Leitsatz (amtlich)

Die Investitionszulage für unbewegliche Wirtschaftsgüter sowie für Ausbauten und Erweiterungen an Gebäuden kann nicht deshalb versagt oder zurückgefordert werden, weil diese Wirtschaftsgüter innerhalb des Dreijahreszeitraums aus der Betriebstätte ausscheiden.

 

Normenkette

InvZulG 1969 § 1 Abs. 5, § 3 Abs. 5

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), zu deren notwendigem Betriebsvermögen ein Hotel- und Gaststättenbetrieb, das "B-Hotel" in U gehörte. Im Zusammenhang mit der Errichtung und der sachlichen Ausstattung des Hotels, das im Januar 1971 eröffnet wurde, wandten die Kläger in den Jahren 1970 und 1971 einen Betrag von insgesamt rd. 312 000 DM auf. Der Aufwand wurde vom Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft Frankfurt/Main als förderungswürdige Investition i. S. des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) anerkannt.

Auf Antrag der Kläger gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) mit Bescheid vom 14. Oktober 1971 für das Jahr 1970 eine Investitionszulage von 26 560 DM. Den Antrag der Kläger auf Gewährung einer Investitionszulage von 4 710,50 DM für das Jahr 1971 lehnte das FA mit Bescheid vom 13. Juli 1972 unter Hinweis auf die Verpachtung des Hotels zum 1. Juli 1972 ab. Mit der gleichen Begründung forderte das FA mit Bescheid vom 13. Juli 1972 die für das Jahr 1970 gewährte Investitionszulage in vollem Umiang gemäß § 3 Abs. 5 InvZulG 1969 zurück. Die Einsprüche und Klagen blieben ohne Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidungen im wesentlichen wie folgt:

§ 3 Abs. 5 InvZulG 1969 setze voraus, daß die Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage berücksichtigt worden sind, mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung oder Herstellung in der errichteten oder erweiterten Betriebstätte verbleiben. Durch die Verpachtung sei aber die Betriebstätte der Kläger, auf die es ankomme, weggefallen. Der Rückforderungsanspruch erstrecke sich nicht nur auf die beweglichen, sondern auch auf die unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Zwar enthalte § 1 InvZulG 1969 keine Bestimmungen über den Verbleib oder die Nutzung dieser Wirtschaftsgüter. Der Rückforderungstatbestand des § 3 Abs. 5 InvZulG 1969 beziehe sich jedoch sowohl auf die beweglichen als auch auf die unbeweglichen Wirtschaftsgüter. Darüber hinaus könne aus dem Sinn des Investitionszulagengesetzes entnommen werden, daß auch bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern eine gewisse Zeitspanne für die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen erforderlich sei. Diese Zugehörigkeit, die auch für unbewegliche Wirtschaftsgüter gelte, habe nur dann einen Sinn, wenn sie für eine gewisse Zeitdauer vorliege. Das Erfordernis einer dreijährigen eigenbetrieblichen Nutzung durch den Investor müsse in gleicher Weise für bewegliche und unbewegliche Investitionsobjekte gelten. Diese Rechtsauffassung werde durch die Neufassung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 InvZulG 1973 (BGBl I 1973, 1494, BStBl I 1973, 645) bestätigt. Diese Neufassung stelle keine Änderung des bisherigen Rechtszustandes dar; sie diene lediglich der Klarstellung.

Die Kläger rügen mit ihren Revisionen unrichtige Anwendung der §§ 1 Abs. 5 und 3 Abs. 5 InvZulG 1969. Sie sind der Auffassung, daß das Hotel auch nach der Verpachtung noch als ihre Betriebstätte anzusehen gewesen sei; denn während der Pachtzeit seien ständig Aufsichtshandlungen durchzuführen gewesen, weil die Pächterin vertragswidrig gehandelt habe. Der Rückforderungsanspruch des FA könne sich im übrigen allenfalls auf die für die beweglichen Wirtschaitsgüter gewährte Investitionszulage beziehen, wie sich aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 5 Nr. 2 InvZulG 1969 ergebe.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidungen aufzuheben und den Klagen stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat beschlossen, die Revisionen der Kläger gemäß § 73 FGO zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.

Auf die Revisionen werden die Vorentscheidungen aufgehoben.

1. Nach dem im Streitfall anzuwendenden § 1 Abs. 5 InvZulG 1969 dürfen bei der Bemessung der zu gewährenden Investitionszulage nur berücksichtigt werden,

a) die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von beweglichen Wirtschaftsgütern, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in der Betriebstätte verbleiben,

b) die Herstellungskosten von unbeweglichen Wirtschaftsgütern, die in den förderungsbedürftigen Gebieten errichtet werden, sowie

c) die Herstellungskosten für Ausbauten und Erweiterungen an Gebäuden in den förderungsbedürftigen Gebieten.

Für die Rück forderung bereits gewährter Investitionszulage bestimmt § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969, daß diese insoweit zurückzuzahlen ist, als im Fall des § 1 InvZulG 1969 Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage berücksichtigt worden sind, nicht mindestens drei Jahre seit ihrer Anschaffung oder Herstellung in der Betriebstätte verblieben sind.

2. Entgegen der Auffassung des FG sind die in den vorstehend aufgeführten Vorschriften enthaltenen Regelungen über den dreijährigen Verbleib der begünstigten Wirtschaftsgüter in der Betriebstätte nicht dahin gehend zu verstehen, daß die Wirtschaftsgüter während des Dreijahreszeitraums in der Betriebstätte des Steuerpflichtigen verbleiben müssen, der sie errichtet oder erweitert hat. In den zu § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 ergangenen Entscheidungen vom 8. Oktober 1976 III R 162/73 (BFHE 120, 438, BStBl II 1977, 168) und III R 87/75 (BFHE 120, 444, BStBl II 1977, 171) hat der Senat ausgeführt, es sei lediglich erforderlich, daß die begünstigten Wirtschaftsgüter während des maßgeblichen Dreijahreszeitraums in der Betriebstätte verbleiben, zu deren Errichtung oder Erweiterung sie angeschafft oder hergestellt worden sind. Hierbei muß es sich nicht zugleich auch um die Betriebstätte des Steuerpflichtigen handeln, dem die Investitionszulage gewährt worden ist. Dementsprechend kann die Investitionszulage nicht zurückgefordert werden, wenn der Investor die Betriebstätte innerhalb des Dreijahreszeitraums verpachtet und der Pächter sie während des noch nicht abgelaufenen Teils des Dreijahreszeitraums unverändert und als selbständige Betriebstätte fortführt.

Nach Ansicht des Senats gelten diese Grundsätze auch für die Anwendung des § 1 Abs. 5 InvZulG 1969, der in seinen Regelungsinhalt den § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 überdeckt. Beide Vorschriften fordern ihrem Wortlaut nach lediglich eine Bindung an "die Betriebstätte". Auch in § 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG 1969 fehlt demnach ein Hinweis auf den Betriebstätteninhaber. Hinsichtlich des Sinnzusammenhangs dieser Vorschrift greifen grundsätzlich die gleichen Erwägungen wie zu § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 ein. Schließlich entspricht die im Bereich des möglichen Wortsinns des § 1 Abs. 5 InvZulG 1969 liegende Auslegung des Senats der gesetzgeberischen Zielsetzung der Vorschrift (vgl. Urteile III R 162/73 und III R 87/75). Es kann im übrigen keinen Unterschied machen, ob der Steuerpflichtige die fraglichen Wirtschaftsgüter vor oder nach Auszahlung der Investitionszulage verpachtet. Es wäre unverständlich und mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, der im Rahmen des Investitionszulagenrechts entsprechende Anwendung findet, unvereinbar, beide Fälle unterschiedlich zu behandeln.

Dementsprechend ist die Versagung der beantragten und die Rückforderung der bereits gewährten Investitionszulage nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Kläger das Hotel vor Ablauf des maßgeblichen Dreijahreszeitraums verpachtet haben.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidungen waren daher aufzuheben. Die Sachen sind jedoch nicht spruchreif, weil das FG - von seiner Rechtsauffassung ausgehend zutreffend - nicht die entscheidungserheblichen Feststellungen darüber getroffen hat, wie lange die fraglichen Wirtschaftsgüter noch nach dem 1. Juli 1972, dem Zeitpunkt der erstmaligen Verpachtung, in der Betriebstätte verblieben sind.

Zwar sind bei der Ermittlung des maßgeblichen Dreijahreszeitraums unter den zu 1) aufgeführten Voraussetzungen auch die Zeiträume zu berücksichtigen, während deren das Hotel an Frau X und - nach dem Vorbringen der Kläger im Revisionsverfahren - anschließend an die Y-GmbH verpachtet war. Die Kläger haben jedoch im Revisionsverfahren ergänzend vorgetragen, daß das Hotel am 15. September 1973 endgültig von der zweiten Pächterin geräumt worden sei. Der damit verbundene Hinweis, das Hotel werde seit Mitte Dezember 1974 wieder von den Klägern selbst bewirtschaftet, deutet darauf hin, daß das Hotel in der Zwischenzeit nicht in Betrieb war. Mangels tatsächlicher Feststellungen des FG über die näheren Umstände, unter denen das Hotel möglicherweise stillgelegt war, kann der Senat nicht abschließend darüber befinden, ob auch der Zeitraum einer solchen Stillegung in die Ermittlung des Dreijahreszeitraums einbezogen werden kann und ob auf diese Weise die dreijährige Bindung an die Betriebstätte gewahrt ist. Dies ist entscheidungserheblich, da die maßgebliche Dreijahresfrist am 15. September 1973 weder für die Investitionen 1970 noch für die des Jahres 1971 abgelaufen war.

Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen, damit es die unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats notwendigen Feststellungen trifft und diese rechtlich würdigt (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

4. Kommt das FG im weiteren Verfahren zum Ergebnis, daß die gesetzlich erforderliche Bindung der fraglichen Wirtschaftsgüter an die Betriebstätte nicht mindestens drei Jahre betragen hat, insbesondere deshalb nicht, weil der Zeitraum der Stillegung des Hotels nicht in die Berechnung des Dreijahreszeitraums miteinbezogen werden kann, so wird es bei seiner erneuten Entscheidung folgendes zu beachten haben:

Der Senat vermag die Auffassung des FG, daß die dreijährige Bindungsfrist der §§ 1 Abs. 5 und 3 Abs. 5 InvZulG 1969 sich auch auf unbewegliche Wirtschaftsgüter erstreckt, nicht zu teilen.

a) § 1 Abs. 5 Nr. 2 InvZulG 1969 schreibt im Gegensatz zur Regelung bei beweglichen Wirtschaftsgütern (§ 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG 1969) nicht vor, daß unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur dann begünstigt sind, wenn sie mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung in der Betriebstätte verbleiben. Eine Deutung, die gleichwohl auch bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern ein dreijähriges Verbleiben in der maßgeblichen Betriebstätte für die Gewährung der Zulage voraussetzt, liegt nicht mehr im Bereich des möglichen Wortsinns und ist damit nicht Auslegung, sondern das Gesetz ergänzende oder umbildende Rechtsfortbildung. Für eine derartige Rechtsfortbildung ist aber kein Raum. Beide Fallgestaltungen können zwar rechtlich gleichbehandelt werden, sie müssen es jedoch nicht. Hätte der Gesetzgeber die Gewährung der Investitionszulage bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern von einer zeitlichen Bindung an die Betriebstätte abhängig machen wollen, so hätte es nahegelegen, die Regelung des § 1 Abs. 5 Nr. 1 InvZulG 1969 auch auf die Nr. 2 und 3 dieser Vorschrift zu übertragen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß unbeweglichen Wirtschaftsgütern das Verbleiben in der Betriebstätte immanent und aus diesem Grund eine ausdrückliche Regelung entbehrlich sei. Eine unterschiedliche Behandlung beweglicher und unbeweglicher Wirtschaftsgüter ist im Hinblick auf die fehlende Mobilität bei letzteren auch nicht sachfremd.

b) Der Wortlaut des § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969 trifft im Gegensatz zu § 1 Abs. 5 InvZulG 1969 keine Unterscheidung zwischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten von beweglichen Wirtschaftsgütern einerseits und Herstellungskosten von unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens sowie Herstellungskosten für Ausbauten und Erweiterungen an Gebäuden andererseits, sondern spricht generell von Wirtschaftsgütern, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Bemessung der Investitionszulage berücksichtigt worden sind. Im Hinblick auf den dem Grunde nach gleichartigen Regelungsgehalt in beiden Vorschriften kann jedoch für die Rückforderung der Investitionszulage hinsichtlich der Bindung an die Betriebstätte nichts anderes gelten als für die Gewährung der Investitionszulage. Eine Auslegung, die dies berücksichtigt, liegt im Rahmen des möglichen Wortsinns des § 3 Abs. 5 Satz 2 1. Alternative InvZulG 1969. Sie steht auch im Einklang mit dem Zweck des Gesetzes und trägt dem Erfordernis der Gleichmäßigkeit bei der Anwendung des Gesetzes Rechnung.

c) Die Investitionszulage für unbewegliche Wirtschaftsgüter sowie für Ausbauten und Erweiterungen an Gebäuden kann somit nicht deshalb versagt oder zurückgefordert werden, weil diese innerhalb des Dreijahreszeitraums aus der Betriebstätte ausscheiden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72258

BStBl II 1977, 363

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