Leitsatz (amtlich)

Bei der Anwendung der Aufteilungsvorschriften in § 25 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BerlinFG dürfen negative Einkünfte nicht außer Betracht gelassen werden.

 

Normenkette

BerlinFG i.d.F. vom 29. Oktober 1970 (BGBl I 1970, 1481, BStBl I 1970, 1016) § 25 Abs. 3 S. 2; BerlinFG i.d.F. vom 29. Oktober 1970 (BGBl I 1970, 1481, BStBl I 1970, 1016) § 25 Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Die Eheleute, Kläger und Revisionskläger (Kläger), hatten im Streitjahr 1971 ihren Wohnsitz in Berlin (West). Sie haben an Einkünften aus Berlin (West) bezogen: 31 549 DM aus nichtselbständiger Arbeit, 4 178 DM aus selbständiger Arbeit, 12 000 DM Verlust aus Vermietung und Verpachtung (§ 7 b EStG). Außerdem haben sie 1 465 DM Einkünfte aus Kapitalvermögen bezogen, die zwar nicht zu den Einkünften aus Berlin (West) gehören, für die die Ermäßigung der Einkommensteuer jedoch nach § 25 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG i. d. F. vom 29. Oktober 1970 (BGBl I 1970, 1481, BStBl I 1970, 1016) zu gewähren war. Dabei ergab sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 25 192 DM und auf der Grundlage eines zu versteuerndenden Einkommensbetrages von 22 404 DM eine tarifliche Einkommensteuer von 3 351 DM (unter Berücksichtigung der Begünstigung nach § 34 Abs. 4 EStG für einen Teil der Einkünfte aus selbständiger Arbeit). Zur Prüfung, ob und inwieweit die tarifliche Einkommensteuer unter Berücksichtigung der gezahlten Arbeitnehmerzulage von 2 940 DM (§ 28 BerlinFG) um die Berliner Steuerpräferenz von 30 v. H. (§ 21 Abs. 1 BerlinFG) zu ermäßigen sei (vgl. § 25 BerlinFG), errechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Summe der begünstigten Einkünfte mit Ausnahme der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit (4 178 DM + 1 465 DM abzüglich 12 000 DM =) ./. 6 357 DM. Da der Betrag negativ war, teilte das FA die tarifliche Einkommensteuer nicht auf (vgl. § 25 Abs. 3 BerlinFG). Es verrechnete vielmehr die gesamte auf die tarifliche Einkommensteuer entfallende Steuerpräferenz von (30 v. H. von 3 351 DM =) 1 006 DM gegen die höhere Arbeitnehmerzulage und gewährte dementsprechend keine Steuerermäßigung.

Mit der Klage begehrten die Kläger, die Präferenz unter Außerachtlassung der negativen Einkünfte zu berechnen. Sie trugen vor, die tarifliche Einkommensteuer von 3 351 DM müsse (jeweils unter Außerachtlassung der negativen Einkünfte) nach dem Verhältnis der Einkünfte, die keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind, zu den begünstigten Gesamteinkünften aufgeteilt werden. Nach diesem Verhältnis (4 178 DM + 1 465 DM = 5 643 DM übrige Einkünfte zu 31 549 DM + 5 643 DM = 37 192 DM Gesamteinkünfte, jeweils unter Außerachtlassung der negativen Einkünfte) ergebe sich ein Anteil an der tariflichen Einkommensteuer von 517 DM. Es sei demnach eine Steuerpräferenz von 30 v. H. dieses Betrages, insgesamt also von 156 DM zu gewähren.

Das FG wies die Klage mit dem in EFG 1973, 525, veröffentlichten Urteil ab. Es führte u. a. aus: § 25 Abs. 3 Satz 2 BerlinFG knüpfe mit dem Begriff "Gesamtbetrag der Einkünfte" an die Gesetzessprache des EStG an. Der Begriff "Einkünfte" umfasse sowohl positive als auch negative Ergebnisse der einzelnen Einkunftsarten. Erst der Ausgleich mit Verlusten führe nach § 2 Abs. 2 EStG zum Gesamtbetrag der Einkünfte. Eine Auslegung nach dem Wortlaut führe nicht zu einem offensichtlich sinnwidrigen Ergebnis. Richtig sei zwar, daß es wegen der geltend gemachten AfA nach § 7 b EStG nicht darauf ankomme, ob die anderen positiven Einkünfte aus Berlin (West) oder aus dem übrigen Bundesgebiet stammten. Das sei aber eine Folge des Verlustausgleichs, der nach dem Sinn der Aufteilungsvorschrift zunächst in erster Linie mit den anderen positiven Einkünften aus Berlin (West) mit Ausnahme der Arbeitnehmereinkünfte vorzunehmen sei. Schließlich werde die 30 %ige Steuerermäßigung den Klägern auch nicht teilweise verweigert. Da der Verlustausgleich zunächst innerhalb der Gruppe der übrigen Einkünfte vorzunehmen sei und nach der Verrechnung noch ein negativer Schuldsaldo verbleibe, zahlten die Kläger für die übrigen Einkünfte keine Einkommensteuer nach dem Bundestarif. Für eine nichtgeschuldete Einkommensteuer könne keine Steuerermäßigung gewährt werden (Urteil des BFH vom 22. Februar 1973 VIII R 7/68, BFHE 109, 93, BStBl II 1973, 471). Etwas anderes folge auch nicht aus dem BFH-Urteil vom 2. Dezember 1971 IV R 142/70 (BFHE 104, 337, BStBl II 1972, 278). Das Urteil befasse sich nicht mit der Auslegung des Begriffs Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern mit der Frage, welchen Einfluß die Freigrenze von 800 DM auf die Veranlagung eines Arbeitnehmers habe, der negative sowie tarifbegünstigte positive Nebeneinkünfte erzielt habe.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 25 BerlinFG. Sie tragen u. a. vor: Sinn und Zweck des Berlinförderungsgesetzes erforderten es, im Rahmen des § 25 BerlinFG zumindest die negativen Einkünfte außer Betracht zu lassen oder - was auf dasselbe Ergebnis hinauslaufe - die (sämtlichen) positiven Einkünfte mit den negativen Einkünften in dem Verhältnis auszugleichen, wie die ersteren zueinander stünden. Die 30 %ige Ermäßigung müsse daher von einem Teilsteuerbetrag gewährt werden, der sich nach der allgemeinen Formel

Einkommensteuer nach Bundestarif x Summe der übrigen positiven Einkünfte

Summe aller positiven Einkünfte

berechne. Es könne nicht richtig sein, daß Einkünfte aus Berlin (West) mit dem Bundestarif besteuert würden. Daß dies der Fall sei, ergebe sich schon aus der Tatsache, daß bei der Berechnung der Einkommensteuerermäßigung nach § 34 Abs. 4 EStG der Bundestarif berechnet und unverändert in die Endsumme übernommen worden sei. Das FG habe auch nicht die Tendenz des Berlinförderungsgesetzes beachtet, nach der sicherlich nicht der Besitzstand der Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gegenüber früheren Fassungen des Gesetzes, nach denen keine Arbeitnehmerzulage gewährt wurde, verschlechtert werden sollte. Das BFH-Urteil VIII R 7/68 betreffe den rechtlich nicht vergleichbaren Sachverhalt, daß die Kläger eine Ermäßigung von der (fiktiven, gar nicht geschuldeten) Steuer begehrten, die den positiven Einkünften entsprach. Das BFH-Urteil IV R 142/70 betreffe zwar ebenfalls einen anderen Sachverhalt und eine andere Vorschrift, jedoch spreche seine Tendenz für die Begründetheit der Revision im Streitfalle. Der BFH führe zu § 46 EStG aus, daß nur bei der Härteausgleichsvorschrift eine Saldierung aller Einkünfte außer derjenigen aus nichtselbständiger Arbeit erfolge, daß aber im übrigen bei der Veranlagung die Regeln einzuhalten seien, die auch sonst gelten; dazu seien Verluste grundsätzlich mit anderen "höchstversteuerten Einkünften" zu verrechnen. Dies bedeute allgemein, daß eine Verrechnung so zu erfolgen habe, wie es für den Steuerpflichtigen tarifmäßig am günstigsten sei. Im Streitfall bedeute dies, daß sogar über den Klageantrag hinaus die Verluste aus Vermietung und Verpachtung zunächst ausschließlich mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu verrechnen seien. Hierdurch würden dem Steuerpflichtigen die insoweit gewährten Arbeitnehmerzulagen voll erhalten bleiben; zusätzlich würde die 30 %ige Tarifermäßigung hinsichtlich der anderen positiven Einkünfte sogar im vollen Umfange zu gewähren sein.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Steuer auf 3 195 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Mit dem FG geht der Senat davon aus, daß den Klägern die Ermäßigung der veranlagten Einkommensteuer um 30 v. H. nach § 21 Abs. 1 BerlinFG dem Grunde nach zusteht; ferner, daß i. S. des § 25 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG die Ermäßigung vorbehaltlich des § 25 Abs. 3 BerlinFG in vollem Umfange zu gewähren ist, weil die Einkünfte, die nicht aus Berlin (West) stammen, den Betrag von 3 000 DM nicht übersteigen.

Streitig ist lediglich, wie zwecks Anrechnung der für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gezahlten Arbeitnehmerzulage von 2 940 DM auf die Steuerermäßigung diese auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einerseits und die anderen Einkünfte andererseits aufzuteilen ist. Die Vorschriften des § 25 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BerlinFG, soweit sie hier in Betracht kommen, lauten:

"Bestehen die Einkünfte aus Berlin (West) nur zum Teil aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 23 Nr. 4 Buchstabe a, so ist die Ermäßigung im Verhältnis der letztgenannten Einkünfte ... in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 zum Gesamtbetrag der Einkünfte ... aufzuteilen. Die Ermäßigung, die hiernach auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 23 Nr. 4 Buchstabe a entfällt, wird nur insoweit gewährt, als sie die Zulagen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 übersteigt." Bei diesen Vorschriften handelt es sich zwar um Sondervorschriften für Berlin (West). Sie regeln jedoch die Erhebung der Einkommensteuer in diesem Bereich. Deshalb ist dem FG darin zuzustimmen, daß die Vorschriften auf der Grundlage der Begriffe des allgemeinen Einkommensteuerrechts auszulegen sind. Die Aufteilung der Präferenz von (30 v. H. von 3 351 DM =) 1 006 DM hat hiernach im Verhältnis der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 31 549 DM zum Gesamtbetrag der Einkünfte von 25 192 DM zu erfolgen. Da der Gesamtbetrag der Einkünfte niedriger ist als der Betrag der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ergibt sich, daß auf die Einkünfte, die keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind, kein Anteil entfällt. Eine Präferenz kommt für diese Einkünfte somit nicht in Betracht. Vielmehr ist die Arbeitnehmerzulage von 2 940 DM auf den vollen in Betracht kommenden Präferenzbetrag anzurechnen. Da sie höher ist als die Präferenz von 1 006 DM, kommt eine Präferenz auch insoweit nicht zur Auswirkung.

Dieses Ergebnis widerspricht entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht dem Sinn und Zweck des BerlinFG. Insbesondere kann dem Vorbringen der Kläger nicht beigetreten werden, daß das so gewonnene Ergebnis einer Anwendung der Bundessteuer auf Einkünfte aus Berlin (West) gleichkomme. Denn bei einem Belastungsvergleich darf die für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Berlin (West) gezahlte Arbeitnehmerzulage nicht außer Betracht bleiben. Wird diese Zulage im Streitfall aber mitgerechnet, so zeigt es sich, daß der Vorteil der Kläger durch die Arbeitnehmerzulage von 2 940 DM sogar sehr viel höher ist als die insgesamt in Betracht kommende Präferenz von 1 006 DM.

Für das Anliegen der Kläger, die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entweder ganz außer Betracht zu lassen oder aber sie anteilmäßig bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und den übrigen Einkünften anzusetzen, findet sich schon im Wortlaut des Gesetzes kein Anhaltspunkt. Der BFH hat im übrigen bereits im Urteil VIII R 7/68 ausgesprochen, daß das (damalige) Steuererleichterungsgesetz an die Gesetzessprache des EStG anknüpfe. Er hat eine Anwendung der Vorschriften über die Aufteilung beim Zusammentreffen von begünstigten und nichtbegünstigten Einkünften dann abgelehnt, wenn positive begünstigte und negative nichtbegünstigte Einkünfte zusammentreffen, weil dann in der nach den Bestimmungen des EStG veranlagten Einkommensteuer keine Steuer für die nichtbegünstigten Einkünfte enthalten sei. Diese Ausführungen lassen - entgegen der Auffassung der Kläger - ebenfalls erkennen, daß ein etwa in Betracht kommender Verlustausgleich nicht zu einer vom Wortlaut des Gesetzes abweichenden Auslegung der Vorschriften über die Aufteilung führen kann. Das BFH-Urteil IV R 142/70 befaßt sich mit den die Durchführung einer Veranlagung betreffenden Vorschriften des § 46 EStG, die mit den hier zu beurteilenden Vorschriften nicht verglichen werden können. Fragen im Zusammenhang mit der Begünstigung nach § 34 Abs. 4 EStG tauchen im Streitfall nicht auf, da eine Steuerpräferenz mit Rücksicht auf die Arbeitnehmerzulage insgesamt nicht zu gewähren ist (vgl. die entsprechende Ermächtigung in § 25 Abs. 4 BerlinFG).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72357

BStBl II 1977, 589

BFHE 1978, 373

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