Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 14 (§ 16 n. F.) des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) in der Fassung des Gesetzes vom 25. März 1959 (BGBl 1959 I S. 160, BStBl 1959 I S. 195) betrifft nur körperliche, nicht auch immaterielle Wirtschaftsgüter.

 

Normenkette

BHG § 14

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe einer Einkommensteuer-Vorauszahlung für das Jahr 1961.

Der Steuerpflichtige, ein Steuerbevollmächtigter, erwarb im Jahre 1961 eine Steuerberaterpraxis in Berlin (West). Der Wert der Praxis (ohne Inventar) betrug 18.000 DM.

Der Steuerpflichtige beantragte, die anläßlich der Veranlagung zur Einkommensteuer 1960 für das vierte Quartal 1961 auf 6.926 DM festgesetzte Vorauszahlung auf 0 DM festzusetzen. Er berief sich u. a. auf § 14 des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) - BHG - in der Fassung des Gesetzes vom 25. März 1959 (BGBl 1959 I S. 160, BStBl 1959 I S. 195) und meinte, er könne auch dieser Vorschrift im Veranlagungszeitraum 1961 75 v. H. = 13.500 DM vom Praxiswert absetzen. Während das Finanzamt im übrigen den Anpassungsantrag für begründet erachtete und demgemäß die Vorauszahlung IV/1961 auf 2.004 DM ermäßigte, lehnte es die Anwendung des § 14 BHG ab.

Die gegen diese Verfügung vom Steuerpflichtigen eingelegte Beschwerde wurde vom Landesfinanzamt Berlin zurückgewiesen. Die anschließende Berufung des Steuerpflichtigen hatte jedoch Erfolg. Das Verwaltungsgericht setzte die Vorauszahlung auf 0 DM fest, weil es § 14 BHG für anwendbar hielt. Es führte aus, § 14 Abs. 1 BHG gestatte die erhöhten Absetzungen bei allen Wirtschaftsgütern, also auch dem immateriellen Praxiswert. Wenn § 14 Abs. 2 BHG für die dort erwähnten materiellen Wirtschaftsgüter besondere weitere Voraussetzungen für die erhöhte Absetzungsmöglichkeit aufstelle, bedeute das nicht, daß es für die immateriellen Wirtschaftsgüter keine Absetzungsmöglichkeit gebe, sondern daß für diese die Beschränkung des § 14 Abs. 2 BHG nicht gelte.

Hiergegen richtet sich die vom Landesfinanzamt Berlin eingelegte Rb., mit der geltend gemacht wird, die Auffassung des Verwaltungsgerichts sei mit dem Sinn des Gesetzes nicht vereinbar. Dieses habe zwecks Hebung der Wirtschaftskraft und Stabilisierung der Beschäftigungslage Neuinvestitionen fördern wollen. Solche gezielten Förderungsmaßnahmen durch Gewährung steuerlicher Absetzungsmöglichkeiten seien nicht ungewöhnlich. In den beispielsweise zu nennenden §§ 7 a, 7 b EStG, §§ 75 bis 79, 81, 82 EStDV 1961 und § 36 Abs. 1 des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft vom 7. Januar 1952 - IHG - (BGBl 1952 I S. 7, BStBl 1952 I S. 77) in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1954 (BGBl 1955 I S. 437, BStBl 1955 I S. 3) sei immer nur die Rede von der Anschaffung oder Herstellung beweglicher und unbeweglicher Anlagegüter. Der Gesetzgeber habe sich offenbar von der Anschaffung immaterieller Wirtschaftsgüter keinen Anreiz für die Durchsetzung der von ihm erstrebten Ziele versprochen. Bei immateriellen Wirtschaftsgütern sei auch die räumliche Abgrenzung schwierig.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist zulässig. Es handelt sich zwar nur um die Frage einer Steuervorauszahlung, so daß Bedenken bestehen könnten, ob der volle Vorauszahlungsbetrag als Streitwert angesehen werden kann und daher die Beschwerdesumme von 1.000 DM (§ 286 Abs. 1 AO) erreicht ist. Der Senat hat indessen in der Entscheidung IV 427/62 U vom 9. Juli 1964 (BStBl 1964 III S. 530) des näheren ausgeführt, daß - entgegen der Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf (Entscheidungen der Finanzgerichte 1960 S. 305) - nicht nur ein Bruchteil, sondern der volle Vorauszahlungsbetrag als Streitwert anzusetzen ist (so auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 263/61 vom 15. Januar 1963, amtlich nicht veröffentlicht).

Die Rb. ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegten Berufung des Steuerpflichtigen.

Es ist dem Steuerpflichtigen zuzugeben, daß bei Betrachtung des bloßen Wortlauts des § 14 BHG (§ 16 neuer Fassung) die von ihm angestrebte Auslegung zunächst nicht unmöglich erscheint. Bei näherer Prüfung des Wortlauts in Verbindung mit einer logisch- systematischen Betrachtung der Regelung ähnlicher Steuervergünstigungsvorschriften ergibt sich indessen, daß diese Auslegung nicht dem auch im Wortlaut zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers entspricht.

Dem EStG waren zunächst die Begriffe "bewegliche" und "unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" fremd. Entscheidend für die hier zu beurteilende Frage der Abschreibungsmöglichkeiten war allein die Unterscheidung in abnutzbare und nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 EStG). Der Sinn dieser Unterscheidung liegt auf der Hand. Abnutzbare Wirtschaftsgüter unterliegen einem Verschleiß und daher einer ständigen und regelmäßigen Wertminderung, die eine Absetzung für Abnutzung (AfA) als zulässig erscheinen läßt, während sich bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern lediglich Wertschwankungen - bewertungsmäßig auszudrücken im Ansatz von Teilwerten - ergeben.

Innerhalb dieser Gruppen von abnutzbaren und nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern unterscheidet das Einkommensteuerrecht nicht zwischen körperlichen und unkörperlichen Gegenständen (vgl. § 90 BGB). Wirtschaftsgüter, die in irgendeiner Form dem Betrieb dienen, können in Sachen, in Rechten und in bloßen günstigen Positionen bestehen. Körperliche Wirtschaftsgüter können abnutzbar oder nicht abnutzbar sein. Dasselbe gilt für unkörperliche Gegenstände. Ebenso fremd war dem EStG die allein bei körperlichen Gegenständen (Sachen) mögliche Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Sie gelangte erst nach dem 2. Weltkrieg in das Einkommensteuerrecht, und zwar im Zusammenhang mit der Gewährung erhöhter Absetzungsmöglichkeiten als gezielte politische Maßnahme.

In dem § 7 a EStG (eingefügt durch das Gesetz der Militärregierung Nr. 64 zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 22. Juni 1948 - GVBl 1948 Nr. 14 Beilage 4) wurde für "Ersatzbeschaffungen" von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eine erhöhte Absetzungsmöglichkeit eingeräumt. Hier war, wie sich aus dem Wort "Ersatzbeschaffung" ergibt, die Beschränkung auf körperliche Sachen offenbar.

In § 7 b EStG wurde eine andere Gruppe von eindeutig körperlichen Gegenständen, nämlich die Gebäude, angesprochen.

In dem 1958 eingefügten Absatz 2 des § 7 EStG wurde für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens die degressive Abschreibungsmethode zugelassen. Damit konnten steigender Erhaltungsaufwand und die Gefahr der Veraltung auf Grund des technischen Fortschritts aufgefangen werden, ein Gedanke, der nur bei körperlichen Gegenständen zum Zuge kommt.

In weiteren - zum Teil 1955 eingefügten - Bestimmungen des Einkommensteuerrechts (§§ 75 bis 79, 81, 82 EStDV 1961) und in § 36 Abs. 1 IHG sind dann sowohl bewegliche als auch unbewegliche Gegenstände erwähnt. Diese letztgenannten Bestimmungen beziehen sich eindeutig nur auf diese beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter, also auf solche, die nach dem juristischen Sprachgebrauch nur in körperlichen Gegenständen bestehen können.

Aus der Einführung des Begriffs der beweglichen und der unbeweglichen Gegenstände ins EStG im Zusammenhang mit dem Ziel, Sachverluste zu mildern oder Sachinvestitionen anzuregen, ergibt sich auch für den Fall des § 14 (jetzt § 16) BHG, daß der Gesetzgeber - mangels erkennbarer Gründe für eine Abweichung - nur an die Begünstigung bei körperlichen Gegenständen gedacht hat. Zwar weicht § 14 BHG von den übrigen Bestimmungen leicht ab. Während es sonst (außer in § 82 EStDV, der sich nur auf bewegliche Wirtschaftsgüter bezieht) heißt, daß Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen vornehmen können.

"1. bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ...

bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens ...",

bestimmt § 14 BHG zunächst grundsätzlich in Abs. 1, daß die Steuervergünstigung bei "abnutzbaren Wirtschaftsgütern", also scheinbar bei allen abnutzbaren Wirtschaftsgütern, gewährt wird, während erst in Abs. 2 die Unterscheidung in bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter erfolgt. Es darf aber nicht übersehen werden, daß schon in Abs. 1 der Kreis der Wirtschaftsgüter eingeschränkt ist, und zwar durch die Worte "bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, bei denen die im Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen". Wenn es dann in Abs. 2 Ziff. 2 nochmals heißt, daß Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 1 sei, daß die Wirtschaftsgüter, soweit sie zum beweglichen Anlagevermögen gehören, mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer in Berlin (West) belegenen Betriebstätte verbleiben und, soweit sie zum unbeweglichen Anlagevermögen gehören, in Berlin (West) errichtet werden müssen, so erweisen sich die Absätze 1 und 2 als so eng miteinander verbunden, daß trotz der geringen sprachlichen Abweichung sachlich nur das gleiche gemeint sein kann wie in den übrigen Fällen von Steuervergünstigungen, die zu Investitionen anregen sollen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb im BHG eine andere Regelung getroffen worden sein sollte.

Da somit die erhöhte Absetzungsmöglichkeit auf jeden Fall zu verneinen war, bedurfte es keines Eingehens auf die Frage mehr, ob der Praxiswert zu den abnutzbaren Wirtschaftsgütern zu rechnen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411338

BStBl III 1964, 575

BFHE 1965, 279

BFHE 80, 279

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