Entscheidungsstichwort (Thema)

Ingenieur als Handelsvertreter

 

Leitsatz (NV)

Auch wenn die Tätigkeit eines Handelsvertreters gegenüber seinen Kunden ihrer Art nach Merkmale einer Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufweist, bleibt sie gewerblich.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1; GewStG § 2 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Diplom-Ingenieur auf dem Gebiet der Heizungs- und Klimatechnik. Durch Vertrag vom 6. Juli 1977 verpflichtete er sich, für die Fa. R als Handelsvertreter tätig zu sein. Nach § 2 Abs. 1 des Vertretungsvertrags hat der Kläger die Verkaufsinteressen der Fa. R durch laufende Werbetätigkeit wahrzunehmen, insbesondere bereits vorhandene und neu zu werbende Kunden zu besuchen. In den Streitjahren setzten sich potentielle Kunden der Fa. R entweder selbst oder in der Mehrzahl der Fälle über ein Ingenieurbüro mit dem Kläger in Verbindung. Der Kläger beriet die Kunden vor Erteilung eines Auftrags, oft unter Ausarbeitung von Konstruktionszeichnungen. Bei Zustandekommen eines Vertrags zwischen dem Kunden und der Fa. R erhielt der Kläger die vertraglich vorgesehene Provision. Nach Auftragserteilung begleitete er die an Fachfirmen übertragene Fertigstellung eines Projektes teilweise über mehr als ein Jahr hinweg durch sachkundige Hilfestellung, ohne hierfür von der Fa. R eine gesonderte Vergütung zu erhalten. Diese Tätigkeit setzte eine Qualifikation als Ingenieur voraus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) beurteilte die Tätigkeit als gewerblich. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte im wesentlichen aus: Die Tätigkeit des Klägers sei nur soweit mit der Tätigkeit eines Handelsvertreters vergleichbar, wie es um die Entstehung und die Berechnung der Vergütung gehe. Demgegenüber sei der Kläger in den Streitjahren kaum mehr darauf angewiesen gewesen, werbend auf potentielle Kunden zuzugehen. Der Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) in dem Urteil vom 27. Februar 1992 IV R 131/90 (BFH/NV 1992, 664) könne sich das FG nicht anschließen. Zum einen dürfe die Art der Vergütung für die steuerliche Beurteilung einer Tätigkeit nicht ausschlaggebend sein, sofern -- wie hier -- ganz überwiegend Ingenieurarbeit verrichtet werde, die jedoch zum Zweck der Einnahmeerzielung zwangsläufig und untrennbar mit einer Absatzförderung im Interesse des vertretenen Unternehmens einhergehe. In dem Urteil vom 4. Juni 1992 IV R 86--88/91 (BFH/NV 1992, 811) betone der BFH selbst, daß eine erfolgsabhängige Vergütung nicht ausnahmslos zur Annahme einer gewerblichen Tätigkeit führen müsse. Maßgeblich sei vielmehr, daß dem Wesen nach eine freiberufliche Tätigkeit vorliege.

Mit der Revision macht das FA geltend, daß die Vorentscheidung auf fehlerhafter Anwendung des § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) beruhe und von dem BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 664 abweiche. Die Art der Vergütung sei durchaus entscheidend. Das Urteil verkenne, daß der überlagernde und auslösende Grund für die Inanspruchnahme des Klägers die Absatzförderung für seinen Auftraggeber sei; es stelle zu Unrecht auf die "Inanspruchnahme" durch die beratenen Drittfirmen ab. Der Kläger übe eine technische Beratungstätigkeit gegenüber den Kunden seines Auftraggebers aus, die erfolgsabhängig vergütet werde. Er fördere damit den Absatz der Produkte seines Auftraggebers.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Seine Tätigkeit entspreche ihrem Gepräge nach eindeutig der eines Ingenieurs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sollte das Steuerrecht an die Vertragsgestaltung anknüpfend die Tätigkeit als gewerbliche qualifizieren, so stellte sich dies gleichsam als Strafbesteuerung dar, die in den durch Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Rechtsbereich eingriffe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Entgegen der Auffassung des FG war der Kläger gewerblich tätig.

1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch die des selbständigen Handelsvertreters (§ 84 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches). Eine Handelsvertretertätigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige Kunden des Unternehmers berät und für die einzelnen von diesen Kunden eingehenden Aufträge eine Provision erhält. Der Handelsvertreter übt eine Hilfsfunktion für den Unternehmer beim Absatz der Waren, dem Kernbereich der kaufmännischen Tätigkeit, aus (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75, BStBl II 1978, 125, 130). Die "Vermittlung eines Geschäfts" liegt nicht nur dann vor, wenn der Handelsvertreter am Vertragsschluß dergestalt mitwirkt, daß er mit beiden Parteien in Richtung auf das Zustandekommen des Vertrages verhandelt; es genügt bereits, daß der Handelsvertreter in der Weise auf den Kunden einwirkt, daß dieser zum Abschluß des Geschäfts bestimmt wird und der Handelsvertreter dadurch den Absatz des von ihm vertretenen Unternehmens fördert (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 21. Januar 1965 VII ZR 22/63, BGHZ 43, 108, 113; vom 24. Juni 1971 VII ZR 223/69, BGHZ 56, 290, 293, und vom 19. Mai 1982 I ZR 68/80, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 42; BFH-Urteil vom 14. Juni 1984 I R 204/81, BFHE 142, 148, BStBl II 1985, 15; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., 1995, § 84 Rz. 22f.). Die Art der Einwirkung kann unterschiedlicher Natur sein; sie kann in der Beratung der Kunden bestehen und auch Serviceleistungen zum Gegenstand haben (BFH-Urteil in BFHE 142, 148, BStBl II 1985, 15 m. w. N.). Auch das Tätigkeitsbild des Handelsvertreters wird durch die technische Entwicklung beeinflußt. Demzufolge ist auch ein Steuerpflichtiger, der die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines sog. Katalogberufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt, gewerblich tätig, wenn er nur mittelbar an der Vermittlung von Geschäftsabschlüssen beteiligt ist (Grube, Steuer und Wirtschaft 1981, 34, 43).

Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen ist regelmäßig auf Absatzförderung gerichtet, wenn seine Tätigkeit auf Provisionsbasis, also erfolgsabhängig, vergütet wird. Nach dem Beschluß des BVerfG in BStBl II 1978, 125, 130 ist für freiberuflich tätige beratende Ingenieure, Volks- und Betriebswirte charakteristisch, daß sie die Beratung ihrer Klienten aufgrund von Verträgen durchführen, nach denen die Beratungstätigkeit die geschuldete Hauptleistung ist und das Honorar grundsätzlich nicht nur bei erfolgreicher Beratung geschuldet wird.

2. Auf der Grundlage dieser Rechtsausführungen ist die Tätigkeit des Klägers als die eines gewerblichen Handelsvertreters zu beurteilen. Das FG stellt zu Unrecht isoliert auf die Tätigkeit gegenüber den Kunden der Fa. R ab. Maßgeblich sind in erster Linie die Rechtsbeziehungen des Klägers zu seinem Unternehmer, also der Fa. R. Diesem gegenüber ist die Tätigkeit auf Absatzförderung gerichtet. Im Unterschied zu der Auffassung des FG setzt die Handelsvertretertätigkeit nicht voraus, daß der Handelsvertreter "werbend auf potentielle Kunden zugeht". Die Tätigkeit kann sich auf die Beratung der Kunden und auf Serviceleistungen beschränken, sofern sie auch der Absatzförderung dient. Nach den Feststellungen des FG beriet der Kläger Kunden vor Erteilung eines Auftrags, zum Teil unter Ausarbeitung von Konstruktionszeichnungen, und begleitete gegebenenfalls auch die Fertigstellung der Projekte. Diese Tätigkeit war im Verhältnis zu der Fa. R auf die Förderung deren Absatzes gerichtet. Nicht entscheidend ist hingegen, daß die Tätigkeit des Klägers gegenüber den Kunden der Fa. R isoliert betrachtet die Voraussetzungen einer Ingenieurtätigkeit erfüllt, da allein die rechtlichen Beziehungen zur Fa. R den Anknüpfungspunkt für die steuerrechtliche Beurteilung bilden. In welcher Weise der Handelsvertreter auf seine Kunden einwirkt und ob diese Einwirkung als solche sich mit Tätigkeiten aus dem Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG deckt, ist demgegenüber ohne Bedeutung. Die (erfolgsabhängige) Entlohnung des Klägers ist in diesem Zusammenhang nur ein weiterer Umstand, der die Art der Tätigkeit unterstreicht, nicht aber das entscheidende Merkmal, das die Tätigkeit des Klägers gewerblich werden läßt. So hat auch der BFH in dem Urteil in BFH/NV 1992, 811 die Tätigkeit eines Architekten trotz erfolgsabhängiger Vergütung als freiberuflich beurteilt. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Klägers, daß diese Gesetzesauslegung in den Schutzbereich der Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG eingreife. Die Einstufung der Tätigkeit eines selbständigen Handelsvertreters als gewerblich ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Freiberuflern besteht nicht, da das Steuerrecht lediglich an das vom Kläger mit der Fa. R eingegangene Handelsvertreterverhältnis anknüpft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420955

BFH/NV 1996, 135

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