Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebung eines Zuschlags bei nicht rechtzeitiger Sicherheitsleistung

 

Leitsatz (NV)

1. Der Antrag auf Fristverlängerung nach Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 VO Nr. 3665/87 kann auch noch unverzüglich nach Ablauf der Frist gestellt werden.

2. Der in Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 VO Nr. 3665/87 i. V. m. § 19 Abs. 3 AusfuhrerstattungsVO vorgeschriebene Zuschlag ist bei nicht rechtzeitiger Sicherheitsleistung unabhängig davon zu erheben, ob die Sicherheit noch vor Auszahlung des vorfinanzierten Betrages geleistet worden ist.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Zuschlags erhebung bei bloßer Fristüberschreitung.

 

Normenkette

EWGV 565/80 Art. 4 Abs. 1; EWGV 3665/87 Art. 31; AusfErstV § 19 Abs. 3

 

Tatbestand

Im Mai 1994 verkaufte die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) 903 t Weizenmehl nach Polen. Mit Anzeige-Zahlungserklärung vom 31. Mai 1994 meldete sie bei der zuständigen Zollstelle 1 236 986 kg Weizen (Marktordnungs-Warenlistenummer 1001 9099 0000) zur Überführung in den ihr bewilligten Erstattungs-Veredelungsverkehr an. Mit der Erklärung, die die Zollstelle am gleichen Tag annahm, verpflichtete sich die Klägerin, das Verarbeitungserzeugnis, 903 t Mehl (Marktordnungs-Warenlistennummer 1101 0000 1000), für das eine Vorfinanzierung beantragt war, spätestens am letzten Tag der Verarbeitungsfrist (31. August 1994) zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft abfertigen oder in eine Erstattungslagerung ohne Vorfinanzierung überführen zu lassen, anschließend auszuführen und eine Ausfuhrerstattung zu beantragen. Des weiteren verpflichtete sie sich, innerhalb von 30 Tagen nach der Überführung der Grunderzeugnisse in das Verfahren eine ausreichende Sicherheit zu leisten. Die Klägerin war im Besitz einer von der BALM erteilten Ausfuhrlizenz, mit welcher der am 11. Januar 1994 gültige Erstattungssatz im voraus festgesetzt worden war.

Mit Schreiben vom 14. Juni 1994 übersandte die Klägerin dem beklagten und revisionsbeklagten Hauptzollamt (HZA) eine Berechnung der Sicherheit über (versehentlich zu viel errechnete) 210 000 DM und gab an, einen Bürgschaftsantrag bei ihrer Bank gestellt zu haben. Mit Schreiben vom 16. Juni 1994 übersandte sie der BALM (Eingang 29. Juni 1994) eine Bürgschaftsurkunde ihrer Bank über den von ihr errechneten Betrag. Die BALM leitete diese Bürgschaftsurkunde mit Schreiben vom 5. Juli 1994 an das HZA weiter (Eingang 6. Juli 1994). Das HZA sandte die Bürgschaftsurkunde mit Schreiben vom 11. Juli 1994 an die Bank zurück und bat um eine Bürgschaftserklärung auf dem dafür vorgesehenen Formular.

Im Monat Juni 1994 hatte die Klägerin von der Gesamtmenge 96 t Weizenmehl nach Polen ausgeführt. Ende Juni teilte ihr der polnische Käufer mit, daß er seinen weiteren Abnahmeverpflichtungen nicht mehr nachkommen werde, weil die polnische Regierung nunmehr Eingangsabgaben für die Einfuhr von Weizenmehl eingeführt habe. Nachdem die Klägerin die verbliebene Menge von 807 t am 31. August 1994 in ein Zollager verbracht und mit der Bürgschaftsurkunde vom 17. November 1994, welche im November einer Zollstelle zugeleitet worden war, die erforderliche Sicherheit geleistet hatte, wurde ihr die Ausfuhrerstattung für 903 t Mehl im Wege der Vorfinanzierung in der Erstattungs-Veredelung gewährt.

Wegen nicht rechtzeitiger Leistung der Sicherheit forderte das HZA von der Klägerin die Zahlung eines Zuschlags in Höhe von 20 % des im Fall der Vorfinanzierung auszuzahlenden Erstattungsbetrags, mithin ... DM. Die dagegen gerichtete Klage war erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hielt die Festsetzung des Zuschlags gegen die Klägerin in Höhe des geforderten Betrags für rechtmäßig.

Mit der vom FG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Vorentscheidung beruhe auf der Verletzung von Bundesrecht, nämlich des Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- L 351/1 in der maßgebenden Fassung) und des § 19 Abs. 3 der Ausfuhrerstattungs-Verordnung (AusfuhrerstattungsVO) vom 17. Februar 1988 (BGBl I, S. 155 mit Änderungen) sowie der Verletzung dieser Vorschriften i. V. m. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Sie beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung und die Verwaltungsentscheidungen aufzuheben, (hilfsweise) die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das HZA hält die Vorentscheidung für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist, weil nicht begründet, zurückzuweisen. Das FG hat ohne Rechtsfehler erkannt, daß die Verwaltungsentscheidungen rechtmäßig sind.

1. Rechtsgrundlagen für die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind Art. 31 VO Nr. 3665/87 und § 19 Abs. 3 der dazu ergangenen (nationalen) AusfuhrerstattungsVO. Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Durchführungsvorschriften u. a. zu Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 565/80 (VO Nr. 565/80) des Rates vom 4. März 1980 (ABlEG L 62/5).

Nach Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 565/80 wird auf Antrag ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag gezahlt, sobald die Grunderzeugnisse der Zollkontrolle unterworfen wurden und damit sichergestellt ist, daß die Verarbeitungserzeugnisse oder Waren innerhalb einer bestimmten Frist ausgeführt werden. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Vorfinanzierung im Rahmen des Erstattungs-Veredelungsverkehrs nach Art. 4 VO Nr. 565/80 ist, daß der Ausführer der Zollstelle eine Zahlungserklärung i. S. von Art. 25 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 vorlegt. Gemäß Art. 31 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 ist vor Annahme der Zahlungserklärung durch die Zollstelle eine Sicherheit zu leisten, die dem vorzufinanzierenden Betrag der Ausfuhrerstattung zuzüglich eines Zuschlags von 20 % entspricht. Die Mitgliedstaaten können aufgrund von Art. 31 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 zulassen, "daß die in Absatz 1 genannte Sicherheit nach der Annahme der Zahlungserklärung geleistet wird, wenn aufgrund einzelstaatlicher Vorschriften

-- der Ausführer verpflichtet ist, die Sicherheit innerhalb von dreißig Tagen nach Annahme der Zahlungserklärung und vor der Vorauszahlung zu leisten;

-- die Zahlung eines Betrages in Höhe des in Absatz 1 genannten Zuschlags sichergestellt ist, wenn die Sicherheit außer im Falle höherer Gewalt nicht fristgerecht geleistet wird. Jedoch kann dem Beteiligten eine zusätzliche Frist eingeräumt werden, wenn er sich bemüht hat, seinen Verpflichtungen nachzukommen."

Die Bundesrepublik Deutschland hat von der Ermächtigung in Art. 31 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 Gebrauch gemacht und in § 19 Abs. 1 Satz 2 AusfuhrerstattungsVO bestimmt, daß der Beteiligte die Sicherheit innerhalb von 30 Tagen nach der Annahme der Zahlungserklärung zu leisten hat, wenn er sie am Tag der Annahme der Zahlungserklärung noch nicht geleistet hat. Wird im Falle von § 19 Abs. 1 Satz 2 AusfuhrerstattungsVO die Sicherheit nicht rechtzeitig geleistet, so ist nach § 19 Abs. 3 Ausfuhr erstattungsVO ein Betrag in Höhe des Zuschlags nach Art. 31 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 zu zahlen, der entsprechend § 16 AusfuhrerstattungsVO durch Bescheid festgesetzt wird.

Das FG hat im einzelnen ausgeführt, daß die Sicherheit in Form einer Bürgschaft der Bank der Klägerin nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist von 30 Tagen und damit verspätet eingegangen ist. Sie ging erst am 6. Juli 1994 beim HZA ein, die Frist für ihre Vorlage war am 30. Juni 1994 abgelaufen. Gegen diese Ausführungen hat die Klägerin keine Einwendungen erhoben. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des FG Bezug.

Das FG hat mit Recht offen gelassen, ob neben § 19 Abs. 3 AusfuhrerstattungsVO die Vorschrift des Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 VO Nr. 3665/87 anzuwenden ist, weil es hierauf im Streitfall nicht ankommt. Denn die Klägerin war, wie das FG ohne Rechtsfehler ausgeführt hat, an der rechtzeitigen Vorlage der Sicherheit nicht durch höhere Gewalt gehindert.

Im Ergebnis richtig ist auch, daß im Streitfall die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung nach Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 VO Nr. 3665/87 nicht vorlagen. Zwar scheitert die Möglichkeit einer Fristverlängerung nicht bereits daran, daß die Klägerin innerhalb der Frist von 30 Tagen keinen Antrag auf Fristverlängerung gestellt hat. Denn hinsichtlich der Frist für die Sicherheitsleistung besteht, anders als das FG meint, keine der ausdrücklichen Regelung in Art. 47 Abs. 5 VO Nr. 3665/87 entsprechende Ausschlußregelung. Vielmehr ergibt sich aus der Fassung des Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 Satz 2 VO Nr. 3665/87, daß der Antrag auf Fristverlängerung auch noch nach Ablauf der Frist gestellt werden kann. Damit ist der Möglichkeit Rechnung getragen, daß der Ausführer zu einem Zeitpunkt kurz vor Ablauf der maßgebenden Frist von der Erfolglosigkeit seiner bisherigen Bemühungen zur Beibringung einer Sicherheit erfährt und deshalb gehindert ist, seinen Verlängerungsantrag vor Fristablauf zu stellen. In diesem Fall soll der Ausführer nicht gehindert sein, den Verlängerungsantrag auch noch unverzüglich nach Ablauf der Frist zu stellen (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juli 1990 C-155/89, EuGHE I 1990, 3265). Das FG hat jedoch -- für den Senat mangels erhobener Verfahrensrügen bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) festgestellt, daß auch für eine etwaige nachträgliche Fristverlängerung die tatsächlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren, weil die Klägerin sich nicht bemüht hat, ihre Verpflichtung zur rechtzeitigen Leistung der Sicherheit zu erfüllen. Vielmehr ist es nach den Feststellungen des FG auf das eigene Verschulden der Klägerin zurückzuführen, daß sie die Bürgschaftsurkunde ihrer Bank, die ihr spätestens am 16. Juni 1994 vorlag, nicht rechtzeitig dem HZA zugeleitet hat.

Keinen Bedenken begegnet auch, daß das FG in der Aufforderung des HZA an die Klägerin im November 1994, die Bürgschaftsurkunde vorzulegen, keine nachträgliche Fristverlängerung durch das HZA gesehen hat.

Bedenken gegen die zutreffende Berechnung des vom HZA festgesetzten Zuschlags sind auch im Revisionsverfahren nicht vorgebracht worden, so daß sich der Senat nicht veranlaßt sieht, diese im einzelnen zu überprüfen.

2. Die Klägerin hält die Vorentscheidung jedoch deshalb für unzutreffend, weil sie meint,

-- Art. 31 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 i. V. m. § 19 Abs. 3 AusfuhrerstattungsVO sei dahin auszulegen, daß die Festsetzung eines Zuschlags nur dann in Betracht komme, wenn die Ausfuhrerstattung oder ein der Ausfuhrerstattung entsprechender Betrag bereits vor Leistung der Sicherheit ausgezahlt worden sei und dann die Sicherheitsleistung nicht rechtzeitig erfolge (dazu unten unter Buchst. a) und

-- Art. 31 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn er von den Mitgliedstaaten eine Regelung verlange, nach der auch dann ein Zuschlag in Höhe von 20 % des Erstattungsbetrages bei nicht rechtzeitiger Vorlage der Sicherheit zu leisten sei, wenn eine Vorfinanzierung der Erstattung in Form der Auszahlung an den Ausführer noch gar nicht erfolgt sei (dazu unten unter Buchst. b).

Diese Bedenken der Klägerin greifen jedoch nicht durch.

a) Nach Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 VO Nr. 3665/87 i. V. m. § 19 Abs. 3 Ausfuhr erstattungsVO hängt die Erhebung des Zuschlags allein davon ab, ob die Sicherheit rechtzeitig geleistet wurde oder nicht. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang dagegen, ob die Sicherheit -- wie im Streitfall -- der Zollstelle noch vor Auszahlung des vorfinanzierten Betrages vorgelegen hat. Das ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut und der Systematik des Art. 31 Abs. 3 VO Nr. 3665/87. Nach dessen Anstrich 1 ist nämlich eine der Voraussetzungen für die Gestattung der nachträglichen Sicherheitsleistung die Verpflichtung des Ausführers, die Sicherheit innerhalb von 30 Tagen nach Annahme der Zahlungserklärung zu leisten. Allein auf diese Verpflichtung nimmt Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 Satz 1 VO Nr. 3665/87 Bezug, indem dort verlangt wird, daß die Zahlung eines Zuschlags für den Fall sicherzustellen ist, daß der Ausführer seiner Verpflichtung zur Sicherheitsleistung außer im Falle höherer Gewalt nicht rechtzeitig nachkommt. Diese Regelung dient dazu, den Ausführer durch Androhung eines finanziellen Nachteils zur Erfüllung der übernommenen Verpflichtung zur rechtzeitigen Sicherheitsleistung anzuhalten. Dagegen kann die Einhaltung der vom Ausführer übernommenen weiteren Verpflichtung, nämlich der Beibringung der Sicherheit vor der Vorauszahlung, schon damit durchgesetzt werden, daß die Vorauszahlung erst erfolgt, wenn die Sicherheit der Zollstelle tatsächlich vorliegt; der Androhung einer Zuschlagserhebung bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtung bedarf es daher insoweit nicht.

Der Senat teilt die Auffassung des HZA, daß der gemeinschaftliche und ihm folgend der nationale Verordnungsgeber diese Regelung bewußt getroffen haben und ihnen insoweit kein Redaktionsversehen unterlaufen ist. Denn Art. 31 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 hat insoweit nur eine bereits vorher so in Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 798/80 (VO Nr. 798/80) der Kommission vom 31. März 1980 (ABlEG L 87/42) getroffene entsprechende Regelung übernommen.

Richtig ist zwar, daß den Erwägungsgründen der VO Nr. 3665/87 keine ausdrückliche Begründung dafür zu entnehmen ist, weshalb die betreffenden Mitgliedstaaten die Zahlung eines Zuschlags allein wegen nicht rechtzeitiger Leistung der Sicherheit sicherstellen sollen, ohne daß es darauf ankommt, ob der vorfinanzierte Erstattungsbetrag ausgezahlt worden ist. Ihnen ist unmittelbar nur eine Begründung für die Notwendigkeit eines Zuschlags zu entnehmen, der bezweckt, daß der Ausführer keinen kostenlosen Kredit erhält, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die Erstattung nicht hätte gezahlt werden dürfen. Dies trifft im übrigen auch für die Begründungserwägungen zur VO Nr. 798/80 zu. Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Begründung für die Notwendigkeit der in Rede stehenden Zuschlagsregelung in Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 VO Nr. 3665/87 läßt sich aber nicht -- wie die Klägerin meint -- entnehmen, daß mit der Forderung nach Sicherstellung der "Zahlung eines Betrages in Höhe des in Absatz 1 genannten Zuschlages" nur der Fall gemeint ist, daß bereits eine Erstattung ausgezahlt worden ist und durch die Sicherheitsleistung zuzüglich Zuschlag die ggf. erforderliche Rückzahlung sichergestellt werden soll. Denn die 23. Begründungserwägung zur VO Nr. 3665/87, in der es heißt " ... Zur Vermeidung von Mißbrauch muß die Rückzahlung einen Zuschlag umfassen ... " deutet darauf hin, daß es nicht nur um die Sicherstellung der Rückzahlung eines vorfinanzierten Erstattungsbetrages für den Fall geht, daß das Verfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt wird, sondern jeglicher Mißbrauch des Verfahrens verhindert werden soll. Das Verfahren des Erstattungs-Veredelungsverkehrs kann aber nicht nur dadurch mißbraucht werden, daß sich der Beteiligte durch dessen Inanspruchnahme einen ungerechtfertigten Kredit verschafft, wenn er seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Erledigung des Verfahrens nicht erfüllt. Es könnte vielmehr darüber hinaus auch zur Spekulation mißbraucht werden, wenn die in Art. 31 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 vorgeschriebene Zuschlagsregelung von dem betreffenden Mitgliedstaat nicht eingeführt würde.

Nach Art. 4 Abs. 5 und 6 VO Nr. 565/80 i. V. m. Art. 26 Abs. 2 VO Nr. 3665/87 ist nämlich der Tag, an dem die Grunderzeugnisse durch Annahme der Zahlungserklärung unter Zollkontrolle gestellt werden, für den Erstattungssatz und die Anpassungen dieses Satzes maßgebend. Ändert sich der Satz im Laufe des Verfahrens zugunsten der Beteiligten, so könnte er, sofern er noch keine Sicherheit geleistet hat, versucht sein, das Verfahren zu beenden, ohne die Vorausfinanzierung nach dem gemäß Art. 4 Abs. 4 und 5 VO Nr. 565/80 maßgebenden Satz in Anspruch zu nehmen und statt dessen das Ausfuhrgeschäft unter Anwendung des im Zeitpunkt der Ausfuhr maßgebenden günstigeren Satzes zu tätigen. Da der Erstattungs-Veredelungsverkehr aber nicht solche Spekulationen erleichtern, sondern dem Ausführer durch Festlegung des Erstattungssatzes vor Durchführung des Ausfuhrgeschäfts eine sichere Kalkulationsgrund lage verschaffen will, ist es notwendig, sicherzustellen, daß das einmal begonnene Verfahren durchgeführt und nicht nach Gutdünken des Ausführers vor Erfüllung aller damit übernommenen Verpflichtungen abgebrochen wird.

Die Leistung der vorgeschriebenen Sicherheit hat daher nicht nur den Zweck, den Vorfinanzierungskredit abzusichern und eine ungerechtfertigte Inanspruchnahme des Kredits zu verhindern. Sie soll darüber hinaus auch Spekulationen unter Ausnutzung unterschiedlicher Erstattungssätze entgegenwirken. Deswegen schreibt Art. 31 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 grundsätzlich vor, daß die Sicherheit vor Annahme der Zahlungserklärung zu leisten ist, und läßt es nicht ausreichen, daß sie erst unmittelbar vor Auszahlung des Vorfinanzierungsbetrages erbracht wird. Konsequenterweise kann deshalb eine Ausnahme von der Grundsatzregelung in Art. 31 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 nur unter der Voraussetzung zugelassen werden, daß bei nicht rechtzeitiger Leistung der Sicherheit nach Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 dieser Verordnung die Zahlung eines Zuschlages zu der Sicherheit sichergestellt wird.

Eine andere Regelung würde auch dem Gleichheitssatz widersprechen, weil diejenigen, die die Sicherheit gemäß Art. 31 Abs. 1 VO Nr. 3665/87 vor Annahme der Zahlungserklärung bzw. gemäß Art. 31 Abs. 3 Anstrich 1 dieser Verordnung innerhalb der dreißigtägigen Frist leisten, gegenüber denjenigen benachteiligt würden, die die für die Inanspruchnahme des Erstattungs-Veredelungsverkehrs erforderliche Sicherheit ohne zureichende Gründe erst später erbringen.

b) Die Bedenken der Klägerin gegen die Verhältnismäßigkeit der an die bloße Fristüberschreitung geknüpften Erhebung des Zuschlags richten sich gegen die Gültigkeit der Regelung des Art. 31 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 und des ihm folgenden § 19 Abs. 3 AusfuhrerstattungsVO. Der Senat teilt diese Bedenken jedoch ebenfalls nicht.

Es ist richtig, daß auch für die durch Gemeinschaftsrecht vorgeschriebenen Maßnahmen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt. Danach muß die betreffende, durch Gemeinschaftsrecht vorgeschriebene Maßnahme der Bedeutung des mit ihr verfolgten Zwecks entsprechen und erforderlich sein, um diesen Zweck zu erreichen (vgl. EuGH, Urteil in EuGHE I 1990, 3265 Tz. 34). Vorliegend ergibt sich der Zweck, der mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, aus den oben unter Buchst. a angestellten Überlegungen, nach denen der Zuschlag dazu dient, eine spekulative Inanspruchnahme des Verfahrens zu verhindern und die Gleichbehandlung mit den Ausführern zu gewährleisten, die die Sicherheit innerhalb der dreißigtägigen Frist bzw. schon vor Annahme der Zahlungserklärung geleistet haben. Im übrigen dient der Zuschlag auch dazu, eine ordnungsgemäße Verwaltung dadurch zu gewährleisten, daß der Ausführer durch die ihm sonst drohende Erhebung des Zuschlags zur Einhaltung seiner Verpflichtung veranlaßt wird, die er bei Inanspruchnahme der mit der Einräumung der späteren Sicherheitsleistung verbundenen Vergünstigung freiwillig übernommen hat. Da es im Ausfuhrerstattungsrecht um finanzielle Interessen geht, entspricht die Wahl eines finanziellen Druckmittels der Bedeutung des mit ihm verfolgten Zwecks.

Des weiteren muß die drohende finanzielle Belastung für den Beteiligten auch wirtschaftlich fühlbar sein, um die mit ihrer Androhung verfolgten Zwecke erfüllen zu können. Unter Berücksichtigung dessen und des dem Verordnungsgeber zustehenden weiten Ermessensspielraums bei der Wahl seiner Mittel (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 1990 C-8/89, EuGHE I 1990, 2515, und Bundesfinanzhof -- BFH --, Urteil vom 18. Februar 1992 VII R 23/91, BFH/NV 1992, 708) erscheint der Zuschlag von 20 % des in Betracht kommenden Erstattungsbetrages auch der Höhe nach angemessen, zumal die Erhebung des Zuschlags nach Art. 31 Abs. 3 Anstrich 2 VO Nr. 3665/87 bei höherer Gewalt nicht in Betracht kommt und die Frist verlängert werden kann, wenn sich der Beteiligte erfolglos um deren Einhaltung bemüht hat.

3. In Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 (EuGHE 1982, 3415) sieht sich der Senat nicht zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet (Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Er hat keine Zweifel an der richtigen Auslegung des Art. 31 VO Nr. 3665/87. Soweit es um die Frage der Gültigkeit dieser Vorschrift geht, braucht der Senat keine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, weil er die Vorschrift für gültig hält (vgl. BFH, Urteil vom 23. Februar 1988 VII R 31/86 und VII R 29/87, BFHE 152, 382, 392).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422299

BFH/NV 1997, 917

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