Entscheidungsstichwort (Thema)

Ingenieur als Handelsvertreter

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Ingenieur, der Kunden seines Auftraggebers berät und für die einzelnen, von diesen Kunden eingehenden Aufträge eine Provision erhält, ist als Handelsvertreter gewerblich tätig.

2. Zu den Anforderungen, die an die ordnungsgemäße Rüge des Übergehens eines Beweisantrages zu stellen sind.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1; FGO § 120 Abs. 2, § 155; ZPO § 295

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist promovierter Ingenieur und seit 1950 für verschiedene Firmen als Ingenieurberater selbständig tätig. In dieser Eigenschaft leistet er technische Beratung bei Kunden der jeweiligen Firmen.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) übernahm der Kläger für die Firma A die technische Beratung ihrer Kunden auf dem Gebiet . . . Als Vergütung des Klägers wurden 3 v. H. vom Nettoerlös der gelieferten Erzeugnisse vereinbart. Für die Maschinenfabrik B übernahm der Kläger die technische Beratung für die von der Firma B hergestellten Erzeugnisse für verschiedene Kunden. Als Entgelt hierfür war vereinbart, daß der Kläger für alle Aufträge, die von den von ihm betreuten Kunden eingingen, eine Provision von 5 v. H. bzw. 3 v. H. erhalten sollte. Ausweislich einer Provisionsabrechnung der Firma C, für die der Kläger ebenfalls tätig war, erhielt er Provisionen in Höhe von 3 1/3 v. H. Die Firma D betraute den Kläger mit Ingenieurberatervertrag vom 24. März 1971 damit, ,,für sie Geschäfte als selbständiger Gewerbetreibender gemäß § 84 HGB zu vermitteln". Als Entgelt wurde eine Provision in Höhe von 25 v. H. des jeweils erzielten sog. Bruttonutzens vereinbart. Darüber hinaus war der Kläger in vergleichbarer Weise für die Firmen E, F und G tätig.

Anläßlich einer im Jahre 1975 durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer - im Gegensatz zu zwei vorangegangenen Prüfungen - zu der Auffassung, die Tätigkeit des Klägers sei als gewerbliche i. S. von § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen. Gegen die aufgrund dieser Betriebsprüfung geänderten Einkommensteuerbescheide 1971 bis 1973 erhob der Kläger Klage, der das FG stattgab.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) verblieb jedoch auch im Anschluß an das finanzgerichtliche Urteil bei seiner Auffassung, der Kläger sei gewerblich tätig. Angesichts der im Jahre 1975 durchgeführten Betriebsprüfung könne sich der Kläger für die Veranlagungszeiträume ab 1976 - anders als vom FG für die Vorjahre angenommen - nicht mehr auf Treu und Glauben berufen. Das FA erließ daraufhin im Jahre 1984 erstmalige Gewerbesteuermeßbescheide 1976 bis 1982. Außerdem unterwarf es die Umsätze des Klägers mit Umsatzsteueränderungsbescheid 1978 vom 7. März 1984 dem Regelsteuersatz (12 v. H.). Ferner änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 1978 in der Weise, daß es die Einkünfte des Klägers unter Versagung des Freibetrags für freie Berufe als solche aus Gewerbebetrieb erfaßte.

Gegen diese Bescheide erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers, mit der er Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören die des selbständigen Handelsvertreters. Er übt eine Hilfsfunktion für den Kaufmann beim Absatz seiner Waren, dem Kernbereich der kaufmännischen Tätigkeit, aus (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 25. Oktober 1977 1 BvR 15/75, BStBl II 1978, 125, 130).

Der Bundesfinanzhofs (BFH) hat in seinem Urteil vom 14. Juni 1984 I R 204/81 (BFHE 142, 148, BStBl II 1985, 15) entschieden, daß der Begriff des Handelsvertreters nicht zu eng ausgelegt werden darf. ,,Vermittlung eines Geschäfts" liegt nicht nur dann vor, wenn der Handelsvertreter am Vertragsschluß dergestalt mitwirkt, daß er mit beiden Parteien in Richtung auf das Zustandekommen des Vertrages verhandelt; es genügt vielmehr auch, daß der Handelsvertreter in der Weise auf den Kunden einwirkt, daß dieser zum Abschluß des Geschäfts gestimmt wird, und der Handelsvertreter dadurch den Absatz des von ihm vertretenen Unternehmens fördert (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 21. Januar 1965 VII ZR 22/63, BGHZ 43, 108, 113 und vom 24. Juni 1971 VII ZR 223/69, BGHZ 56, 290, 293).

Die Art der Einwirkung kann unterschiedlicher Natur sein. Sie kann in der Beratung der Kunden bestehen und auch Serviceleistungen zum Gegenstand haben (BFH-Urteil in BFHE 142, 148, BStBl II 1985, 15 m. w. N.).

Demzufolge ist auch ein Steuerpflichtiger, der die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung eines sog. Katalogberufs i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfüllt, gewerblich tätig, wenn er nur mittelbar an der Vermittlung von Geschäftsabschlüssen beteiligt ist (Grube, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1981, 34, 43). Maßgebend ist, ob die Tätigkeit des Steuerpflichtigen auf Absatzförderung gerichtet ist; das ist regelmäßig dann der Fall, wenn seine Tätigkeit auf Provisionsbasis, also erfolgsabhängig vergütet wird. Nach dem Beschluß des BVerfG in BStBl II 1978, 125, 130 ist für freiberuflich tätige beratende Ingenieure, Volks- und Betriebswirte charakteristisch, daß sie die Beratung ihrer Klienten aufgrund von Verträgen durchführen, nach denen die Beratungstätigkeit die geschuldete Hauptleistung ist und das Honorar grundsätzlich nicht nur bei erfolgreicher Beratung geschuldet wird.

Es kann dahinstehen, ob ein Ingenieur, Architekt oder Betriebswirt, der ein Unternehmen berät und dafür ein an dessen Umsatz orientiertes Entgelt erhält, bereits deswegen als Gewerbetreibender anzusehen ist (verneinend: BFH-Urteil vom 2. Oktober 1968 I R 1/66, BFHE 94, 210, BStBl II 1969, 138 für die Beratungsleistung eines Modeschöpfers). Eine Handelsvertretertätigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn der Steuerpflichtige Kunden des Auftraggebers berät, und für die einzelnen von diesen Kunden eingehenden Aufträge eine Provision erhält. Die anderslautende Entscheidung des FG Düsseldorf vom 10. Oktober 1975 VIII (VII) 132/69 G (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1976, 197) ist durch das BFH-Urteil in BFHE 142, 148, BStBl II 1985, 15 überholt.

2. Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das FG ausgegangen. Seine Annahme, der Kläger sei mittelbar absatzfördernd tätig gewesen, verstößt nicht gegen die Denkgesetze oder gegen den Akteninhalt. Insbesondere war das FG nicht gehindert, zur Auslegung weniger aussagekräftiger Vereinbarungen zwischen dem Kläger und seinen Auftraggebern auch einen Vertrag mit einem Auftraggeber heranzuziehen, für den der Kläger im Streitjahr nicht mehr tätig war. Der Kläger hat in der Klagebegründung vom 12. November 1984 vorgetragen, daß die Verhältnisse und Gegebenheiten in den Streitjahren denen der Jahre 1971 bis 1973 entsprächen (ebenso z. B. Eingabe an den Finanzminister Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 1984).

Es ist auch unerheblich, ob der Kläger - wie er behauptet - teilweise erst dann eingeschaltet worden ist, wenn ein Auftrag bereits vorlag (Schriftsatz vom 1. Juli 1986, S. 2). Die Tätigkeit eines Handelsvertreters ist nicht dadurch gekennzeichnet, daß er eine Provision nur aufgrund der Vermittlung von Geschäftsabschlüssen erhält (§ 87 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Da er immer mit denselben Kunden seiner Auftraggeber zu tun hatte, wirkte sich seine Tätigkeit - wie er selbst in der Revisionsbegründung darlegt - insoweit absatzfördernd aus, als diese damit rechnen konnten, die Ausführung des Auftrags werde von einem hochqualifizierten Fachmann begleitet.

Das FG hat als richtig unterstellt, daß der Kläger gelegentlich Honorare erhalten hat, die nicht von Umsätzen seiner Auftraggeber abhängig waren. Dafür, daß er nur solche Honorare erhalten habe, ließ sich nach dem Akteninhalt, insbesondere den vorhandenen Verträgen und Vergütungsabrechnungen, in denen stets von umsatzabhängigen Provisionen, bei der Firma F sogar von Maklergebühren (Courtage) die Rede war, kein Anhaltspunkt finden.

3. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung greift nicht durch.

a) Nach § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) muß die Revisionsbegründung u. a. die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. Im Streitfall hat der Kläger in der Revisionsbegründung hinsichtlich der Verfahrensmängel lediglich auf die Nichtzulassungsbeschwerde verwiesen, die, obwohl die Revision nicht vom BFH, sondern vom FG zugelassen worden war, der Revisionsbegründung nicht in Kopie beigefügt war. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH genügt das nicht für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung (BFH-Beschlüsse vom 3. Mai 1989 IX R 168/84, BFH/NV 1990, 378; vom 30. Juni 1987 VIII R 104/83, BFH/NV 1988, 306; Klein / Ruban, der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rdnr. 213 m. w. N.).

b) Aber selbst wenn man den Inhalt der Nichtzulassungsbeschwerde zur Bestimmung der Verfahrensrügen mit heranzieht, können diese Rügen keinen Erfolg haben.

aa) Das Übergehen eines Beweisantrags kann nur dann einen Verfahrensmangel begründen, wenn der Beweisantrag genügend substantiiert war (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1985 VII R 137/81, BFH/NV 1986, 136). Dazu gehört zum einen die Benennung des Zeugen, zum anderen, daß die Tatsachen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll, hinreichend bestimmt bezeichnet werden (§ 82 FGO i. V. m. § 373 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

Im Streitfall fehlt es bereits an der Benennung der Zeugen. Im Schriftsatz vom 1. Juli 1986 wird die Benennung erst angekündigt. Sie ist bis zum Ende des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht erfolgt.

bb) Außerdem hätte der Kläger die Unterlassung der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung rügen müssen, da es sich hierbei um einen verzichtbaren Mangel handelt (Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 12. Juli 1978 VI B 81.78, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Finanzgerichtsordnung, § 115, Rechtsspruch 202; vom 2. Juni 1981 VI C 15.81, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1981, 839). Das ist ausweislich des Protokolls nicht geschehen, obwohl der Kläger durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Der Kläger hat zwar in der Nichtzulassungsbeschwerde etwas anderes behauptet, er hat jedoch keinen Antrag auf Protokollberichtigung gestellt. Der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter konnten nicht darauf vertrauen, daß das FG statt eines Urteils einen Beweisbeschluß erlassen werde. Nach § 79 Satz 1 FGO soll der Finanzrechtsstreit aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung beendet werden. Daher müssen die Beteiligten davon ausgehen, daß das FG von ihm für notwendig gehaltene Beweisaufnahmen spätestens in der mündlichen Verhandlung durchführt. Im übrigen waren bis zum Ende der mündlichen Verhandlung die Zeugen nicht namentlich benannt, so daß die Beteiligten auch aus diesem Grund nicht mit einem Beweisbeschluß rechnen konnten.

cc) Zu einer ordnungsgemäßen Rüge mangelnder Sachaufklärung gehört es schließlich, daß der Revisionskläger ausführt, was das Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gewesen wäre. Diesem Erfordernis hat der Kläger nicht genügt, da er lediglich vorträgt, es hätte für ihn ,,die Möglichkeit bestanden, weitere Sachaufklärung über sein Tätigkeitsfeld vollziehen zu können", wenn das FG seinen Beweisanträgen Folge geleistet hätte.

dd) Aus diesem Grund ist auch die Rüge, dem FG hätten sich von Amts wegen weitere Ermittlungen aufdrängen müssen, nicht in zulässiger Weise erhoben (BVerwG-Beschluß in StRK, Finanzgerichtsordnung, § 115, Rechtsspruch 202).

Abgesehen davon ist bei der Beantwortung der Frage, ob sich dem FG eine nicht beantragte Beweisaufnahme aufdrängen mußte, von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen. Nach dieser Auffassung war es unerheblich, daß die Tätigkeit des Klägers in hochqualifizierter technischer Beratung bestand und daß er auf die Vertragsabschlüsse zwischen seinen Auftraggebern und deren Kunden keinen unmittelbaren Einfluß genommen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418318

BFH/NV 1992, 664

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