecke benutzt anzusehen ist. Der Wohnzwecken dienende Grundbesitz ist deshalb, unbeschadet der zeitigen Befreiung nach § 7 WoBauG, nicht von der Grundsteuer zu befreien, es sei denn, daß die Ausnahmevorschriften des § 5 Ziff. 1 bis 4 GrStG oder andere Sondertatbestände, die im Streitfalle nicht gegeben sind, Platz greifen. Der Wohnzweck ist somit nach ausdrücklicher grundsteuerlicher Sondervorschrift kein steuerbegünstigter Zweck im Sinne des Grundsteuerrechtes. Da Verwaltungsräume grundsteuerrechtlich als unmittelbar den Zwecken gewidmet angesehen werden müssen, denen die Verwaltung dient (vgl. Kühne, Das Grundsteuergesetz, Kommentar, § 6 Anm. 3) und der strittige Verwaltungsraum für die Verwaltung von Wohnungen benutzt wird, die nach dem GrStG nicht steuerbefreit sind, kann auch der Verwaltungsraum nicht nach § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG wegen unmittelbarer Benutzung für gemeinnützige Zwecke von der Grundsteuer freigestellt werden. Bei dem verwalteten Grundbesitz handelt es sich im wesentlichen um Grundbesitz, der nach den Wohnungsbaugesetzen nur grundsteuerbegünstigt ist. Diese Begünstigung ist befristet und umfaßt auch nicht den Grund und Boden.

IV. - Der Einwand der Bgin., bei gemeinnützigen Wohnungsunternehmen könne für die Verwaltungsräume § 5 GrStG nicht zum Zuge kommen, weil die Verwaltung der Wohnungen unmittelbare Erfüllung der gemeinnützigen Zwecke sei, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Auch für gemeinnützige Wohnungsunternehmen kann die grundsteuerliche Sondervorschrift des § 5 GrStG, wonach Wohnungen als zu keinem nach § 4 Ziff. 1 bis 8 GrStG steuerbegünstigten Zwecke benutzt anzusehen sind, nicht unberücksichtigt bleiben. Deshalb kann auch der Hinweis der Bgin., die Unterhaltung des Verwaltungsraumes sei für eine ordnungsmäßige Verwaltung der Wohnungen unerläßlich, die Verwaltung der Wohnungen gehöre zur satzungsmäßigen Betätigung und stelle nach dem Gesetz über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen und seiner Durchführungsverordnung einen gemeinnützigen Zweck dar, nicht zu einer Freistellung des Verwaltungsraumes von der Grundsteuer führen. Nur in den Fällen, in denen § 5 GrStG nicht im Wege steht, wie z. B. bei Büroräumen von gemeinnützigen Wohnungsunternehmen, in denen die Bauplanung, Fertigung von Bauplänen, die Finanzierungsarbeiten zur Errichtung von Wohnungen usw. vorgenommen werden, ist eine andere Beurteilung gegeben; denn hier greift § 5 GrStG nicht ein, weil erst Wohnungen geschaffen werden. Diese Verwaltungsräume dienen unmittelbar gemeinnützigen Zwecken und sind deshalb unter den Voraussetzungen des § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG von der Grundsteuer freizustellen, wie der Senat bereits im Urteil vom 10. Dezember 1954 (a. a. O.) entschieden hat. Werden dieselben Verwaltungsräume sowohl zu steuerbegünstigten als auch zu nichtsteuerbegünstigten Zwecken benutzt, so ist § 6 Abs. 3 GrStG anzuwenden. Das Finanzgericht hat die Rechtslage verkannt. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben und die Sprungberufung zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BStBl III 1961, 571

BFHE 1962, 837

BFHE 73, 837

StRK, GrStG:4/3 R 4

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