Entscheidungsstichwort (Thema)

Inhaltliche Anforderungen an die Vereinbarung einer dauernden Last

 

Leitsatz (NV)

Die steuerrechtliche Anerkennung einer anläßlich der Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbarten Versorgungszusage als dauernde Last setzt u. a. voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart sind. Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a S. 1, § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb aufgrund notariellen Vertrags vom 17. März 1976 von ihrem damals 73jährigen Vater X, einem Landwirt, insgesamt ca. . . . qm große Grundstücke, deren Wert gutachtlich auf . . . DM geschätzt war. § 3 des Vertrages lautete:

,,Eine Gegenleistung hat die Erwerberin nicht zu erbringen."

Mit privatschriftlichem Vertrag vom 20./21. April 1976 vereinbarten die Kläger und der Vater der Klägerin ,,in Anbetracht der Tatsache", daß letzterer der Klägerin ,,mehrere Grundstücke geschenkt hat", folgendes:

,,§ 1 Zahlungspflicht

(1) (Die Kläger) verpflichten sich hiermit, in Anbetracht der schenkungsweise überlassenen Grundstücke . . . monatliche Leistungen in Höhe von mindestens . . . DM an Herrn X zu entrichten. . . .

(3) Die Zahlungsverpflichtung gemäß Abs. 1 besteht für die Zeitdauer von mindestens 10 Jahren, längstens jedoch bis zum Ableben des Herrn X.

§ 2 Allgemeines

(1) Vorstehende Vereinbarung ist nicht frei widerrufbar; sie ist Gegenleistung für die schenkungsweise Überlassung der vorerwähnten Grundstücke.

(2) Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform. . . .

(3) Sollte infolge der inflationären Geldentwertung ein Wegfall der Geschäftsgrundlage eintreten, dann sind (die Kläger) verpflichtet, die monatlich wiederkehrenden Leistungen in Höhe von . . . DM zugunsten von Herrn X angemessen zu erhöhen.

(4) (Die Kläger) sind andererseits berechtigt - sollten ihre wirtschaftlichen Verhältnisse sich erheblich verschlechtern - die monatlichen Leistungen zu kürzen."

In den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 1977 bis 1979 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die jährlichen Aufwendungen von . . . DM nicht antragsgemäß als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), sondern als Leibrente (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG) mit einem Ertragsanteil von 14 v. H.

Das Finanzgericht (FG) hat der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage, mit welcher die Kläger die Abziehbarkeit der Aufwendungen als dauernde Last begehrten, stattgegeben. Im Hinblick auf die Anpassungsklausel in § 2 Abs. 4 des Vertrages vom 21. April 1976 fehle es an der für eine Leibrente erforderlichen Gleichmäßigkeit der Leistungen. Dem Abzug einer dauernden Last stehe § 12 Nr. 2 EStG nicht entgegen. Wegen des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs der Verträge vom 17. März und 21. April 1976 stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, daß die Klägerin und ihr Vater wechselseitige Leistungen beabsichtigt hätten. Auch der Kläger leiste keine Zuwendungen i. S. des § 12 Nr. 2 EStG: Obwohl er nicht Eigentümer der Grundstücke geworden sei, stehe auch sein Zahlungsversprechen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Leistung an seine Ehefrau.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten sind nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG als Sonderausgaben abziehbar. Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225) sind in sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Sach- und Geldleistungen dauernde Lasten, wenn sie nicht gleichbleibend sind. Auch wenn unterstellt wird, daß im Streitfall ein Vermögensübergabevertrag vorliegt, scheitert die Abziehbarkeit daran, daß die Versorgungsleistungen nicht eindeutig und von Anfang an dem Rechtsgrund eines Vermögensübergabevertrags zugeordnet werden können. Die Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen ist nicht formwirksam vereinbart und inhaltlich unbestimmt.

2. Wiederkehrende Leistungen an einen potentiell Unterhaltsberechtigten sind grundsätzlich nach § 12 Nr. 2 EStG vom Abzug als dauernde Last ausgeschlossen. Anderes gilt für Versorgungsleistungen, die aufgrund eines Vermögensübergabevertrages gezahlt werden: Diese unterscheiden sich durch ihre Charakterisierung als vorbehaltene Vermögenserträge von Unterhaltsleistungen i. S. des § 12 Nr. 1 EStG; sie enthalten deshalb auch keine Zuwendungen des Vermögensübernehmers aufgrund freiwillig begründeter Rechtspflicht i. S. v. § 12 Nr. 2 EStG (Beschluß des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, 329, BStBl II 1990, 847). Der Übergabevertrag einschließlich der Versorgungszusage muß steuerrechtlich anzuerkennen sein. Dies setzt unter nahen Angehörigen jedenfalls voraus, daß die gegenseitigen Rechte und Pflichten klar und eindeutig vereinbart sind (vgl. zu dieser Voraussetzung allgemein BFH-Urteil vom 17. Januar 1991 IV R 132/85, BFHE 163, 449, 452, BStBl II 1991, 607, jeweils mit Nachweisen der Rechtsprechung; zur Abgrenzung der Betriebsausgaben von außerbetrieblichen Zuwendungen BFH-Urteil vom 21. August 1985 I R 73/82, BFHE 145, 316, BStBl II 1986, 250; zur Verpflichtung von Versorgungsleistungen in einem Vermögensübergabevertrag BFH-Urteil vom 28. April 1987 IX R 40/81, BFH/NV 1987, 712, unter 3.). Die klaren und ernsthaft gewollten Vereinbarungen müssen zu Beginn des maßgeblichen Rechtsverhältnisses oder bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden. Verträge zwischen nahen Angehörigen sind nur dann der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sie rechtlich einwandfrei, also auch unter Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Form geschlossen werden (BFH-Urteil vom 1. Februar 1973 IV R 61/72, BFHE 108, 219, BStBl II 1973, 309; Schmidt / Heinicke, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl. 1991, § 4 Anm. 99 ,,Angehörige", unter a bb, m. w. N.).

Eine Gesamtwürdigung der vertraglichen Regelung führt im Streitfall zu dem Ergebnis, daß es an einer steuerrechtlich anzuerkennenden Vereinbarung fehlt.

2. Das Rentenversprechen ist inhaltlich nicht hinreichend klar.

a) Das FG hat, um die Nichtanwendbarkeit des § 12 Nr. 2 EStG zu begründen, angenommen, daß ungeachtet der ,,Schenkung" laut Wortlaut des notariellen Vertrags ein wirtschaftlicher Zusammenhang der versprochenen Zahlungen mit der Überlassung der Grundstücke bestanden habe; es sei ,,gänzlich unwahrscheinlich", daß im Abstand von einem Monat zwischen denselben Vertragsparteien hohe Vermögenswerte ausgetauscht werden, ohne daß diese Vorgänge ,,wirtschaftlich etwas miteinander zu tun" gehabt hätten. Aus dem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang der ,,Gesamtregelung" ergebe sich - ungeachtet der äußerlichen Trennung der Verträge und der Verwendung des Wortes ,,Schenkung" - zur Überzeugung des Senats, daß wechselseitige Leistungen beabsichtigt gewesen seien. Ohne wirtschaftliche Gegenleistung der Kläger für die Überlassung der wertvollen Grundstücke wäre es auch zu Schwierigkeiten mit den Geschwistern der Klägerin gekommen.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen ist bereits zweifelhaft, ob die schriftlichen Erklärungen den Willen der Vertragsparteien vollständig wiedergeben und ob die rechtliche Eigenqualifikation einer ,,Schenkung" der Grundstücke zutreffend ist. Andererseits haben die Vertragspartner die Grundstücksschenkung weder in ein entgeltliches Rechtsgeschäft noch in eine Schenkung unter Auflage abgeändert. Die klärungsbedürftige naheliegende Frage, ob und ggf. wie die Verträge rechtlich voneinander abhängig sind, blieb damit offen, der Widerspruch zwischen dem ersten und zweiten Vertrag hinsichtlich einer ,,Gegenleistung" ungelöst.

b) Die Vertragsklausel, die wiederkehrenden Leistungen sollten ,,mindestens" auf die Dauer von zehn Jahren, längstens jedoch auf die Lebenszeit des Bezugsberechtigten gezahlt werden, enthält nicht die Vereinbarung einer sog. verlängerten Leibrente; eine solche liegt vor, wenn die Dauer der Rente - als ,,Leibrente" - zwar grundsätzlich vom Leben einer Bezugsperson abhängig ist, gleichwohl aber in jedem Fall erst nach Ablauf einer Mindestlaufzeit erlöschen soll. Die hier zu beurteilende Vereinbarung über die Dauer der Rente läßt die Frage offen, ob und unter welchen Voraussetzungen - möglicherweise nach dem Ermessen der Verpflichteten - die Rente nach Ablauf von zehn Jahren gezahlt werden soll, wenn der Vater dann noch lebt.

c) Die Formulierung, daß monatlich ,,mindestens" . . . DM zu zahlen sind, steht nicht erkennbar in sachlichem Zusammenhang mit dem Vorbehalt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 2 Abs. 3 des Vertrages vom 21. April 1976) und kann daher bedeuten, daß die wiederkehrenden Leistungen auch aus anderen, im einzelnen nicht schriftlich erläuterten Gründen erhöht werden können.

3. Die Schenkung der wiederkehrenden Bezüge war nicht formgerecht.

a) Waren die wiederkehrenden Zahlungen von Anfang an ,,Gegenleistung" für die ,,Schenkung" der Grundstücke, so handelte es sich insgesamt um ein einheitliches Geschäft, dessen gesamter Inhalt nach § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) der Beurkundung bedurft hätte. Was zum Inhalt des Vertrages gehört, bestimmt sich nach dem erklärten Willen der Vertragsparteien. Beurkundungsbedürftig sind insbesondere die Abreden über die Leistung und die Gegenleistung (s. im einzelnen M. Wolf in Soergel, Kommentar zum Bürgerlichen Recht, 12. Aufl., § 313 BGB Rdnr. 62 m. w. N.), aber auch vereinbarte Versorgungsleistungen des Übernehmers eines Vermögens (Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 7. Juni 1961 VIII ZR 209/60, BGH LM Nr. 20 zu § 313 BGB; vom 2. Oktober 1987 V ZR 42/86, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht - NJW-RR - 1988, 185; Pecher in Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Art. 96 EGBGB Rdnr. 13).

b) Denkbar ist, daß die Vertragschließenden zwei getrennte, nicht in einem rechtlichen Zusammenhang miteinander stehende (Schenkungs-)Verträge abschließen, z. B. sich wechselseitig beschenken wollten. Diese - rechtlich mögliche - Sachverhaltsvariante ist in tatsächlicher Hinsicht nicht wahrscheinlich (vgl. BFH-Beschluß vom 12. Dezember 1968 II B 35/68, BFHE 94, 357, BStBl II 1969, 173), auch wenn in verschiedenen Urkunden niedergelegte Verträge eine tatsächliche Vermutung dafür begründen, daß die Vereinbarungen nach dem Parteiwillen voneinander unabhängig sein sollen (vgl. BGH-Urteil vom 10. Oktober 1986 V ZR 247/85, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1987, 1069).

Eine Beurkundungspflicht nach § 313 BGB entfällt, wenn das eine Geschäft lediglich im Vertrauen auf den Abschluß und Fortbestand des anderen vorgenommen wird (BGH-Urteil vom 7. Februar 1986 V ZR 176/84, NJW 1986, 1983, unter 3. b aa) und nicht mit dem anderen ,,stehen und fallen soll" (vgl. BGH-Urteile vom 7. Dezember 1989 VII ZR 343/88, NJW-RR 1990, 340, 341; vom 16. September 1988 V ZR 77/87, NJW-RR 1989, 198). In diesem Falle wäre die ,,Schenkung" der wiederkehrenden Bezüge zwar nicht als an die Grundstücksschenkung ,,gekoppelter" Vertrag (M. Wolf in Soergel, a. a. O., Rdnr. 67) unter dem Gesichtspunkt des § 313 BGB, wohl aber nach § 518 Abs. 1 BGB formbedürftig.

c) Einander fremde Vertragspartner hätten Verträge von derart weitreichender Bedeutung nur unter Beachtung der bürgerlich-rechtlich vorgeschriebenen Form geschlossen. Der IX. Senat des BFH hat es in seinem Urteil vom 10. Juli 1990 IX R 50/88 (BFH/NV 1991, 157) für entbehrlich gehalten, daß eine Nebenabrede zu einer Grundstücksübertragung unter Vorbehalt des Nießbrauchs beurkundet wird, zumal der Formmangel nach § 313 Satz 2 BGB mit der Auflassung und Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch geheilt wird. Diese rechtliche Aussage kann auf den hier zu beurteilenden Fall einer nicht beurkundeten Hauptverpflichtung (Verpflichtung zur Gegenleistung oder Schenkung) nicht übertragen werden.

d) Zwar ist die Formunwirksamkeit für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Das bedeutet jedoch nicht, daß die Einhaltung gesetzlicher Formvorschriften bei der Gesamtwürdigung vertraglicher Beziehungen zwischen nahen Angehörigen nicht - wie dies der BFH in ständiger Rechtsprechung fordert - als Indiz für die Ernsthaftigkeit der zu beurteilenden Willensbekundungen gewürdigt werden könnte. Dessen ungeachtet tritt das den Übergabevertrag gegen lebenslängliche Versorgungsleistungen kennzeichnende wirtschaftliche Ergebnis einer dauernden Versorgung nicht bereits dadurch ein, daß der Verpflichtete gegenwärtig das formunwirksame Rentenversprechen einhält.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418162

BFH/NV 1992, 306

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